Gott lädt ein. Wie ein Marktschreier. Zum Leben.
Ein paar Gedanken zum Werbetext Jesajas.
Vor der Predigt wurde das Gleichnis vom großen Abendmahl gelesen, Lukas 14,15–24.
Und gesungen wurde “Kommt her, ihr seid geladen” (Ev. Gesangbuch Nr. 313)
Kommt her, ihr seid geladen, der Heiland rufet euch;
der süße Herr der Gnaden, an Huld und Liebe reich,
der Erd und Himmel lenkt, will Gastmahl mit euch halten
und wunderbar gestalten, was er in Liebe schenkt.
Gott lädt ein
„Kommt her, ihr seid geladen.“ Das hörten die auserwählten Gäste, die zu dem großen, festlichen Mahl eingeladen waren. Sie nahmen es nicht wahr. „Kommt her, ihr seid geladen.“ Das hörten voller Verwunderung „die Armen und Verkrüppelten und Blinden und Lahmen“ auf den Straßen und Gassen der Stadt. Und es hörten die Menschen an den Landstraßen und Zäunen – vermutlich ebenso verwundert. „Was? Der lädt uns ein zu seinem großen festlichen Mahl?“
Was machen wir?
Es ist nicht die einzige Einladung, die Gott ausspricht. Lukas schreibt von dem Gleichnis, der Beispielgeschichte, die Jesus erzählt hat. Aber Jesus wird auch ganz direkt. Und die Einladung, die er so direkt ausspricht, ist ziemlich bekannt (Matthäus 11,28): „Kommt alle her zu mir, die ihr mühselig und beladen sei; ich will euch erquicken.“ Heute ist das der Wochenspruch.
„Kommt her. Kommt alle her!“ Gott wirbt – und wenn er dazu wie ein Marktschreier auf die Straße gehen muss. Er stellt sich neben Wurst-Kalli und Fisch-Ede und Bananen-Fritz. Die haben keine Hemmung, ihre Produkte zu bewerben. Und Gott? Hören wir ihm zu.
Jesaja 55,1–5
Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser! Und die ihr kein Geld habt, kommt her, kauft und esst! Kommt her und kauft ohne Geld und umsonst Wein und Milch!
Warum zählt ihr Geld dar für das, was kein Brot ist, und euren sauren Verdienst für das, was nicht satt macht? Hört doch auf mich, so werdet ihr Gutes essen und euch am Köstlichen laben.
Neigt eure Ohren her und kommt her zu mir! Höret, so werdet ihr leben! Ich will mit euch einen ewigen Bund schließen, euch die beständigen Gnaden Davids zu geben.
Jesaja trifft den Nagel auf den Kopf. Was er aufgeschrieben hat, trifft bis heute: „Warum zählt ihr Geld dar für das, was kein Brot ist, und euren sauren Verdienst für das, was nicht satt macht?“
Es fängt tatsächlich schon beim Brot an. Manches ist so labberig, so wenig kernig und schmackhaft, dass es den Namen Brot nicht verdient. Ich erinnere mich an die echten Bauernbrote, die es bei uns zuhause gab – tatsächlich auch von einem Bauern gebacken, mit echtem Sauerteig, im Holzofen. Das hatte einen vollen Geschmack. Der erste Laib, der frisch nach dem Einkauf abends auf den Tisch kam, war nach dem Abendessen komplett verputzt – nur mit Butter und Salz. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen, wenn ich nur dran denke.
Geben wir nicht so manches aus für Dinge – ob Nahrung oder Kleidung oder vielfältige Alltagsgegenstände – und fragen uns: Was ist das für eine Qualität? Sachen halten nicht, gehen schnell kaputt. Sie schmecken eher mäßig oder sie schmecken übermäßig nach Geschmacksverstärkern und allerhand künstlichen Zusätzen.
Aber Jesaja spricht nicht nur von Backwaren oder von Wein und Milch. Sie sind zugleich Platzhalter, Symbole für etwas anders. Und die Währung unserer Zeit ist auch nicht nur Geld. Es gibt eine Währung, die viel kostbarer ist als Euro oder Dollar, wertvoller als Silber und Gold. Die Währung unserer Zeit heißt Aufmerksamkeit. Alles ist darauf abgestimmt, unsere Sinne zu erreichen und sie zu fesseln. Ganz offensichtlich ist das bei den unüberschaubar vielfältigen Angeboten in der virtuellen, der digitalen Welt.
Was zählt sind Klicks und die Verweildauer bei den uferlosen Mitteilungen, die veröffentlicht werden. Da werden aus 30 Sekunden Katzenvideo, das ich mir anschaue, weil es so lustig oder süß ist, schnell mal fünf oder zehn Minuten. Weil auch andere so lustig oder süß sind. Katzenvideos. Ich fasse es nicht.
Aber genauso kämpfen um meine Zeit und Aufmerksamkeit die soliden, verlässlichen Nachrichtenmedien – Tagesschau und ZDFheute und viele mehr. Und eine irritierende Sogwirkung haben alle Internetseiten, die von Angst erzählen, die haltlose Verschwörungstheorien verbreiten, die übelsten Nationalismus bewerben. Alle wollen sie meine Zeit, meine Aufmerksamkeit, meine Seele.
Doch das Internet ist nicht allein so. Jedes Plakat im öffentlichen Raum, jede Werbung, zwischen Fernsehsendungen geschaltet, jede große Anzeige hat das gleiche Ziel: „Schau mich an. Lass dich von mir überzeugen. Bleib bei mir!“ Und klar: Am Ende steht dahinter immer auch: Kauf mich. Aber das ist nur das Ergebnis. Zuerst geht’s um meine Aufmerksamkeit.
Was wir dafür – oder davon bekommen? Sorgen. Angst. Schlaflose Nächte. Das Gefühl, nicht alles zu haben, was wichtig ist. Die Angst, etwas zu verpassen. Herzrasen und Atemnot, weil wir nur noch Schreckensnachrichten in uns aufsaugen. „Warum gebt ihr eure Aufmerksamkeit dar für etwas, das euch alle Kraft raubt? Warum gebt ihr eure Zeit für etwas hin, das euch den Seelenfrieden stiehlt? Warum bezahlt ihr mit eurer Freiheit des Geistes für etwas, das euch jede Freiheit, jede Freude und jeden Frieden raubt?“ Jesaja ist hochaktuell.
Und Gott muss laut rufen: „Kommt her!“ Er steht wirklich zwischen Wurst-Kalli und Fisch-Ede und Bananen-Fritz. Er konkurriert mit Facebook, TikTok, Instagram, WhatsApp und X. Er kämpft an gegen die 17. Sondersendung und den 23. Brennpunkt, wenn mal wieder eine Katastrophe geschehen ist.
Nichts gegen seriöse Nachrichten. Auch nichts gegen lustige Katzenvideos. Aber mit was füllst du dein Herz? Welche Nahrung bietest du deiner Seele? Wem gilt deine ungeteilte Aufmerksamkeit?
„Hört doch auf mich, so werdet ihr Gutes essen und euch am Köstlichen laben. […] Höret, so werdet ihr leben.“
Ob wir es üben können, Gott mehr zuzuhören? Es ist schon die Frage, was zuerst ich in mein Herz hineinlege. Fülle ich es an mit schlechten Nachrichten und mit Szenarien, die mir Angst machen? Packe ich noch allerhand Dinge drauf, die mein Nachbar zwar hat, aber ich nicht? Stopfe ich dann noch drauf, was mir der und jener erzählt: „Das musst du unbedingt ausprobieren!“? Dann ist kaum noch Platz für ein gutes Wort von Gott.
Oder lege ich mir zuerst einen soliden Schatz von Ermutigungen in mein Herz? Sammle ich Gottes Zusagen und fülle damit das Poesie-Album meines Lebens? Kenne ich die Geschichten von Abraham, von Mose, von Daniel, von Jesus, von Paulus? Steht mein inneres Bücherregal voll mit den Büchern, die von ihrem Leben und Glauben erzählen?
Wenn ich so meine Seele fülle, haben die schlechten Nachrichten nicht so viel Raum. Und auch Neid und Habgier haben weniger Möglichkeiten – weil ich schon so viel Besseres in mir habe.
Wo beginnt meine Aufmerksamkeit? Was lege ich als Fundament ganz unten hin? Und was baue ich darauf? Je kräftiger und breiter das Fundament ist, desto besser kann ich tragen und aushalten, was auf mich zukommt.
Ich habe gelegentlich schon vom Gebetshaus in Augsburg erzählt. 24 Stunden, 7 Tage die Woche wird dort gebetet. Die einzelnen Stunden sind nicht immer gleich gefüllt. Was mir bei der Einladung aus Jesaja in den Sinn kam: Für viele Gebetszeiten ist ein Thema angesagt: Politik in Deutschland; kommunale Situation in Augsburg; junge Familien; Christen im Iran oder in China oder Nordkorea und viele andere Themen. Bevor es aber mit Gebeten losgeht, steht zuerst eine halbe Stunde Lobpreis an: Lieder und Bibelworte, die von Gottes Größe erzählen. Oder Worte, die von seiner Hilfe erzählen, die Menschen erlebt haben – in der Bibel und in der Gegenwart. Nicht die Sorge legt das Fundament, auf dem das Gebet aufbaut. Die Grundlage für jedes Beten ist alles, was Gott versprochen hat und was er schon getan hat.
Im Grunde tun wir das in unseren recht klassisch geprägten Gottesdiensten auch – nur dass wir es nicht explizit Lobpreis nennen. Wir singen. Wir beten einen Psalm. Wir hören Gottes Wort – oft nicht nur den Predigttext. Und dann kommt die Beschäftigung mit diesen Worten und die Fürbitte. Gar nicht so fremd also.
Ich glaube, die Frage ist, wie wir so eine Haltung in unseren Haltung hineintragen. Manche lesen am Morgen schon die Herrnhuter Losungen. Andere haben ein Kalenderblatt, das ihnen jeden Tag ein paar gute Gedanken mitgibt. Ich lese zurzeit jeden Tag ein Kapitel aus dem Alten Testament, eins aus dem Neuen und einen Psalm. Vor zwei Jahren habe ich mir einfach die Uhr gestellt und 20 Minuten von vorne nach hinten in der Bibel gelesen. Und warum nicht ein Paul-Gerhardt-Lied einmal komplett durchsingen oder sich laut vorlesen?
„Höret, so werdet ihr leben“, wirbt Gott. Und genau das ist der Weg. Von Gott so viel wie möglich einsammeln, ihm so viel wie möglich Aufmerksamkeit geben. Dann hat anderes weniger Platz und wir werden stärker in unserer Seele. Auch da kann es Durststrecken geben. Aber ich bin überzeugt davon, dass sich auf diese Weise in unseren Herzen ein gewisser heiliger Trotz etabliert. „Dennoch bleibe ich stets an dir“, sagt der Psalmdichter Asaf im 73. Psalm. Er hat beobachtet, dass es den Gottlosen immer besser geht als ihm, dem Frommen. Aber dann wendet er sich ganz Gott zu und sagt trotzig: Ich bleibe an dir dran, Gott; egal, was mir meine Seele gerade einreden will. Dennoch! Und in einer Begegnung mit Jesus sagte einmal ein Vater: „Ich glaube; hilf meinem Unglauben.“ Heiliger Trotz. Weil ganz tief in diesen Menschen das Fundament breit angelegt ist. Und dieses Fundament besteht aus vielen Verheißungen Gottes und seinen unverbrüchlichen Zusagen. Die tragen, auch wenn sie nicht immer zu sehen sind.
Kommt her! Höret! Labet euch an Gott! Füllt eure Herzen mit ihm! Amen.