Wachet! Betet!

Pre­digt zum Got­tes­dienst am 2. Sonn­tag in der Pas­si­ons­zeit — Reminiscere

Mat­thä­us 26,26–46

Da kam Jesus mit ihnen zu einem Gar­ten, der hieß Geth­se­ma­ne, und sprach zu den Jün­gern: Setzt euch hier­her, solan­ge ich dort­hin gehe und bete. Und er nahm mit sich Petrus und die zwei Söh­ne des Zebedä­us und fing an zu trau­ern und zu zagen. Da sprach Jesus zu ihnen: Mei­ne See­le ist betrübt bis an den Tod; bleibt hier und wachet mit mir!
Und er ging ein wenig wei­ter, fiel nie­der auf sein Ange­sicht und bete­te und sprach: Mein Vater, ist’s mög­lich, so gehe die­ser Kelch an mir vor­über; doch nicht, wie ich will, son­dern wie du willst! Und er kam zu sei­nen Jün­gern und fand sie schla­fend und sprach zu Petrus: Konn­tet ihr denn nicht eine Stun­de mit mir wachen? Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfech­tung fallt! Der Geist ist wil­lig; aber das Fleisch ist schwach.
Zum zwei­ten Mal ging er wie­der hin, bete­te und sprach: Mein Vater, ist’s nicht mög­lich, dass die­ser Kelch vor­über­ge­he, ohne dass ich ihn trin­ke, so gesche­he dein Wil­le! Und er kam und fand sie aber­mals schla­fend, und ihre Augen waren vol­ler Schlaf. Und er ließ sie und ging wie­der hin und bete­te zum drit­ten Mal und rede­te aber­mals die­sel­ben Wor­te. Dann kam er zu den Jün­gern und sprach zu ihnen: Ach, wollt ihr wei­ter schla­fen und ruhen? Sie­he, die Stun­de ist da, dass der Men­schen­sohn in die Hän­de der Sün­der über­ant­wor­tet wird. Steht auf, lasst uns gehen! Sie­he, er ist da, der mich verrät.

EG 91,1 Herr, stär­ke mich, dein Lei­den zu bedenken

Herr, stär­ke mich, dein Lei­den zu bedenken,
mich in das Meer der Lie­be zu versenken,
die dich bewog, von aller Schuld des Bösen
uns zu erlösen.
(Zum Lied auf “Lie​der​da​ten​bank​.de”)

 

Wachet! Betet!

Will ich das wirk­lich? Jesu Lei­den beden­ken? Durch die Pas­si­ons- und Fas­ten­zeit gehen? Es ist doch schon genug, was drau­ßen um mich her­um geschieht. Coro­na bestimmt immer noch das Gesche­hen. Und mit dem Krieg in der Ukrai­ne bricht sogar über unser Wohl­stands­land etwas her­ein, was wir so schnell nicht wie­der los­wer­den. Die hohen Prei­se sind wohl noch das gerings­te Übel.
Regel­recht allei­ne gelas­sen war Jesus damals im Gar­ten Geth­se­ma­ne. Er ringt mit sei­nem Vater um das, was vor ihm liegt. Und die Jün­ger schla­fen. Sie hal­ten es nicht aus. Drei­mal ging das so. Jesus kämpft im Gebet und die Jün­ger haben die Augen vol­ler Schlaf. Wobei ich nicht glau­be, dass sie ein­fach so weg­ge­pennt sind. Manch­mal las­sen uns Leid und Not über­haupt nicht schla­fen. Aber manch­mal raubt uns das Unver­ständ­li­che so viel Kraft, dass wir durch­ge­hend müde sind. See­len­not zieht Ener­gie auch aus dem Kör­per ab. Die Sze­ne ist hoch­ak­tu­ell, auch wenn sie vor lan­ger Zeit spielte.

Auf der einen Sei­te steht die Not, steht die Bedro­hung vor Augen. Jesus weiß, wor­auf er zugeht. Er hat es den Jün­gern schon ange­kün­digt. Mehr­mals sogar. Er wird gefan­gen genom­men wer­den, in die Hän­de sei­ner Fein­de wird er fal­len. Sie wer­den ihn ver­ur­tei­len und ermor­den. In Jeru­sa­lem wird das geschehen.
Heu­te haben Men­schen gar nicht weit weg nicht nur die­se Bedro­hung vor Augen. Sie leben seit über zwei Wochen mit­ten­drin im Krieg. Bom­ben fal­len auf ihre Städ­te. Pan­zer rol­len durch die Stra­ßen. Täg­lich ist ihr Leben in Gefahr. Hab und Gut? Die sind schon zer­stört. Das ist die eine Sei­te. Bedrohung.

Auf der ande­ren Sei­te sind Jesus und die Jün­ger. Er betet. Und er sucht sich Hil­fe dafür. Die Jün­ger sol­len mit ihm wachen. Wach blei­ben, die Augen und Ohren offen­hal­ten, ihn unter­stüt­zen. Sie sol­len sich nicht dem Schlaf hin­ge­ben, son­dern bei ihm blei­ben. Es gelingt ihnen nicht. Wie wach kön­nen wir blei­ben bei der Not, die uns nun täg­lich in die Häu­ser getra­gen wird durch die Nachrichten?
Vie­le enga­gie­ren sich. Mit gro­ßer Kraft, mit enor­mem per­sön­li­chem Ein­satz sind sie dran, orga­ni­sie­ren Hil­fe, gehen auf die Stra­ße und demons­trie­ren gegen den Krieg. Ande­re neh­men Flücht­lin­ge auf. Sie fah­ren bis an die Gren­zen zur Ukrai­ne und holen Frau­en und Kin­der ab oder brin­gen Hilfs­gü­ter hin. Wie­der ande­re spen­den Geld an die Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen. Wir müs­sen hel­fen, so pocht es in vie­len Her­zen. Christ­li­che Gemein­den beten mit­ein­an­der. Und man­che, die es für eine Wei­le ver­ges­sen oder noch nie gekannt hat­ten, schlie­ßen sich den Gebe­ten an. Wie lan­ge wird das gehen? Wie viel Kraft haben wir dafür? Reicht sie aus? Wie wach kön­nen wir blei­ben bei so viel Not, die auch unse­ren See­len die Kraft raubt?

Was mir bei Jesus beson­ders auf­fällt: Er betet ehr­lich. Er ist nicht der Held, der ein­fach alles über­win­det. Was da auf ihn zukommt und was ihm ange­tan wird, das perlt nicht an ihm ab. Er wird schreck­li­che Schmer­zen erlei­den. Und er wird wirk­lich ster­ben. Am Kreuz. „Mein Vater, ist’s mög­lich, so gehe die­ser Kelch an mir vor­über; doch nicht, wie ich will, son­dern wie du willst.“
Jesus will nicht ster­ben. Er will nicht lei­den. Kein Mensch will lei­den. Der wirk­li­che Mensch Jesus auch nicht. Er hasst das Lei­den und die Schmer­zen genau­so wie jeder ande­re. Und er fürch­tet sie genau­so wie jeder ande­re auch. Aber über sei­nen Wil­len, über sein Seh­nen stellt er Got­tes Wil­len, den ein­zi­gen Weg, der uns die unvor­stell­bar gro­ße Lie­be Got­tes deut­lich vor Augen malt. Got­tes Lie­be kos­tet ihn sei­nen Sohn. Jesu Lie­be zu uns kos­tet ihn das Leben. Die paar Wochen Pas­si­ons­zeit rei­chen nicht aus, das zu begrei­fen. Wir kön­nen uns nur Schritt für Schritt nähern, ein Leben lang. Aber die­se Schrit­te sol­len wir gehen. „Herr, stär­ke mich, dein Lei­den zu bedenken!“

Wie viel kön­nen wir eigent­lich mit Jesus wachen? Mit ihm wachen für unse­re Welt? Mit ihm wachen für die, die Lei­den? Ich schaue noch ein­mal auf die Sze­ne im nächt­li­chen Gar­ten. Und ich ver­wun­de­re mich über die Wor­te, die Jesus zu den schlaf­trun­ke­nen Jün­gern sagt: „Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfech­tung fallt!“ Er sagt nicht: „Betet für mich. Steht mir mit euren Gebe­ten bei in mei­ner Not.“ Die Jün­ger selbst brau­chen das Gebet. Sie selbst brau­chen den Bei­stand Got­tes. Noch in sei­ner Not hat Jesus sei­ne Jün­ger im Blick und weiß, was für sie wich­tig ist.
Sie haben die Ent­wick­lung ver­schla­fen. Obwohl – oder auch weil sie wuss­ten, was pas­sie­ren kann, schla­fen sie. Ist das eine Ver­wei­ge­rung der Wirk­lich­keit gegen­über? Ist es eine Flucht her­aus aus dem Unver­meid­li­chen? Ist es schlicht Kraft­lo­sig­keit? Es macht mich nach­denk­lich. Pas­siert uns das auch? Ich glau­be, auch wir ver­schla­fen so man­che Ent­wick­lung. Oder wol­len dar­über nicht nach­den­ken. Das pas­siert viel­leicht nicht im All­tag. Viel­leicht nicht in dem, mit dem wir stän­dig befasst sind.
Aber wie ist das mit Gott? Wie ist das mit sei­nen Aus­bli­cken und Ein­bli­cken in die Zukunft? Ich bin weit ent­fernt davon, auch nur Ahnun­gen von mir zu geben. Ich habe gro­ßen Respekt vor der Offen­ba­rung oder vor so man­chen Wor­ten Jesu, die Ent­wick­lun­gen auf unse­rer Erde in den Blick neh­men, die damals noch Zukunfts­mu­sik waren. Oft blen­den wir die­se Andeu­tun­gen aus. Auch aus der Erfah­rung her­aus, dass es durch die Jahr­hun­der­te immer wie­der Unheils­pro­phe­ten gab, die den Welt­un­ter­gang sogar mit Datum vor­aus­ge­sagt haben.
Aber dar­um geht es nicht. Es geht dar­um, Got­tes Blick und sein Geheim­nis ernst zu neh­men. Wach­sam zu sein für die Ent­wick­lun­gen in unse­rer Welt, die immer auch mit der Ent­wick­lung von Got­tes Wegen ver­bun­den sind.

Sind wir wach­sam? Wachen wir über unse­re Welt? Wachen wir über Got­tes Wort, über unse­ren Glau­ben? „Wachet und betet!“ Nur im dau­ern­den Gespräch mit Gott, nur in der engen Bezie­hung zu ihm blei­ben wir an dem dran, was geschieht und bekom­men es über­haupt mit. Denn es spielt sich gewiss mehr ab, als wir direkt vor Augen haben. Und auch wenn wir die schlech­ten Nach­rich­ten leid sind und sie für eine Wei­le aus­blen­den – die Welt ist in Bewe­gung und Got­tes Wirk­lich­keit ist es auch.
So ver­ste­he ich die Mah­nung Jesu an sei­ne Jün­ger: Bleibt in engem Kon­takt mit Gott. Pflegt die Bezie­hung zu ihm so inten­siv, wie es euch mög­lich ist. Nehmt euch dafür die Zeit, nehmt euch dafür den Raum. Lasst nicht nach. Inten­si­viert den Kon­takt zu Gott. Das kann das Gebet sein. Das kann bedeu­ten, die Bibel her­vor zu neh­men und dar­in zu lesen. Das kann hei­ßen, mit ande­ren Chris­ten gemein­sam nach Gott und sei­nem Wort zu fra­gen. „Wachet und betet.“ Jesus selbst macht es uns vor – auch noch im Gar­ten Geth­se­ma­ne. Er klam­mert sich an Gott, an sei­nen Vater. Er schaut auf sei­nen Wil­len – sogar dann noch, wenn die­ser Weg ihm Unmög­li­ches abverlangt.

Der Abschnitt des Pre­digt­tex­tes heu­te endet eigent­lich mit einer Nie­der­la­ge: „Sie­he, er ist da, der mich ver­rät.“ Jesus gibt sich in die Hän­de derer, die ihn ver­ur­tei­len und töten wer­den. Aber es ist nicht das Ende. Es ist nicht die Nie­der­la­ge. Es ist ein Schritt auf dem Weg, der am Ende zum Sieg führt und das Leben hervorbringt.
Wir haben den Jün­gern gegen­über den gro­ßen Vor­teil, dass wir wis­sen, wie die Geschich­te wei­ter­geht. Manch­mal ist es zwar ein Nach­teil, das alles zu wis­sen. Weil wir so die Not Jesu viel­leicht nicht ernst genug neh­men. Wir schwit­zen nicht mit ihm Blut und Was­ser, weil wir die Angst schon auf­ge­löst sehen im Oster­licht. Aber für unse­ren Glau­ben ist es ein Vor­teil. Wir wis­sen: Gott bringt die Geschich­te an sein Ziel. Ostern kommt. Der Tod ist besiegt. Und genau­so wird Jesus wie­der­kom­men, wie er es ver­spro­chen hat.
Weil wir das aber noch nicht erle­ben, brau­chen wir das Gebet. Damit wir wach­sam blei­ben und nichts ver­schla­fen. Heu­te ist das sehr kon­kret. Denn unse­re Wach­sam­keit ist auch für unse­re Welt wich­tig. Unser Gebet ist tat­säch­lich für die Welt wich­tig. Nicht so sehr, weil wir Gott sagen müss­ten, was los ist. Aber weil wir damit über die­ser Welt pro­kla­mie­ren, dass Gott der Herr ist und bleibt. Wir sagen das im Gebet und rufen es uns so gegen­sei­tig zu. Wir sagen es im Gebet und rufen es so auch in die unsicht­ba­re Welt hinein.

Was mich trös­tet in die­ser Erzäh­lung: Jesus redet kla­re Wor­te zu den Jün­gern. Und er lässt sie nicht allein. Er ver­ach­tet sie nicht, weil sie unter ihrer eige­nen Last zusam­men­ge­bro­chen sind und müde wur­den. Er geht sei­nen Weg und er nimmt sie auch wei­ter mit. Und er ver­traut ihnen sei­nen Weg in die­ser Welt an – obwohl sie schla­fen. Obwohl sie ihn ver­ra­ten. Obwohl dar­un­ter vor allem schwa­che, zwei­feln­de, eigen­sin­ni­ge Men­schen sind. Obwohl wir dazu­ge­hö­ren mit unse­rem Eigen­sinn, unse­rer Schuld, unse­ren eige­nen Plä­nen. Das trös­tet mich über die­sen Gar­ten hin­aus, über die­se Nacht vol­ler Müdig­keit hinaus.
Wachet und betet! So sagt es Jesus zu uns, obwohl er weiß, dass wir lie­ber ande­res zu tun hät­ten. Denn wir kön­nen es trotz­dem. Wir kön­nen an sei­ner Stel­le für die­se Welt beten. Wir kön­nen sein Reich bezeu­gen, sei­ne Herr­schaft pro­kla­mie­ren. Das ist unser Auf­trag. Am bes­ten kön­nen wir ihn erfül­len, wenn wir auf Jesus schau­en. Jetzt in der Pas­si­ons­zeit auf sein Lei­den. An Ostern auf sei­nen Sieg über den Tod. An Pfings­ten auf die Macht und Gegen­wart sei­nes Hei­li­gen Geis­tes. Und immer wie­der dar­auf, dass wir Kin­der Got­tes sind, Königs­kin­der, die schon Teil sei­ner Herr­lich­keit sind.

Wachet. Betet. Glaubt. Ver­traut. Seid da für die­se Welt im Auf­trag Got­tes. Heu­te. Amen.

 

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