Die Predigt zum Abschlussgottesdienst vom Kreisjugendcamp des Kirchenkreises Naumburg-Zeitz im Jugendzentrum “Otto” in Naumurg. 80 Jugendliche waren drei Tage zusammen und haben sich mit Windgeschichten aus der Bibel beschäftigt. Bibelarbeiten, kreative Workshops, Musik, Spiel und Spaß — und am Ende der Gottesdienst.
Wir machen Wind. Drei Tage lang haben wir uns durchpusten lassen von allerhand Windgeschichten. Stürmische Passagen waren dabei, laute und leise Töne. „Strasse 8“ und „Timid Actors“ waren mächtige Windmaschinen. Gut gepustet haben auch NOM (No Other Majesty). Eher ein sanfter Hauch die Bibelarbeiten, bei denen wir versucht haben, ein bisschen genauer nach innen zu hören, ob uns nicht einer etwas Neues einhaucht. Ob vielleicht mancher Hauch sogar unser Leben verändert hat – oder noch verändern kann?
Die Windgeschichten, die in den Bibelarbeiten dran waren, haben ja ganz schön was bewegt.
Die Jünger im Sturm wären fast untergegangen mit ihrer Nussschale auf dem See Genezareth (Matthäus 8,23–27). Ein Wind, der ihr Leben bedroht, der ihren Glauben in Frage stellt. Und der zum Schluss dazu führte, dass sie Jesus mit ganz anderen Augen gesehen haben. „Was ist das für ein Mann, dem Sturm und Wellen gehorchen?“
Der Wind, der Elia neuen Lebensmut brachte, war ein ganz zartes Lüftchen, ein Hauch, mehr zu ahnen als zu spüren (1. Könige 19). Angst hatte der schon genug. Ein gewaltiger Sturm war das letzte, was er brauchte. Das wusste Gott – und haucht ihm neues Vertrauen ein.
Schwierig wird’s, wenn wir versuchen, das Leben mit allen Mitteln zu packen, danach zu greifen – und dann zerrinnt es uns zwischen den Fingern, lässt sich nicht halten – so wie wir den Wind nicht mit Händen festhalten können. Der Prediger (Prediger 1;2;4;6) hat diese Erfahrung gemacht und ganz nüchtern beschrieben.
Und dann ist da noch der Geist Gottes, der Heilige Geist. Ist der so etwas wie der Wind? Unberechenbar, nicht zu greifen? Er kommt, wann er will und wie er will. So muss es Nikodemus lernen, der mit Jesus über das Leben diskutiert (Johannes 3).
Aber auch wenn dieser Geist Gottes unfassbar ist – er bewirkt doch unheimlich viel. In Jerusalem reicht ein Hauch dieses Windes, dass die Jünger keine Angst mehr haben, sondern mutig von Jesus erzählen. Und – Tausende lassen sich anstecken, begeistern von diesem Geist Gottes, glauben an Jesus (Apostelgeschichte 2).
Ob ein Mensch anders lebt, wenn er so von Gott angepustet wird? Oder: Leben wir überhaupt erst wirklich, wenn wir nicht mehr unseren eigenen Wind produzieren müssen sondern von Gott belebt werden?
Hat jemand von euch schon einmal einen Erste-Hilfe-Kurs gemacht?
Das wichtigste, worauf man gucken muss, wenn ein Mensch bewusstlos ist: er muss atmen. Nur wer atmet, lebt. Weiß jeder. Du kannst zwar für eine Weile die Luft anhalten, aber irgendwann musst du doch wieder weiteratmen. Mein letzter Erste-Hilfe-Kurs ist jetzt ein halbes Jahr her, ein Auffrischungskurs. Und dabei habe ich auch wieder geübt, wie man einen Menschen beatmet: Erst einmal schauen, dass keine Fremdkörper im Hals sind. Dann den Mund zuhalten, den Kopf nach hinten biegen – weil dann die Luft besser durch den Kehlkopf strömt und nicht an der Zunge hängen bleibt. Und dann schön gleichmäßig Luft durch die Nase pusten. Zwischendurch Herzmassage.
Wusstet ihr übrigens, dass Gott sich mit dieser Art Erste Hilfe auskennt? Ehrlich. In einer der schönsten Geschichten der Bibel beamtet Gott selbst einen Menschen (1. Mose 2).
4b Es war zu der Zeit, da Gott der Herr Erde und Himmel machte.
5 Und alle die Sträucher auf dem Felde waren noch nicht auf Erden, und all das Kraut auf dem Felde war noch nicht gewachsen; denn Gott der Herr hatte noch nicht regnen lassen auf Erden, und kein Mensch war da, der das Land bebaute;
6 aber ein Nebel stieg auf von der Erde und feuchtete alles Land.
7 Da machte Gott der Herr den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen.
Eine echte Mund-zu-Nase-Beatmung. Ich mag diese Geschichte sehr. Zuerst ist Gott ganz praktisch veranlagt. Er töpfert und formt einen Menschen. Habt ihr schon einmal überlegt, mit wie vielen liebevollen Details und Kleinigkeiten wir ausgestattet sind? Nicht mal eineiige Zwillinge sind hundertprozentig gleich. Irgendeinen Unterschied gibt es immer. Gott mag Details. Und er mag sie an uns. Jeder von euch ist ein Unikat, einmalig, handgemacht. Nebenbei: Wisst ihr, warum der Mensch einen Bauchnabel hat? Und erzählt jetzt nichts von der Nabelschnur. Jedes Mal, wenn ein Mensch fertig ist, stuppst Gott ihn am Bauch an und sagt: „Dich hab ich besonders gern.“ Das ist das eine – jeder hier ist ein einzigartiger Gedanke Gottes, besonders wertvoll und nicht zu ersetzen.
Das andere, warum ich diese Geschichte so mag: Gott gibt uns von seinem Leben etwas ab. Er beatmet, er belebt uns. Du lebst, weil Gott will, dass du lebst. Und dafür setzt er sich selbst ein. So, wie Gott um uns herum die Luft geschaffen hat, damit wir atmen können, gibt er unserer Seele auch Atemluft – und die ist nichts anderes als sein Heiliger Geist. Ich war selbst erstaunt, weil ich vor diesem Campwochenende gar nicht danach gesucht oder darauf geachtet hatte, aber: Es gibt im Neuen Testament genau eine Stelle, in der das Gleiche passiert wie bei der ersten Mund-zu-Nase-Beatmung der Welt – aber dort hat es was mit Gottes Geist zu tun. Nach Ostern begegnet Jesus wieder seinen Jüngern. Sie sollen nun von Jesus erzählen. In den Worten der Bibel: Jesus sendet seine Jünger aus, er schickt sie, er schickt uns die Welt hinein. Und damit seine Jünger nicht alleine sind und vor allem, damit sie genauso lebendig von Gott reden können wie Jesus, gibt er ihnen den Heiligen Geist. Bei Johannes steht das aufgeschrieben (Johannes 20,21.22):
21 Da sprach Jesus abermals zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.
22 Und als er das gesagt hatte, blies er sie an und spricht zu ihnen: Nehmt hin den Heiligen Geist!
Ihr wisst vielleicht, dass das Alte Testament in Hebräisch geschrieben wurde und das Neue Testament in Griechisch. Aber weil schon vor der Zeit Jesu die Weltsprache um das Mittelmeer Griechisch war, mehr sogar als Latein, wurde das Alte Testament zuerst einmal ins Griechische übersetzt, damit auch die Juden, die schon lange außerhalb von Israel lebten, ihre Bibel lesen konnten. Und – das hat mich wirklich erstaunt: da steht genau das gleiche Wort bei dieser Sache mit den Jüngern wie bei der Sache mit dem Menschen, den Gott getöpfert hat.
Wer die Bibel genauer liest, merkt, dass dort nichts einfach zufällig steht. Dass genau bei diesen beiden Geschichten das gleiche Wort steht, hat mich ganz schön nachdenklich gemacht. Gott bläst dem Menschen seinen Odem ein – und der Mensch wird lebendig. Jesus bläst seinen Jüngern den Heiligen Geist ein. Und der ist ja das Kennzeichen, der Atem des ewigen Lebens. Gottes Geist ist – einfach gesagt – der Atem unserer Seele, die Luft für unsere Seele. So, wie die Luft für unseren Körper wichtig ist, so ist Gottes Geist für unsere Seele wichtig, ja lebensnotwendig.
Ich mag diese Geschichte von der Erschaffung des Menschen, weil sie so schön anschaulich an dem „Knetmännchen“ zeigt, wie Gott auch unserer Seele ihren Atem, nämlich seinen Geist einhaucht.
Bevor ich euch diese beiden Geschichten erzählt habe, habe ich gefragt, ob ein Mensch anders lebt, wenn er so von Gott angepustet wird. Leben wir überhaupt erst wirklich, wenn wir von Gott belebt, beatmet werden? Wenn ich mir die Geschichten anschaue, die mit dem Heiligen Geist zu tun haben, dann heißt die Antwort wohl „Ja“:
Die Jünger werden von ängstlichen Menschen, die sich nach Karfreitag und sogar nach Ostern noch verstecken, zu mutigen Predigern und erzählen frei und öffentlich von Jesus (Apostelgeschichte 2). Menschen fangen an, an Gott zu glauben. Menschen glauben an Jesus, an den Jesus, der von den Toten auferstanden ist und lebt. Sie glauben, weil Gott ihnen seinen Geist gibt. Selbst in Not und Gefahr, im Gefängnis etwa, kann einer wie Paulus Lieder singen (Apostelgeschichte 16,23 ff.), Loblieder für Gott – weil Gottes Geist ihm die Luft und die Lust dazu gibt. Wer sagt uns Menschen denn, dass wir Kinder Gottes sind, wer lässt uns das glauben, gibt uns den Mut, Gott mit Vater anzureden? Das macht Gottes Geist, so schreibt es dieser Paulus einmal (Römer 8,16).
Ihr habt an diesem Wochenende einiges erlebt und vielleicht auch neu entdeckt. Die Kreativworkshops waren toll und ihr habt Fantastisches hervorgezaubert. In den Bibelarbeiten habt ihr Windgeschichten angeschaut – und manche davon hatten direkt mit dem Heiligen Geist zu tun. Nehmt die Eindrücke mit nach Hause. Sie sind wie ein frischer Windhauch. Lasst euch davon eure Gedanken auffrischen, durchpusten. Ich wünsche euch, dass Gottes Geist euch dabei beatmet und begeistert. Und dass dieser Geist für euch kein Unbekannter bleibt.
Zu erklären ist er vielleicht schwer. Aber seine Wirkung ist einfach: er lässt unsere Seele leben, so wie unser Körper durch die Luft lebt, die wir atmen. Er verbindet uns mit Gott, bei jedem Atemzug, den wir machen.
Amen.
(Fotos vom Camp gibt’s hier: Wir machen Wind — Fotos)