Sprach­spiel der Lie­be Gottes

Ein Satz wie ein Gedicht.
Weil Got­tes Lie­be die Nacht mit tau­send Engeln erhellt. Für wen das alles?
Eine Pre­digt zu Hei­lig­abend über einen beson­de­ren Moment der Weih­nachts­ge­schich­te (Lukas 2,1–21).

Was ist ihr Lieb­lings­satz aus der Weih­nachts­ge­schich­te? Da gibt es bestimmt ver­schie­de­ne Ant­wor­ten. Man­che Sät­ze sind beson­ders wichtig.

„Sie­he, ich ver­kün­di­ge euch gro­ße Freu­de: Euch ist heu­te der Hei­land gebo­ren.“ (Lukas 2,10). Das ist so einer. Das ist der Kern der Geschich­te. Der Hei­land ist gebo­ren. Der, der alles heil macht, der die Welt ret­tet, der Frie­den bringt, der Leben bringt, der es sagt: „Gott liebt dich über die Maßen“, und der es auch lebt. Lieblingssatz.
Ich mag auch sehr, sehr gern den Schluss der Geschich­te, wo Lukas über Maria schreibt. Das ist viel­leicht der Satz, der uns am bes­ten sagt, wie wir mit der Geschich­te umge­hen sol­len. „Maria aber behielt alle die­se Wor­te und beweg­te sie in ihrem Herzen.“
Wenn wir im Her­zen bewe­gen, was da gesche­hen ist – es also nicht ver­ges­sen, son­dern es uns Tag und Nacht ein Leben lang beschäf­tigt, dann ent­de­cken wir Gott. Dann kom­men wir Gott immer näher. Dann lebt er in unse­ren Her­zen und wir spü­ren es auch.

Aber ich habe auch einen Lieb­lings­satz, der gar nicht so theo­lo­gisch schlau und vol­ler Schwer­ge­wicht daher­kommt. Er ist eher ein Spiel mit Wor­ten und ein­fach einer der schöns­ten Sät­ze vom Sprach­künst­ler Mar­tin Luther: „Und es waren Hir­ten in der­sel­ben Gegend auf dem Fel­de bei den Hür­den, die hüte­ten des Nachts ihre Her­de.“ (Lukas 2,8)
Ich habe mal in ande­ren Über­set­zun­gen nach­ge­schaut. Lang­wei­lig. Sach­lich rich­tig, aber boden­los lang­wei­lig. Doch Luther fetzt: Hir­ten bei den Hür­den hüten die Her­den. Wenn ich die Geschich­te laut lese, freue ich mich schon dar­auf, an die­ser Stel­le anzukommen.

Dabei ist das doch eher unbe­deu­tend. Hir­ten pas­sen auf ihre Her­de auf. Das ist ihr Job. Das Verb dafür heißt nun ein­mal hüten – und wir nut­zen es ja heu­te auch über­tra­gen: „Gott behü­te dich“, sagen wir.
„Die Hir­ten waren drau­ßen und plötz­lich kam ein Engel.“ Hät­te auch gereicht. Die Bibel ist dick genug. Da wür­den ein paar Sprach­spie­le weni­ger nicht scha­den. Aber Luther hebt die­se fast schon bana­le Sze­ne dich­te­risch hervor.

Der wich­tigs­te Satz, der beschreibt, dass der Hei­land der Welt gebo­ren wird – für uns! – der braucht kei­ne beson­de­re Form. Der schlägt auch so ein. War­um die Hir­ten bei den Hür­den, die die Her­den hüten? Die sind doch nichts Beson­de­res. Die machen auch nichts Beson­de­res. Meis­tens waren das Auf­trag­shir­ten. Da hat­ten eini­ge bes­ser­ge­stell­te Men­schen in der Stadt ihre Scha­fe. Und sie enga­gier­ten die Hir­ten, damit die sich um die Tie­re sor­gen. Die Besit­zer woh­nen im Haus, die Hir­ten schla­fen auf dem Feld. Die Besit­zer leben von der Wol­le, von der Milch, vom Fleisch. Aber wehe, dem Hir­ten kommt ein Schaf oder eine Zie­ge abhan­den, wird von einem Wolf oder Bären geris­sen. Dann gibt’s Ärger. Hir­ten halt. Die waren nicht gera­de gefragt, wenn es um gesell­schaft­li­che Anläs­se ging. Im Stadt­rat waren sie wohl nicht zu fin­den. Ein­fach zu grob­schläch­tig. Viel­leicht auch nicht gebil­det genug. Natür­lich waren sie Über­le­bens­künst­ler und mit den Tie­ren kann­ten sie sich bes­tens aus, wuss­ten wohl auch mehr von ihnen als ein Tier­arzt. Sie kann­ten ihre Her­de. Aber naja. Trotz­dem. Muss nicht sein, dass sie beim Fest­ban­kett an der Tafel sit­zen. Lass mal lie­ber draußen.

Luther hebt sie her­aus. Er wid­met ihnen die schöns­te sprach­li­che Gestalt. War­um? Wohl aus dem glei­chen Grund, aus dem der Engel zual­ler­erst ihnen die fro­he Bot­schaft verkündet:
Gott kommt in die Welt. Und zwar in die Welt, die sich immer wei­ter­dreht, in der es unten und oben gibt. Gott kommt in die Welt, in der Hir­ten drau­ßen vor der Stadt tag­aus, tag­ein ihrem anstren­gen­den Beruf nach­ge­hen. Er kommt in die Welt, in der wir nie­mals dar­an gedacht hät­ten, den Hir­ten Bescheid zu geben. Die haben wir ein­fach nicht im Blick.

Wir wären wohl, wie die Wai­sen aus dem Mor­gen­land zuerst zum König in Jeru­sa­lem gelau­fen. Weil ein König nun mal im Palast gebo­ren wird – die Geschich­te ist heu­te nicht dran, aber sie gehört ja zu Weih­nach­ten. Gott aber macht von Anfang an klar, dass er nie­man­den aus dem Blick ver­lo­ren hat.
Wie hat Maria gesun­gen, als sie ihre Cou­si­ne Eli­sa­beth besuch­te (Lukas 1,52–53)?

„Er – Gott – stößt die Gewal­ti­gen vom Thron und erhebt die Nied­ri­gen. Die Hung­ri­gen füllt er mit Gütern und lässt die Rei­chen leer ausgehen.“

Gott macht ernst mit sei­ner Lie­be. Er schließt nie­man­den aus. Er macht wahr, was der Pro­phet Jesa­ja ange­kün­digt hat: (Jesa­ja 61,1–2) und was Jesus über sich selbst sagen wird (Lukas 4,18–19):

„Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat und gesandt, zu ver­kün­di­gen das Evan­ge­li­um den Armen, zu pre­di­gen den Gefan­ge­nen, dass sie frei sein sol­len, und den Blin­den, dass sie sehen sol­len, und die Zer­schla­ge­nen zu ent­las­sen in die Frei­heit und zu ver­kün­di­gen das Gna­den­jahr des Herrn.“

Wem wid­men wir unse­re schöns­ten Sät­ze? Wen laden wir ganz beson­ders ein? Wem öff­nen wir unse­re Türen? Wem machen wir das größ­te Geschenk?
Die­ser schö­ne Satz über die Hir­ten macht mich nach­denk­lich. Wir fei­ern mit­ein­an­der, dass Gott zu allen Men­schen kommt: „Freu­de, die allem Volk wider­fah­ren wird“, so sagt es der Engel. Und blen­den die aus, die so schnell über­se­hen wer­den, die eh schon immer am Rand ste­hen. Ob es uns gelingt, Got­tes Blick ein­zu­üben? Ob es uns gelingt, sein Vor­ge­hen zu lernen?
Fangt bei den Hir­ten unse­rer Zeit an – den Bett­lern, den Asyl­su­chen­den, den Häft­lin­gen, den Zurück­ge­setz­ten und Ausgegrenzten.

Krieg ich das selbst hin? Nein, das schaf­fe ich nicht. Aber viel­leicht gelingt mir ein Schritt in die rich­ti­ge Rich­tung. Viel­leicht gelingt mir, den Blick nicht abzu­wen­den von der Not ande­rer, son­dern hin­zu­schau­en. Und dann auch was zu tun – von einem ermu­ti­gen­den Wort bis zu einer hilf­rei­chen Tat.

Der schö­ne Satz über die Hir­ten trös­tet mich aber auch und legt mir Freu­de ins Herz. Gott selbst wird zum Dich­ter für uns. Er fin­det die schöns­ten Wor­te für uns. Auch, viel­leicht sogar gera­de da, wo wir ihn aus dem Blick ver­lo­ren haben.
„Du bist mein gelieb­tes Kind. Ich kom­me in dei­ne Welt, ich kom­me zu dir, ich kom­me für dich. Euch, dir ist heu­te der Hei­land geboren.“
Wenn ich mich gera­de wie ein Hir­te füh­le – drau­ßen, nicht beach­tet, nicht mal von Gott gese­hen, sagt er: „Hier bin ich. Heu­te kom­me ich zu dir!“

Lest die Weih­nachts­ge­schich­te zuhau­se ruhig noch ein­mal nach. Sie ist nicht sehr lang. Lukas 2 steht sie. Lest sie mög­lichst nach der Über­set­zung von Mar­tin Luther, denn nur dort klingt der Satz mit den Hir­ten so schön.
Staunt über Got­tes Lie­be, die sogar in so einer ein­fa­chen Situa­ti­ons­be­schrei­bung sicht­bar wird. Gott nimmt euch in den Blick. Jeden. Gott kommt zu dir! Heute!

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