So ist Gott

Die Geschich­te oder das Gleich­nis vom ver­lo­re­nen Sohn – wer kennt es nicht? Ob Cat Ste­vens ali­as Yus­uf Islam die­se bibli­sche Erzäh­lung im Kopf hat­te, als er sein unver­gess­li­ches „Father and Son“ dich­te­te und sang?
Ein paar Gedan­ken zu dem Gleich­nis, das Jesu erzählt hat. Der Evan­ge­list Lukas hat es auf­ge­schrie­ben: Lukas 15,11–32

Es ist schon über 50 Jah­re ist her, dass Cat Ste­vens den Song ver­öf­fent­licht hat. Viel­leicht kann­te Jesus das Lied auch schon? Da hat einer die Faxen dick. „Das ist mir hier zu muf­fig, zu eng. Ich muss raus. Außer­dem: mich schon mit 18 fest­le­gen auf die­sen Hof, auf die­sen Job, auf die Fami­lie – das ist mir zu früh. Ich will etwas erle­ben. Ich will die Welt sehen. Ich will hier weg.“
Aber die Alten ver­ste­hen es nicht. Sie mit ihrer Lebens­er­fah­rung. „It’s not time to make a chan­ge. Just relax, take it easy. You’­re still young, that’s your fault.” – Nimm’s leicht. Du bist noch zu jung.
Wie lan­ge Vater und Sohn im Gleich­nis von Jesus dis­ku­tiert haben, erzählt Jesus nicht. Bei ihm geht’s schnell. Der Vater teilt das Erbe. Und eine Wei­le spä­ter bricht der Sohn tat­säch­lich auf. Raus aus dem Mief, der Bür­ger­lich­keit, der Enge. Rein ins wah­re Leben, ins Aben­teu­er, in die wei­te Welt. Raus aus den Tra­di­tio­nen, von denen die einen immer sagen, dass sie doch tra­gen, wäh­rend sie zugleich Ver­än­de­run­gen behin­dern. Ihr kennt die sie­ben letz­ten Wor­te der Kir­che: „Das haben wir schon immer so gemacht.“ Dazu gehört auch das Zwil­lings­paar: „Das haben wir noch nie so gemacht.“ Naja. Raus aus der Enge, rein in – den Absturz. Die Flucht in die Frei­heit geht schief. War ja klar.

Was mich an der Geschich­te fas­zi­niert: Der Song kommt zwei­mal vor. Zuerst singt ihn der jün­ge­re Sohn und folgt sei­ner Erkennt­nis: „Now there’s a way and I know that I have to go away. I know I have to go.” – Es gibt einen Weg. Ich muss weg. Ich muss gehen.
Dann aber singt der Älte­re sei­ne Kla­ge. Der Unter­schied: Er ist geblie­ben. Aber ver­stan­den hat er sei­nen Vater nicht. Viel­leicht hat­te er den Song auch immer auf den Lip­pen. Nur hat er sich nicht getraut, sei­nem jün­ge­ren Bru­der nach­zu­ge­hen. Kann sein, dass er Wor­te wie Ver­ant­wor­tung oder Ver­nunft im Kopf hatte.
Wer, wie ich, schon als Kind mit die­ser Geschich­te von Jesus im Kin­der­got­tes­dienst auf­ge­wach­sen ist, kennt sie unter der Über­schrift „Der ver­lo­re­ne Sohn.“ Aber müss­te der Vater nicht auch vor­kom­men? Und der Bru­der eben­falls. Und klar – sie soll­te genau­so als Geschich­te von Müt­tern und Töch­tern erzählt wer­den, das glei­che in Rosa sozusagen.
Doch Jesus geht es gar nicht um den Gene­ra­tio­nen­kon­flikt. Er redet auch nicht dar­über, wie gut oder schlecht Tra­di­tio­nen sind. Sei­ne gro­ße Über­schrift heißt: Ver­lo­ren und gefun­den. So erzählt er vor­her zwei ande­re Geschich­ten, die vom ver­lo­re­nen Schaf und die vom ver­lo­re­nen Gro­schen (Lukas 15,1–10).
Aber das Gleich­nis mit den Söh­nen ist ein­deu­tig der Höhe­punkt. Ange­sto­ßen wur­de Jesus dazu von der Kri­tik – oder dem Neid? – man­cher from­men Leu­te: „Der hockt ja mit Sün­dern zusam­men. Und der isst sogar mit ihnen!“ (Lukas 15,2) Und ohne es zu aus­zu­spre­chen, sagt Jesus: „Ich muss da mal etwas klar­stel­len.“ Wor­auf er die drei Gleich­nis­se erzählt, die Bil­der für Got­tes Ver­hält­nis zu uns Men­schen sind.

„So ist Gott“, könn­ten sie über­schrie­ben wer­den. Und wie ist Gott? Gott ist wie einer, dem etwas sehr Kost­ba­res abhan­den­ge­kom­men ist und der es unbe­dingt wie­der­ha­ben will. Das Schaf hat sich ver­irrt. Die Sil­ber­mün­ze rollt in eine Rit­ze im Fuß­bo­den. Der Sohn flieht von zuhau­se. Und Gott schmerzt es. Denn er ist der Hir­te, der auf kei­nes sei­ner Scha­fe ver­zich­tet, er gibt sich nicht mit 99% zufrie­den, son­dern sucht das eine. Er ist die Frau, die sich nicht sagt: 90 % Sil­ber­mün­zen genü­gen auch noch, sie sucht die eine. Er ist der Vater, der sei­ne bei­den Kin­der nie auf­gibt. Got­tes Herz erträgt es nicht, wenn wir nicht am bes­ten Ort sind, den es für uns gibt: In sei­ner Gegenwart.
Wenn einer zu Gott zurück­kommt, freut sich der gan­ze Him­mel. Damit been­det Jesus die ers­ten bei­den Geschich­ten. Da ist mehr Freu­de im Him­mel über einen ein­zi­gen Sün­der, der zurück zu Gott fin­det, als über 99 Gerech­te, die Gott aus dem Blick ver­lo­ren haben.
Am Ende gibt’s ein Fest. Frisch geba­det, in das bes­te fest­li­che Gewand gehüllt, den Sie­gel­ring des Vaters am Fin­ger ist der Sohn zuhau­se ange­kom­men. Par­ty im Himmel.

Ist euch auf­ge­fal­len, was der Vater in der Geschich­te nicht sagt? Es ist schwer zu mer­ken, eben weil er es nicht sagt. Aber die Bemer­kung, die ich ein­ge­fügt habe, kommt in der Geschich­te gar nicht vor. Ich habe gesagt: „Raus aus der Enge, rein in – den Absturz. Die Flucht in die Frei­heit geht schief. War ja klar.“ Aber das sagt der Vater nicht.
Viel­leicht erin­nert ihr euch dar­an, wel­che Hal­tung der Vater ein­nimmt. „Als er aber noch weit ent­fernt war, sah ihn sein Vater und es jam­mer­te ihn, und er lief und fiel ihm um den Hals und küss­te ihn.“ Der hat gewar­tet. Der hat Aus­schau gehal­ten. Der läuft sei­nem Sohn ent­ge­gen. Er umarmt ihn und küsst ihn. Kein „war ja klar“ oder „sel­ber schuld“ oder „hab ich’s nicht gleich gesagt.“ Er spricht auch nicht von den Feh­lern der Jugend – „You’­re still young, that’s your fault. There’s so much you have to know.“
Sein Herz kennt nur eine Hal­tung: Lie­be. Und für Gott heißt das: voll­kom­me­ne, unend­li­che, vor­be­halt­lo­se Lie­be. Wobei „vor­be­halt­los“ unsin­nig ist – denn wenn Lie­be Vor­be­hal­te hat, ist sie kei­ne Liebe.
Das schließt auf kei­nen Fall aus, dass Gott an vie­len Stel­len der Bibel sagt, was gut für uns ist und was uns scha­det. Er warnt uns vor Abwe­gen und Irr­we­gen. Er lässt kei­nen Zwei­fel dar­an auf­kom­men, was nicht zu sei­ner Hei­lig­keit passt. Wer mit der Geschich­te vom ver­lo­re­nen Sohn – oder vom lie­ben­den Vater – Got­tes Gebo­te und sei­ne Hei­lig­keit und Gerech­tig­keit aus­he­beln will, miss­braucht sie. Und hat sie auch nicht ver­stan­den. Gott ist der hei­li­ge, völ­lig rei­ne, voll­kom­men gerech­te, ein­zi­ge Gott. Und er liebt in einer unvor­stell­ba­ren Wei­se, die sich kein Mensch aus­den­ken kann und die kei­ner nach­ma­chen kann.

So ist Gott! Er sucht. Er war­tet. Er gibt die Hoff­nung nicht auf. Er gibt sei­ne Lie­be nicht auf. Er setzt alles dafür ein, dass die ver­lo­re­ne Toch­ter und der ver­lo­re­ne Sohn nach Hau­se fin­den. Und er heißt uns dort will­kom­men, ohne jede Ein­schrän­kung. So ist Gott.
Er sehnt sich nach denen, die ihn tat­säch­lich aus dem Blick ver­lo­ren haben – oder ihn noch nie im Blick hat­ten. Er sehnt sich nach denen, denen alle Reli­gi­on und alle Tra­di­ti­on zu eng gewor­den sind; nach denen, die nicht nur ihrer Kir­che oder Gemein­de, son­dern zugleich ihm den Rücken gekehrt haben.
Er sucht genau­so die­je­ni­gen, die sich gera­de­zu in Tra­di­tio­nen flüch­ten, weil sie mit der Lie­be und Frei­heit Got­tes viel­leicht nichts mehr anzu­fan­gen wis­sen und sogar Sor­ge davor haben. Die ver­wirrt dar­über sind, dass er den sprich­wört­lich gewor­de­nen Zöll­nern und Sün­dern ent­ge­gen­geht und mit ihnen an einem Tisch sitzt. Die sich dar­über sogar ärgern.
Kurz: Er sucht mich und er sucht dich. So ist Gott. Nie war er anders. Nie wird er anders sein. Und wir? Kön­nen dar­auf ant­wor­ten. Kön­nen auf ihn zuge­hen. Kön­nen unser Herz für ihn öffnen.

Wie wäre es, wenn wir dann auch ein biss­chen was aus dem Gleich­nis über­neh­men? Die offe­ne Tür, die offe­nen Arme für ande­re etwa. Die Bereit­schaft, ein­an­der zu ver­ge­ben. Die auf­rich­ti­ge Freu­de über Ver­söh­nung. Das Glück zu fei­ern, wenn einer zu Gott fin­det – was sich manch­mal auch dar­an zeigt, dass einer sich zu einer christ­li­chen Gemein­de hält.

„It’s not time to make a chan­ge?” Doch, ist es. Und zwar zu Gott hin. Zu sei­ner Lie­be hin. Denn so ist Gott.

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