Gedanken zum Erntedankfest
2. Korinther 9,6–15
Ich meine aber dies: Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen. Ein jeder, wie er’s sich im Herzen vorgenommen hat, nicht mit Unwillen oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb. Gott aber kann machen, dass alle Gnade unter euch reichlich sei, damit ihr in allen Dingen allezeit volle Genüge habt und noch reich seid zu jedem guten Werk; wie geschrieben steht (Psalm 112,9): »Er hat ausgestreut und den Armen gegeben; seine Gerechtigkeit bleibt in Ewigkeit.« Der aber Samen gibt dem Sämann und Brot zur Speise, der wird auch euch Samen geben und ihn mehren und wachsen lassen die Früchte eurer Gerechtigkeit. So werdet ihr reich sein in allen Dingen, zu geben in aller Lauterkeit, die durch uns wirkt Danksagung an Gott.
Denn der Dienst dieser Sammlung füllt nicht allein aus, woran es den Heiligen mangelt, sondern wirkt auch überschwänglich darin, dass viele Gott danken. Um dieses treuen Dienstes willen preisen sie Gott für euren Gehorsam im Bekenntnis zum Evangelium Christi und für die Lauterkeit eurer Gemeinschaft mit ihnen und allen. Und in ihrem Gebet für euch sehnen sie sich nach euch wegen der überschwänglichen Gnade Gottes bei euch. Gott aber sei Dank für seine unaussprechliche Gabe!
Predigt
Säen und Ernten. Am Erntedankfest, haben wir vor Augen, was unmittelbar damit zu tun hat: Bauern haben die Felder vorbereitet und dann Getreide ausgesät, haben Kartoffeln gelegt und manches mehr in den Boden gebracht. Danach geht die Arbeit weiter. Vieles wird mit Maschinen erledigt, etliches ist immer noch Handarbeit. Unkraut muss ferngehalten werden, Krankheiten sollen vermieden werden. Und die richtige Düngung braucht es auch. Das sind schon Wissenschaften für sich. Und immer wieder heißt es warten. Nicht Däumchen drehen, sondern darauf vertrauen, dass die richtige Menge von Regen, Sonne und Wind das Jahr über vorherrschen wird, damit auch wächst und gedeiht, was die Bauern vorbereitet und ausgebracht haben. Am Ende steht die Ernte. Wie gut sie ist, hängt von Gott ab. Denn an den wichtigsten Faktoren können wir nicht drehen. Das Wetter haben wir nicht in der Hand.
Säen und Ernten. Das ist lebensnotwendig für uns. Wir haben daran unseren Anteil. Und wir sind auf Gottes Güte angewiesen. Nun ist der Tisch wieder gedeckt, die Gabenkörbe sind gefüllt. So haben wir allen Grund, heute Danke zu sagen. Danke all den Menschen, die gearbeitet, bearbeitet und verarbeitet haben. Danke den Bauern und den Klein- und Hobbygärtnern, die viel Zeit und Mühe und Finanzen eingesetzt haben, damit auf den Feldern und in den Gärten etwas wächst. Und danke Gott, dass er gnädig war. Wir hatten wieder mehr Regen, der Sommer war nicht durchgehend so heiß. Die Natur konnte sich ein bisschen erholen von den letzten heißen und trockenen Jahren.
Säen und Ernten. Was Paulus schreibt, fängt auch damit an: „Wer kärglich sät, wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen.“Das gilt schon in der Natur. Wenn ich keine Körner in den Boden bringe, dann wird zumindest das, was ich mir Wünsche – Weizen oder Mais oder Tomaten oder Salat – nicht wachsen. Gras wird es geben, allerhand Kraut, das wir oft Unkraut nennen. Aber genug zum Brotbacken werde ich nicht finden und auf leckere Tomaten werde ich auch verzichten müssen. Wer bei der Aussaat zu geizig ist, erntet nicht viel. Wenn ich aber schlau und großzügig und meinetwegen auch genau berechnet aussäe, dann kann viel entstehen.
Paulus bringt das Bild aus der Natur, aber er will auf mehr hinaus. Das ist auch immer beim Erntedankfest so. Wir danken von Herzen für die Ernte. Wir danken von Herzen den Bauern und Gott. Und blicken über die Gaben hinaus. Wie ist das mit unserem Leben? Wie säen wir dort eigentlich aus? Wie bereiten wir dort den Boden vor? Was können wir ernten? Für Paulus scheint eines ganz gewiss zu sein: Wir sind reich. Wir sind sogar überreich. Wir ernten im Segen, schreibt er. Alle Gnade ist reichlich. Wir haben allezeit volle Genüge und es bleibt genug übrig zu jedem guten Werk. Gott mehrt den Samen und lässt Früchte wachsen. Die Folge: wir sind reich in allen Dingen. Und das sorgt dafür, dass Menschen Gott überschwänglich danken. Denn seine Gnade ist überschwänglich und unaussprechlich.
Paulus – wem schreibst du da? Und meinst du ernsthaft auch uns heute? Könnten wir das mit dem „reich sein“ noch einmal prüfen? Und den Dank im Überschwang – den würde ich gerne einmal hören. Irgendwie scheinen meine Ohren verstopft und die Augen getrübt. Ich sehe das nicht. Kann es sein, dass wir tatsächlich andere Augen und Ohren brauchen – am Ende sogar andere Herzen – um Gottes Reichtum sehen und den Lobpreis hören zu können?
Mein erster Gedanke dazu: Die Augen und Ohren, das Herz und die Gnade dazu kommen von Gott: „Gott aber kann machen, dass alle Gnade unter euch reichlich sei.“ Und mir geht die Frage durch den Sinn, für wie reich wir Gott wirklich halten. Und auch für wie freigiebig und großzügig. Manchmal befürchte ich, dass wir Gott nichts zutrauen. Jakobus schreibt in seinem Brief einen sehr einfachen, kurzen und provozierenden Satz: „Ihr habt nichts, weil ihr nicht bittet.“ (Jakobus 4,2) Das ist schon ziemlich steil. Wir beten und bitten doch. Vielleicht aber ist uns dabei nicht im Herzen verankert, mit wem wir da reden und vom wem wir etwas erwarten. Von Jesus haben wir ein Gebet gelernt und eine Anrede Gottes: „Unser Vater“ dürfen wir sagen. Gott ist unser Vater. Sicher tragen wir bei Vätern ganz unterschiedliche Vorstellungen und Erinnerungen in uns. Die Kriegskinder haben manchmal ihren Vater gar nicht kennengelernt. Oder er war so zerbrochen, dass ihm wenig oder keine Liebe übriggeblieben war. Wir späteren Väter haben auch unsere kleinen und großen Macken: etwas Egoismus hier, etwas Betriebsblindheit da, schaffe, schaffe, Häusle baue, tragen das Erbe unserer Väter und Großväter in uns.
Gott ist mehr. Gott ist anders. Er ist unser Vater, wir sind seine Kinder. Wir sind Königskinder und der Reichtum Gottes gehört uns. Vielleicht merken und merken wir es aber oft nicht, weil wir selten wirklich bei Gott zuhause sind, uns zu wenig bei ihm aufhalten. Wir sind unterwegs außerhalb des Palastes. Wir haben ja zu tun. Uns schenkt man nichts. Wir müssen machen. Den Sorgen müssen wir begegnen. Und wir sind ja nicht allein. Ständig klingelt einer und will etwas. Und man hilft ja auch gern. Ich weiß gar nicht, wie voll die Schatzkammern meines himmlischen Vaters sind, weil ich zu wenig zuhause bin bei ihm. Und ich weiß oft nicht, wie großzügig und freundlich Gott ist. Dass ich es heute beim Erntedankfest einmal ausspreche, reicht einfach nicht für die anderen 364 Tage des Jahres. Der Jubel ist morgen schon wie weggeblasen. „Ihr werdet reich sein in allen Dingen“, kann Paulus schreiben. Wenn wir diesen Reichtum bei unserem Vater im Himmel suchen; wenn wir unseren Vater im Himmel täglich, in jedem Augenblick aufsuchen. Ich könnte anders sehen und glauben und reicher sein in meinem Herzen, wenn ich öfter bei meinem Vater reinschaue.
Und dann werden wir selbst zum Segen für andere. Paulus schreibt diese Worte vom Säen und Ernten den Christen in Korinth, weil er ihre Herzen bewegen will. Denn ihre Glaubensgeschwister in Jerusalem, die Christen dort in der Gemeinde sind äußerlich wirklich arm. Die Anfänge waren ermutigend. Pfingsten war es richtig losgegangen. 3.000 Taufen am ersten Tag, als Petrus gepredigt hat. Und alle waren ein Herz und eine Seele und teilten alles miteinander. Menschlich-wirtschaftlich war das aber nicht vorausschauend. Dieser auch heute manchmal so bewunderte und heraufbeschworene Ur-Kommunismus der Christen ging schief, aus ganz verschiedenen Gründen. Die Gründe spielen für Paulus keine Rolle. Tatsache ist: Den Geschwistern in Jerusalem muss geholfen werden von denen, die im Moment bessergestellt sind. Ihr seid reich. Und das seid ihr zum Segen anderer. Unsere Möglichkeiten hier in Europa, in Deutschland, in unseren Dörfern und Städten sind ein Segen, sind Reichtum. Und damit können wir andere beschenken und segnen.
Ob wir Gott zutrauen, dass er durch unsere Gaben andere segnet? Von Paulus lerne ich, dass er jede meiner Gaben segnen und vermehren kann. Aus einem Korn werden 30 oder 50 oder 100 neue Körner. Aber nur, wenn ich das eine Korn loslasse, es in die Erde lege. Nur dann nämlich vermehrt es sich. Als Anschauungsobjekt in einem Glasbehälter, ohne Luft, ohne Wasser wird nichts daraus. Ich darf es nicht sammeln und bewahren. Ich muss es aussäen. Manchmal kann es vielleicht sein, dass wir wenig Segen erfahren, weil wir das viele oder wenige, das wir haben, festhalten und glauben, es bewahren zu müssen. Gott lehrt anderes. Wer Segen und seinen Reichtum erfahren will braucht den Mut, seinen eigenen Segen und Reichtum loszulassen. Das Korn muss in die Erde. Dass das in der Landwirtschaft so ist, wissen wir. Dass es im Leben so ist – daran haben wir wohl ein Leben lang zu lernen. Erntedank mag da ein guter Anfang, ein guter Anstoß sein. Wir sind reich, denn wir sind Gotteskinder, Königskinder. Wir haben einen Vater, der uns über alles liebt und uns seinen Reichtum voll zur Verfügung stellt. Wir sind gesegnet und werden Segen erleben, wenn wir Gottes Geschenk mit anderen teilen. Zu Abraham – weit vor Paulus – sagte Gott: „Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein.“ (1. Mose 12,2) Das gilt bis heute allen, die auf Abraham gefolgt sind, auch uns.
Gottes Segen steht am Anfang. Und wir werden zum Segen durch ihn. Dafür danken wir Gott und dadurch stiften wir sogar andere zum Danken und Loben an. Amen.
Fotos: Erntedankfeste in Luckenau und Tröglitz