Geschenke bekommen? Ausgepackt? Gefreut?
Was schenkt uns Gott eigentlich?
Ein paar Gedanken zu Weihnachten aus dem Festgottesdienst in der Stadtkirche St. Marien Wittenberg.
Zwei Bibeltexte wurden gelesen:
Kolosser 2,3.6–10 und Lukas 2,1–20 (die Weihnachtsgeschichte)
Außerdem sang die Kantorei die Kantate von Andreas Hammerschmidt: “Ihr lieben Hirten”.
Predigt zu Kolosser 2,3.6–10
„Und was hast du geschenkt bekommen?“ Wichtige und spannende Frage nach dem Heiligen Abend. Unterm Weihnachtsbaum liegen Spielsachen, was zum Anziehen, Praktisches und Nützliches für die Werkstatt und den Haushalt. Gutscheine nehmen wenig Platz weg und jeder kann sich holen, was ihm am Wichtigsten ist. „Freude, Freude, Freude, große Freude.“
Gold, Weihrauch und Möhren bekommt das Jesuskind zum Geburtstag geschenkt. Auch wenn die Heiligen Drei Könige erst am 6. Januar auftauchen, verrate ich damit ja nichts. Es ist jedes Jahr dasselbe.
„Und was hast du geschenkt bekommen?“ Lukas hat eine ganz andere Antwort auf diese Frage. „Euch ist heute der Heiland geboren“, sagen bei ihm die Engel zu den Hirten. Und die Welt steht da und staunt. Die Welt steht da und bekommt nichts mit. Die Welt steht da und versteht es nicht.
Ich vermute, dass niemand mitgezählt hat, wie oft in der kleinen Kantate eben die Frage auftauchte: „Was liegt dort? Was liegt dort in dem Krippelein?“ Es war 15 Mal. Nicht ganz so oft, aber genauso dringend dann die zweite Frage. „Wes ist das schöne Kindelein?“ – 6 Mal. Das ist altes Deutsch, von Martin Luther so formuliert. Und zwar in einem Weihnachtslied, von dem wir meist nur den Anfang kennen: „Vom Himmel hoch, da komm ich her.“ Bis zu der Fragerei in der 7. Strophe gelangen wir selten. Umso bedeutender, dass sie Andreas Hammerschmidt in seiner Kantate zitiert und die Fragen so heraushebt. Was liegt dort? Was ist das für ein Kind? Und warum ist es das größte Geschenk, das Gott uns machen kann?
Wir können es gar nicht oft genug fragen. Und ich denke, dass wir damit im Leben nicht fertig werden, die Antworten zu entdecken, sie zu erahnen und immer neu zu begreifen. Nur ein paar Gedankenanstöße dazu, die uns der Kolosserbrief heute mit auf den Weg gibt. Wir haben sie in der Lesung kurz gehört.
In Jesus Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis.
In ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig.
Ob uns bewusst ist, dass damit dieses hilflose, neugeborene, kleine Kind gemeint ist? Ich glaube, wir trennen zu oft voneinander, was in Jesus aber untrennbar zusammengehört.
In der Krippe sehen wir ein hilfloses Kind. Es verhungert, wenn seine Mutter es nicht stillt. Aber dieses Kind ist Gott, der die Welt geschaffen hat mit allem Obst und Gemüse, mit Getreide und Feldfrüchten, mit Süßwasser und Weintrauben, damit wir reichlich und gut zu essen haben.
Im Stall hört man die Stimme dieses Kindes. Nein – Jesus hat da noch keine klugen Worte von sich gegeben. Er hat geschrien, wie alle Babys schreien, wenn sie etwas wollen. Und nicht immer wissen die Eltern sogleich, was es meint. Hunger? Blähungen? Volle Windel? Ein Infekt? Dieses noch sprachlose Kind ist der Jesus, der später mit seinen Worten alle verblüffen wird, die ihm zuhören. Schon der 12-jährige Jesus im Tempel versetzt die Schriftgelehrten mit seiner Weisheit in Erstaunen. Lukas erzählt auch davon in seinem Evangelium. Der Kraft der Bergpredigt kann sich niemand entziehen. Und Petrus fasst es mal in dem einfachen Satz zusammen: „Du hast Worte des ewigen Lebens.“
Überhaupt, der Stall. Jesus wird in einem Stall geboren. „Sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge“, schreibt Lukas. Der Jesus, der nicht mal in einem ordentlich sauberen Zimmer zur Welt kam, sondern in einem einfachen Stall, vielleicht neben Ochs und Esel, neben Ziegen und Schafen, kam aus dem herrlichen, himmlischen Thronsaal Gottes. Ihm haben die Engel schon gehuldigt, bevor er geboren wurde – diese machtvollen, herrlichen, schrecklich-schönen, furchterregenden Boten und Diener Gottes. Die müssen immer erst einmal sagen: „Fürchtet euch nicht!“ Das ist Jesu Heimat und Herkunft: eine unvorstellbare Herrlichkeit.
Was liegt dort? Was ist das für ein Kind? In der Krippe, auf Heu und auf Stroh, in Windeln gewickelt, liegt der Sohn des herrlichsten Gottes. Der Mantel seines himmlischen Vaters ist so mächtig und voll herrlicher Fülle, dass allein sein Saum den Tempel in Jerusalem ganz ausfüllt. So beschreibt es der Prophet Jesaja einmal in einer Vision.
„Und was hast du zu Weihnachten bekommen?“
Du hast mit Jesus die ganze Fülle der Gottheit bekommen. Denn so geht der Satz im Kolosserbrief ja weiter: „In ihm, in Jesus, wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig, und ihr seid erfüllt durch ihn, der das Haupt aller Mächte und Gewalten ist.“
Merken wir, ahnen wir auch nur, was das heißt? Lass dich nur für einen Moment auf das Kind in der Krippe ein und du betrittst eine Welt, in der nichts mehr unmöglich ist.
Ein Baumarkt hat einmal mit dem Slogan geworben: „Geht nicht? Gibt’s nicht!“ Wieso eigentlich überlassen wir Christen solche Sprüche denen, die im Grunde ja nichts ausrichten können? Dabei kennen wir den einzigen, dem alles möglich ist. Es wird wieder Zeit, dass wir unser Weihnachtsgeschenk auspacken. Damit wir dem „Geht nicht“ unserer Zeit dieses „Alles ist möglich dem, der da glaubt“ entgegensetzen.
Nicht, weil unser Glaube so kraftvoll wäre, sondern weil der Gott, an den wir glauben, alle Macht hat. Und durch das Kind in der Krippe, durch Jesus, unser Weihnachtsgeschenk, haben wir Teil an der ganzen Weisheit und Fülle Gottes.
Ja, da gibt es noch viele Möglichkeiten. Noch allzu oft greifen wir daneben. Aber sollten wir deswegen, weil wir es zumeist noch gar nicht begreifen, gar nicht erst damit anfangen? Der größte Fehler, den wir machen können, ist Jesus nachher hier in der Kirche in seiner Krippe zurückzulassen und so zu tun, als ob nichts gewesen wäre. Der will doch nicht in der kalten Kirche wohnen, wo wir ihn ab und an mal besuchen. Der will doch in unseren Herzen wohnen, in unserem Alltag. Gott will mitten in unserem Leben zuhause sein.
Also schnappt euch euer Weihnachtsgeschenk und lasst es nicht hier. Und dann verändert mit ihm die Welt. Ein freundliches Wort mehr als gestern, zu einem Menschen, den ihr gestern übersehen habt. Ein mutiges Gebet mehr für eine Situation, die immer noch aussichtslos erscheint. Einen Augenblick Zeit für einen einsamen Nachbarn, eine trostvolle Umarmung für eine traurige Bekannte. Und warum nicht eine Petition starten oder daran teilnehmen, die sich für Flüchtlinge stark macht, für die Seenotrettung einsetzt, gegen Diskriminierung aufsteht, Kinderarbeit und Ausbeutung brandmarkt?
Kleine Schritte und banale Tipps eines Predigers? Mitnichten. Schritte zum Üben, die nicht so groß sind. Aber sie bringen einen Teil des Geschenkes Gottes zu anderen. Und wir üben damit, größere Schritte zu machen und Gottes Fülle zu entdecken und anzuzapfen.
Im Kind in der Krippe, in Jesus Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis.
In ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig, und ihr seid erfüllt durch ihn.
Vergesst euer Geschenk nicht. Nehmt es mit. Packt es aus und gebraucht es. Und wenn jemand fragt: „Was hast du geschenkt bekommen?“, dann erzählt davon.
EUCH ist heute der Heiland geboren.