Welches Label trägst du mit dir herum? Wofür steht dein Name? Ein paar Gedanken zum Taufsonntag. Den Anwendungshinweis für Gottes Markenlabel gibt der Evangelist Matthäus:
Matthäus 28,16–20
Aber die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte. Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten.
Und Jesus trat herzu, redete mit ihnen und sprach: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.
Predigt zu Jesaja 43,1–7
„Dafür stehe ich mit meinem Namen“, sagte Claus H., Babynahrungshersteller alter Schule, schon vor vielen Jahren in die Kamera. Perfekter Dreh, perfekte Farben, Sommerlicht, aber nicht zu heiß, glückliches Baby, glückliche Eltern, vertrauenserweckender Claus. Da spricht der Chef noch selbst und garantiert die Qualität seiner Produkte. Einzige Garantie: Sein Name. So funktioniert Werbung – manchmal.
„Dafür stehe ich mit meinem Namen.“ Ist es doch so, dass viele Menschen lieber Markenkleidung tragen als No-Name-Produkte. Levi’s oder Wrangler, Adidas oder Puma, Prada, Gucci und wie sie alle heißen.
Namen stehen für einen gewissen Status, zum Beispiel auch bei Autos. An einen wichtigen Tipp bei Bewerbungen erinnere ich mich noch gut: Wenn Sie sich bei einer großen Firma bewerben wollen und ein kleines, womöglich buntes Auto fahren, parken Sie besser um die Ecke.
Kurios auch, dass manche Firmennamen generell für ein Produkt verwendet werden. Ich weiß nicht, wie viele Papiertaschentücherhersteller es gibt, aber wenn die Nase läuft, sage ich: „Hast du mal ein Tempo für mich?“ Uhu ist ein anderes Wort für Klebstoff und Tesafilm steht für Klebeband. Welche Marke ich dann wirklich kaufe, spielt gar keine Rolle.
„Dafür stehe ich mit meinem Namen.“ Wofür steht eigentlich mein Name? Und unter welchem Label bin ich unterwegs?
In einem meiner Lieblingsfilme fällt der Satz: „Wir sind im Auftrag des Herrn unterwegs.“ Schwarze Anzüge, schwarze Hüte, schwarze Sonnenbrillen – die Blues Brothers sind unterwegs und Ellwood Blues, Teil des berühmten Duos, sagt ihn.
„Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“, so sagt Jesus seinen Jüngern. Bis heute lesen wir diese Worte und nennen sie den Taufbefehl oder das Taufevangelium. Und genauso taufen wir auch – egal ob Kinder oder Jugendliche oder Erwachsene.
Bin ich Christ, dann trage ich dieses Label, dieses Markenzeichen. Und bleibe doch zugleich ich selbst. Ich verschwinde nicht unter diesem Label. Im Gegenteil: Gott kennt uns mit Namen. Er kennt unsere Persönlichkeit. Und er schätzt jeden einzelnen von uns. Er adelt unsere Namen und unsere Persönlichkeit.
Zu den Bibeltexten für den Taufsonntag gehört eine Zusage Gottes, die der Prophet Jesaja weitergegeben hat:
Und nun spricht der Herr, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel:
Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!
Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, und wenn du durch Ströme gehst, sollen sie dich nicht ersäufen. Wenn du ins Feuer gehst, wirst du nicht brennen, und die Flamme wird dich nicht versengen.
Denn ich bin der Herr, dein Gott, der Heilige Israels, dein Heiland. Ich gebe Ägypten für dich als Lösegeld, Kusch und Seba an deiner statt.
Weil du teuer bist in meinen Augen und herrlich und weil ich dich lieb habe, gebe ich Menschen an deiner statt und Völker für dein Leben.
So fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir. Ich will vom Osten deine Kinder bringen und dich vom Westen her sammeln, ich will sagen zum Norden: Gib her!, und zum Süden: Halte nicht zurück! Bring her meine Söhne von ferne und meine Töchter vom Ende der Erde, alle, die mit meinem Namen genannt sind, die ich zu meiner Ehre geschaffen und zubereitet und gemacht habe.
Der erste Vers aus Jesaja 43 ist einer der beliebtesten Bibelsprüche. Und oft erscheint er im Zusammenhang von Taufen oder Konfirmationen, aber auch bei Trauerfeiern. Wir vergewissern uns: Gott kennt mich. Gott kennt unser Baby, das wir heute taufen lassen. Gott kennt die Jugendlichen, die gerade im Teenageralter den Eltern ganz fremd vorkommen können. Und Gott kennt den Menschen, den wir loslassen müssen.
Etwas davon haben wir Menschen geerbt. Sobald wir den Namen eines Menschen kennen – und am besten Namen und Gesicht miteinander verbinden können – ist dieser Mensch uns nicht mehr ganz fremd. Es fängt damit an, dass wir auf der Straße nicht achtlos aneinander vorbeigehen können. Wenn ich jemanden kenne, dann grüße ich – mit einem Kopfnicken oder Lachen, manchmal mit einem Ruf quer über die Straße. Und hin und wieder auch mit Handschlag sogar, wenn für ein Gespräch keine Zeit ist.
Nach gut einem Jahr kenne ich nun ein paar Menschen in Wittenberg – tatsächlich mit Namen und Gesicht dazu. Aber die sind nur ein Bruchteil von den 45.000 Einwohnern, die diese Stadt hat. Die meisten von ihnen kenne ich nicht, nicht einmal vom Sehen. Ich kenne auch nicht alle 3.000 Gemeindeglieder der Stadtkirchengemeinde. Wenn’s 300 sind, sind es wohl schon viel.
In den letzten Wochen hat mich das sehr nachdenklich gemacht. Ich war fast jeden Tag auf den Kirchtürmen der Stadtkirche. Mein Ziel: eine andere Perspektive einnehmen, für die Menschen in der Stadt beten, sie segnen. Und nach ein paar Tagen ging mir auch Jesajas Zusage durch den Kopf: „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen.“
Das lässt mich nicht mehr los. Gott kennt jeden hier. Ich muss nicht mal an die Milliarden denken, die die Erde bevölkern. Allein schon, wenn ich hier in Wittenberg Menschen ansehe, erinnere ich mich manchmal an diese Zusage Gottes.
Nicht immer. Mir geht auch anderes im Kopf rum oder ich sehe niemanden, weil ich in Gedanken bin. Und manchmal sehe ich auch nur, was vor Augen ist: Schüler unterwegs, Verkäuferinnen, einen Kollegen, die Leute der Stadtreinigung, Touristen. Mehr nicht.
Aber ist das nicht eine irre Vorstellung? Egal, wer da läuft oder steht oder sitzt oder fährt: Gott kennt diesen Menschen, den ich auch gerade sehe. Und er weiß mehr von ihr oder ihm. Er weiß, was diesen Menschen gerade beschäftigt und es berührt Gott im Innersten. „Du bist mein.“
Mir tut es schon in der Seele weh, wenn ich ein fremdes Kind weinen sehe, viellecht weil es sich verletzt hat. Aber bei meinen eigenen Kindern – sogar jetzt, wo sie groß und selbständig sind – tut es mir mehr weh, wenn sie traurig sind. Weil es meine Kinder sind.
„Du bist mein.“ Das sagt Gott zu dir, zu mir, zu jedem von uns.
Wenn dir gerade das Wasser bis zum Hals steht, soll es dich nicht ersäufen. Wenn die Arbeit wie Wasserfluten über dir zusammenschlagen, wenn alle etwas von dir wollen, so dass dich die vielen Anfragen auf Aufgaben geradezu wegspülen wollen, sagt Gott: Ich bin da. Ich bin der Fels in der Brandung, der feste Boden unter deinen Füßen. Und wenn du die Bodenhaftung verlierst, halte ich dich mit meiner Hand fest, gerade dann. Ich habe dich erlöst und rette dich immer noch.
Wenn du ins Feuer gehst, wenn du geradezu durch die Hölle gehst, geh ich mit, sagt Gott. Der Prophet Daniel hat so eine Geschichte einmal drastisch erlebt und beschrieben (Daniel 3). Seine drei Freunde Schadrach, Meschach und Abed-Nego weigerten sich, ein Standbild des Königs Nebukadnezar anzubeten – immerhin der König des Weltreiches der Babylonier. Der und seine großen Fürsten waren nicht zimperlich. Wer dem König diese Ehre verweigerte, wurde in den Feuerofen geworfen, so auch diese drei.
Aber dann wunderte sich der König: „Da sind ja auf einmal vier Männer im Feuer. Und die laufen umher, als wäre nichts? Wie kann das sein? Kommt raus, Schadrach, Meschach und Abed-Nego.“ Sie kamen raus – und sie rochen nicht einmal nach Rauch.
Gott ist da. Und manchmal ist es so spektakulär wie in den wunderbaren, unerklärlichen Geschichten der Bibel.
Heute zweifeln wir manchmal daran, dass Gott so hilft oder dass er überhaupt da ist. Er scheint taub geworden zu sein. Nicht jeden rettet er so spektakulär, eher sind es wenige. Oft geschieht äußerlich gar nichts und das Böse tobt vor sich hin. Wassermassen und Feuerströme. Sie gibt es, mehr als genug. Das leugnet Jesaja nicht. „Wenn du da durchgehst, will ich dich nicht verlassen.“ Das verspricht Gott.
Sein Grund: Weil wir ihm teuer sind und herrlich und er uns lieb hat. So sagt es Gott bei Jesaja. Weil wir seinen Namen tragen, weil wir zu seiner Familie gehören, hält er uns fest. Das ist die Zusage, wenn wir einen Menschen taufen. Das ist Gottes Zusage an jeden, der sich auf ihn wirft, der an ihn glaubt.
Wie ernst es Gott meint mit uns, wird an den Bildern deutlich, die Jesajas nutzt: „Ich gebe Ägypten als Lösegeld für dich, Kusch und Seba.“ Das waren die Länder, aus denen Gold und Silber und viele weitere Kostbarkeiten herkamen; Länder, deren Reichtum die Schätze Israels bei weitem überstiegen.
Alles das ist nicht so kostbar für Gott, wie sein Volk. Die anderen lässt er mit ihrem Reichtum alle sausen, wenn es um sein Volk geht.
Und wir heute? Wir sind keine Israeliten. Aber wir tragen den Namen von Gottes Sohn, von Jesus Christus. Wir tragen durch Jesus den Namen Gottes: getauft auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Und Gott gibt seinen Sohn für uns. Seine Zusagen gelten uns immer noch, gelten uns auch. Was für ein Schatz. Was für ein Gott. Was für ein Vater.
Daran erinnert uns der Sonntag mit seinen Bibelworten. Daran erinnern wir uns gleich in der Tauferinnerung in einem kleinen Symbol.
Aber wir erinnern uns nicht nur. Wir sollen es auch weitergeben. „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen.“ Das gilt den 45.000 Wittenbergerinnen und Wittenbergern. Das gilt den Tausenden von Touristen, die die Stadt besuchen. Das gilt denen, die hier Schutz, die hier Asyl suchen – Ukrainer und Syrer und Türken und vielen anderen. Das gilt dem Menschen, der Supermarkt vor dir an der Kasse steht. Das gilt den Kindern, die in den Bachläufen spielen. Das gilt den Menschen, die morgens um fünf die Stadt säubern und auch denen, die um Mitternacht ihren Müll auf den Grünflächen entsorgen.
Mich macht’s nachdenklich. Unter welchem Markennamen bin ich unterwegs? Wofür stehe ich mit meinem Namen – mit meinem Markennamen Christ?
Und mich tröstet und ermutigt es. Gott kennt mich, durch und durch. Und ich bin kostbar für ihn.