Ein Schatz in einem Krug? Hat man hier und da schon gefunden. Gedanken zu einem biblischen Bild, das der Apostel Paulus geprägt hat. Gepredigt beim Töpfermarktgottesdienst in Wittenberg.
2. Korinther 4,6–7
Gott hat einst gesagt: »Aus der Dunkelheit soll ein Licht aufleuchten!« Genauso hat er es in unseren Herzen hell werden lassen. Durch uns sollte das Licht der Erkenntnis aufleuchten: Die Herrlichkeit Gottes sollte sichtbar werden, die uns in Jesus Christus begegnet. Wir tragen diesen Schatz aber in zerbrechlichen Gefäßen. So soll deutlich werden, dass unsere übergroße Kraft von Gott kommt und nicht aus uns selbst.
Predigt
„Wir tragen diesen Schatz in zerbrechlichen Gefäßen“, schreibt Paulus. Mit Schätzen sollte man das eher nicht machen, oder? Die Töpferinnen und Töpfer werfen ihre Vasen und Krüge, Schalen und die vielen kleinen und großen Figuren auch nicht einfach so ins Auto. Die kommen in feste Kartons oder Kisten, vielleicht mit Holzwolle ausgekleidet. Auf alle Fälle so, dass sie nicht aneinanderstoßen und zerbrechen.
Wir sind siebenmal umgezogen, bis wir in Wittenberg ankamen. Ich glaube, dank Zeitungspapier, Luftpolsterfolien, Schaumstoff und Originalverpackungen ist nie etwas kaputt gegangen.
Allerdings merke ich etwas an mir: Ich selbst werde ein Stück zerbrechlich. Materialermüdung? Verschleiß? Wie sagt eine etwas freche, aber auch ehrliche Redewendung: „Alt werden ist nichts für Feiglinge.“ Da zieht es im Rücken. Nach 192 Stufen auf den Kirchturm kann schon mal das Knie wehtun. In die Ferne sehe ich noch ganz gut, aber zum Lesen brauch ich doch die Brille. Bin ich aber ein Schatzgefäß? Ein Schatzkästchen? Bist du so ein Schatzgefäß? Ich glaube schon.
Hier an den Stufen liegen allerhand Schätze ausgebreitet, die auf die Menschen hinweisen, die solche Schätze vielleicht sammeln: Pinsel für Maler. Bücher für Leseratten. Stifte für Künstler. Die Zeitung für die gesellschaftlich Interessierten – und auch politisch versierten.
Wir haben Schätze in uns. Nicht immer würden wir das so nennen. Vielleicht heißt es Hobby oder Lieblingszeitvertreib oder Leidenschaft. Zu all dem gehören wohl äußere Schätze, die wir hier sehen können. Und innere, die wir manchmal zeigen. Manchmal gehören sie auch uns ganz alleine.
Ja, es gibt solche Herzensschätze; Kostbarkeiten, die uns ausmachen, die uns auch zu etwas Besonderem machen. Ich denke, dass manche Begabung wahrhaft eine Gabe ist, ein Geschenk, ein kostbarer Schatz.
Ihre Handwerkskunst, liebe Töpferinnen und Töpfer, ist so eine Gabe, ist ein Schatz. Leckeren Kuchen backen ist eine herrliche Gabe, ein Schatz. Einen politischen Zusammenhang verstehen und ihn verständlich wiedergeben zu können, ist eine wertvolle Gabe. Freundlichkeit gehört dazu. Gute, tröstende, ermutigende Worte finden – eine Gabe, die immens wichtig ist für andere, für unsere Gesellschaft. Vermitteln können zwischen Streithähnen. Ruhe ausstrahlen, die andere ansteckt. Zuhören können. Es gibt eine Menge Schätze, die Sie in sich tragen.
In einem zerbrechlichen Gefäß. Das hat Paulus im Blick, wenn er schreibt: „Wir tragen diesen Schatz in zerbrechlichen Gefäßen.“ Die Kostbarkeit, die er dabei sieht und von der er spricht, ist noch etwas anderes als unsere vielen Gaben und Begabungen es sind.
Er sieht nämlich eine Person: Jesus. Christus. In einem Menschen einen Schatz zu sehen, ist gar nicht so befremdlich, wie es im ersten Moment, beim Blick auf Jesus, vielleicht klingt. Denn einen anderen Menschen in seinem Herzen tragen, das kennt jeder, der verliebt ist – und nicht nur im ersten Stadium, wo die Schmetterlingsschwärme im Bauch flattern und dieses eigenartige Wohlfühlgefühl hervorrufen. Eltern tragen ihre Kinder im Herzen, auch wenn sie groß und selbstständig geworden sind.
Auch wenn es nur ein menschliches Bild ist: Auf diese Art trägt Gott uns im Herzen und auf die gleiche Weise können Menschen Gott in ihrem Herzen tragen, Jesus Christus in ihrem Herzen haben. Der ist wie ein Licht, das in uns leuchtet.
Wer ein bisschen weiterliest in der Bibel, der merkt, dass das wirklich ein unglaublich großer Schatz ist. Da legt sich Gott selbst in unser Herz. Da ist einer, der so unglaublich liebt, dass wir uns das gar nicht vorstellen können. Eine Ahnung, wirklich nur eine kleine Ahnung davon gibt uns Weihnachten. Denken Sie dran: Das ist bald und Sie sind heute auf dem Töpfermarkt. Und nein, ich bekomme keine Provision.
Weihnachten sagt: Gott legt sich in dein Herz. Und das Bild dafür: Jesus, der Sohn Gottes, kommt als Mensch zur Welt und liegt in einer Futterkrippe. Der schönste, herrlichste, wertvollste, kostbarste Schatz liegt im Stroh in einem Stall. Angreifbar, verletzlich. Noch ein bisschen früh und ich will euch heute ja keine Weihnachtspredigt halten. Kommt Weihnachten in die Kirche – herzliche Einladung schon mal. Aber so meint es Paulus: Jesus ist dieser Schatz, den wir in uns tragen. Der ist der helle Schein, der in uns leuchtet.
Das sagt etwas über Gott aus. Der hält sich nämlich nicht fern von uns. Der kommt mitten hinein in unser Leben, egal ob es da gerade gut oder schlecht aussieht. Der ist schon mittendrin. Jeder hier, jedes Kind, jeder Erwachsene, jeder aus Wittenberg und jeder, der heute zu Gast in der Stadt ist, ist Gott unendlich wichtig. Jede die zuhört, und jeder, der nur am Rand mitbekommt, dass wir gerade Gottesdienst feiern, ist Gott immens wichtig. So sieht Gott uns an – als kostbare Schätze, als Geliebte, als Herzensmenschen.
Und es sagt etwas über uns aus, die wir Gott selbst in uns tragen können. Denn dadurch werden wir in einer Weise wertvoll, die unsere Vorstellung weit übersteigt. Allzu oft verlieren wir ja an Wert – in den Augen anderer und manchmal auch in unseren eigenen. Wenn wir nämlich schwächer werden, sind wir für manch andere nicht mehr so wertvoll. Wenn wir nichts mehr zum Bruttosozialprodukt beitragen können, sind wir für manche nicht mehr so wichtig. Wenn wir uns nicht mehr richtig ausdrücken können, mag mancher nicht mehr mit uns reden. Und manchmal lastet das so sehr auf unserer Seele, dass wir es selbst womöglich sogar glauben und es uns selbst sagen: Ach, ich bin doch ganz unbedeutend und nur noch eine Last.
„Nein!“, sagt Gott. Lass es dir nicht einreden und rede es dir nicht selbst ein. Denn das ist eine Lüge, die andere über dich verbreiten. Glaube sie nicht, niemals. Du bist mein kostbarstes Schatzkästlein. Egal wie zerbrechlich, ja egal, wie zerbrochen du bist: Ich lege meine ganze Liebe in dich hinein. Ich lege meine ganze Herrlichkeit und Schönheit und Reinheit in dich, mein ganzes himmlisches Licht strahlt in dir.
Und so wirst du selbst zu einem kostbaren Schatz, zu Gottes kostbarem Schatz.
Ich will mir das merken. Nicht nur für den Töpfermarkt. Ja, es stimmt: Manches an mir ist zerbrechlich. Und manches in mir ist auch zerbrochen, gar nicht so stabil, wie es vielleicht sogar scheint. Aber Gott legt in mich seine Liebe. Er legt den Himmel in mich. So trage ich in mir einen Schatz. Und der gibt mir meinen Wert.