Kir­che begeistert

Gedan­ken über die Anfän­ge der Kir­che, und war­um es heu­te auch noch so sein könnte.
Got­tes­dienst am 7. Sonn­tag nach Tri­ni­ta­tis. Vor den Pre­digt­ge­dan­ken wur­de das Lied “Kommt her, ihr seid gela­den” (Evan­ge­li­sches Gesang­buch Nr. 213) gesun­gen.

Kommt her, ihr seid geladen,
der Hei­land rufet euch;
der süße Herr der Gnaden,
an Huld und Lie­be reich,
der Erd und Him­mel lenkt,
will Gast­mahl mit euch halten
und wun­der­bar gestalten,
was er in Lie­be schenkt.

„Kommt her, ihr seid gela­den.“ Aber kommt nicht alle auf ein­mal. Und benehmt euch. Bringt was mit. Wer spricht eigent­lich das Tisch­ge­bet? Und was will der denn hier? Schon wie­der Abend­mahl? Manch­mal fra­ge ich mich schon, wie idea­li­siert die Gemein­de­bil­der sind, die uns in Lie­dern und auch in Bibel­tex­ten ent­ge­gen­kom­men. Und wie wir auf sie reagie­ren wür­den, wenn wir denn mal offen und frei her­aus reagie­ren dürf­ten. Viel­leicht passt es ja zusam­men. Viel­leicht aber wäre es gut, wenn wir ab und an unse­re eige­nen Vor­stel­lun­gen und Wün­sche an die Gemein­de über­prü­fen würden.
Gibt es so etwas wie tra­gen­de Säu­len der christ­li­chen Kir­che? Der Islam kennt fünf sol­cher Säu­len: das Glau­bens­be­kennt­nis, das täg­li­che, fünf­fa­che Gebet, Almo­sen, das Fas­ten und die Pil­ger­fahrt nach Mek­ka. Ich ver­mu­te, wenn ich jetzt eine Umfra­ge star­ten wür­de, kämen wohl aller­hand christ­li­che oder kirch­li­che Säu­len zusam­men. Bei man­chen wären wir uns sehr einig, bei ande­ren gäbe es wohl auch Unter­schie­de, ob das nun ein tra­gen­des Ele­ment ist oder eher nütz­li­ches, aber nicht not­wen­di­ges Beiwerk.
In der Apos­tel­ge­schich­te wer­den uns eini­ge grund­le­gen­de Ele­men­te für die christ­li­che Gemein­de genannt. Gute Gewohn­hei­ten, gute Tra­di­tio­nen, die dem ein­zel­nen und der Gemein­de im Gan­zen hel­fen. Hören wir ein­mal hin – Apos­tel­ge­schich­te 2 (V. 42–47) am Ende (Neue Gen­fer Übersetzung):

Was das Leben der Chris­ten präg­te, waren die Leh­re, in der die Apos­tel sie unter­wie­sen, ihr Zusam­men­halt in gegen­sei­ti­ger Lie­be und Hilfs­be­reit­schaft, das Mahl des Herrn und das Gebet. Jeder­mann ´in Jeru­sa­lem‘ war von einer tie­fen Ehr­furcht vor Gott ergrif­fen, und durch die Apos­tel gescha­hen zahl­rei­che Wun­der und vie­le außer­ge­wöhn­li­che Din­ge. Alle, die ´an Jesus‘ glaub­ten, hiel­ten fest zusam­men und teil­ten alles mit­ein­an­der, was sie besa­ßen. Sie ver­kauf­ten sogar Grund­stü­cke und sons­ti­gen Besitz und ver­teil­ten den Erlös ent­spre­chend den jewei­li­gen Bedürf­nis­sen an alle, die in Not waren. Ein­mü­tig und mit gro­ßer Treue kamen sie Tag für Tag im Tem­pel zusam­men. Außer­dem tra­fen sie sich täg­lich in ihren Häu­sern, um mit­ein­an­der zu essen und das Mahl des Herrn zu fei­ern, und ihre Zusam­men­künf­te waren von über­schwäng­li­cher Freu­de und auf­rich­ti­ger Herz­lich­keit geprägt. Sie prie­sen Gott ´bei allem, was sie taten,‘ und stan­den beim gan­zen Volk in hohem Anse­hen. Und jeden Tag ret­te­te der Herr wei­te­re Men­schen, sodass die Gemein­de immer grö­ßer wurde.

Vier Ele­men­te der christ­li­chen Gemein­de tau­chen hier auf: Leh­re, Zusam­men­halt oder Gemein­schaft, Abend­mahl und Gebet. Nichts Außer­ge­wöhn­li­ches, oder? Das macht doch bis heu­te das Gemein­de­le­ben aus.
„Die Leh­re, in der die Apos­tel sie unter­wie­sen“, präg­te das Leben der Chris­ten. Ganz am Anfang brau­chen die Men­schen erst ein­mal die Unter­wei­sung, schlicht die Infor­ma­ti­on dar­über, was den christ­li­chen Glau­ben aus­macht. Eben noch hat­te Petrus in Jeru­sa­lem gepre­digt (Apos­tel­ge­schich­te 2,1ff.), und schon wand­ten sich 3.000 Men­schen dem Glau­ben an Jesus zu. Petrus konn­te aber in sei­ner Pfingst­pre­digt wohl kaum ein gan­zes Evan­ge­li­um gepre­digt haben, und sei es nur das Mar­kus­evan­ge­li­um gewe­sen. Davon abge­se­hen, dass es die­se Bücher noch gar nicht gab.
Wer ist Jesus? Was hat er getan? Wie kann ich das anneh­men? Wie ver­än­dert das mein Leben? Darf ich dies, soll ich jenes? Was ist das mit der Kreu­zi­gung und wie geht das mit der Auf­er­ste­hung? Fra­gen über Fra­gen. Und die Apos­tel wer­den nicht müde, zu erzäh­len und zu erklä­ren. Es ist gut, dass sie mit Jesus selbst unter­wegs gewe­sen waren und nun ande­re mit auf die­se Wan­der­schaft neh­men können.

Das ist bis heu­te wich­tig. Wir ver­kün­di­gen, was wir selbst ent­deckt und gelernt und geglaubt haben. Wir erzäh­len, was wir zuvor gehört und gele­sen haben. Got­tes Geschich­te in unse­ren Geschich­ten, die Brie­fe der Apos­tel wer­den von uns als heu­ti­ge Emp­fän­ger gele­sen. Und das geschieht in der Gemein­schaft mit­ein­an­der. Zu ihr gehört aber noch mehr. „Zusam­men­halt in gegen­sei­ti­ger Lie­be und Hilfs­be­reit­schaft“ – so beschreibt es die die NGÜ. In Jeru­sa­lem zeig­te sich das dar­in, dass Men­schen mit­ein­an­der geteilt haben, was sie besa­ßen. Man­che haben ihr Eigen­tum ver­kauft, um mit­ein­an­der zu tei­len. Für­sor­ge für­ein­an­der war ein Mar­ken­zei­chen der ers­ten Gemeinschaften.

Ja – und schon früh zeig­te sich, dass es nicht auto­ma­tisch funk­tio­niert. Auf lan­ge Sicht wer­den auch Chris­ten wirt­schaf­ten, Han­del trei­ben, Hand­wer­ke aus­üben, das Leben so wie ande­re gestal­ten, um für ihren Unter­halt zu sor­gen. Vom Erspar­ten zu leben, geht nicht lan­ge gut.
Und auch mit der Lie­be und Für­sor­ge klapp­te es nicht auto­ma­tisch. Nur ein paar Kapi­tel spä­ter (Apos­tel­ge­schich­te 6,1–7) gibt es Ärger, weil man­che nicht bedacht wur­den bei der Ver­tei­lung der Güter. Nächs­ten­lie­be braucht manch­mal Orga­ni­sa­ti­on. Und eine gute Orga­ni­sa­ti­on muss von der Lie­be geprägt sein. Dar­an haben wir bis heu­te zu üben und zu ler­nen – in bei­de Rich­tun­gen: Uns von der Lie­be bestim­men zu las­sen – und sei es bei der Auf­stel­lung des Jah­res­haus­hal­tes oder der Pla­nung einer Bau­maß­nah­me. Die Kir­che gut zu ver­wal­ten ist zual­ler­erst eine Lie­bes­auf­ga­be. Das geht viel zu oft unter. Aber auch über­schwäng­li­che Lie­be und eif­ri­ger Ein­satz für ande­re braucht umge­kehrt manch­mal eine gute Struk­tur. Sonst ver­pufft man­ches oder man­che gehen vergessen.

Was die Gemein­den noch präg­te, war das Brot­bre­chen, das Mahl des Herrn – also die Abend­mahls­fei­er. Die stän­di­ge Erin­ne­rung an Jesu Gabe hielt die Chris­ten zusam­men und rück­te immer wie­der Jesus selbst in die Mit­te der Gemein­de. Dazu gehört das Gebet, also das stän­di­ge Gespräch mit Gott.

Nichts Neu­es, oder doch? Mir sind ein paar klei­ne Wör­ter auf­ge­fal­len, die sich hin­ter den gro­ßen Säu­len ein biss­chen ver­ste­cken. Sogar die Gen­fer Über­set­zung hat eins ganz ver­schluckt. Luther hat’s. Er beginnt den Abschnitt: „Sie blie­ben aber bestän­dig.“ Die Chris­ten blie­ben dran. Sogar so sehr, dass es heißt: Sie waren täg­lich im Tem­pel zusam­men, um Gott zu loben, und sie tra­fen sich täg­lich, um mit­ein­an­der zu essen und Abend­mahl zu fei­ern. Täg­lich! Unvor­stell­bar. Kom­mu­ni­tä­ten leben das noch. Im Klos­ter gelingt das. Aber im All­tag? Wir müs­sen arbei­ten. Wir sor­gen uns um Haus und Hof. Urlaub ist manch­mal dran. Da ist wöchent­lich schon eine Herausforderung.

Waren die ers­ten Chris­ten welt­fremd? Ich den­ke, zum einen war es ein­fach der Schwung des Anfangs. Die Begeis­te­rung von Jesus, für Jesus war so groß, dass sie die Men­schen mit­ge­ris­sen hat. Vie­le erwar­te­ten ihn auch bald zurück, da spiel­te alles welt­lich wich­ti­ge Getue kaum eine Rolle.

Bei uns ist es heu­te viel­leicht umge­kehrt. Jesus kam 2.000 Jah­re nicht – war­um soll­te er heu­te kom­men? Also müs­sen wir uns ein­rich­ten, arbei­ten, Zeit ein­tei­len – auch die Zeit für Gott und unse­ren Gottesdienst.
Man kann auf zwei Sei­ten vom Pferd fal­len. Bestän­dig­keit – kön­nen wir die nicht auch heu­te in unse­rer Kul­tur leben? Zumin­dest könn­ten wir dar­über von Zeit zu Zeit nach­den­ken. Wie pfle­gen wir die Gemein­schaft, die mehr ist als in einer gemein­sa­men Lis­te von Namen und Adres­sen ver­sam­melt zu sein? Wie pfle­gen wir Gemein­schaft, die mehr ist als ein Got­tes­dienst­be­such? Kön­nen wir unse­re Ver­bin­dung mit Gott und mit den Geschwis­tern in der Gemein­de bewuss­ter gestalten?

Es geht nicht um Stun­den­zah­len, um aus­rei­chend Besu­che bei Gemein­de­ver­an­stal­tun­gen. Es geht um unser Herz und dar­in um unse­re Lie­be – um die ers­te und ein­zi­ge Lie­be, um Gott. Es geht um unse­re Begeis­te­rung für Jesus. Von ihr wer­den wir geprägt. Beständigkeit.

Zwei ande­re Begrif­fe, die mir auch auf­ge­fal­len sind: „ihre Zusam­men­künf­te waren von über­schwäng­li­cher Freu­de und auf­rich­ti­ger Herz­lich­keit geprägt.“ Und die­se Herz­lich­keit und Freu­de waren zu sehen. „Sie prie­sen Gott bei allem, was sie taten und stan­den beim gan­zen Volk in hohem Anse­hen.“ Die Gemein­de war anzie­hend, so dass jeden Tag noch Men­schen dazu­ka­men, erzählt die Apostelgeschichte.
Heu­te sagen Men­schen: Kir­che? Da ist mir zu viel Geschäft, zu viel Ver­wal­tung, auch zu viel Zank. Man muss nicht mal zu den schlimms­ten Vor­wür­fen kom­men – die machen eh alles platt. Die Kir­che hat nicht mehr den Stel­len­wert, hat nicht mehr die Anzie­hungs­kraft. Ob uns die Begeis­te­rung fehlt? Die­ses Feu­er, das in den Her­zen der ers­ten Chris­ten brannte?

Wenn ich die­se Erzäh­lung vom Anfang lese, wer­den zwei Stim­men laut. Die eine sagt: Ja, damals. Da war das viel unmit­tel­ba­rer. Das ist heu­te nicht mehr. Und über­haupt: Es lässt sich ein­fach nicht ver­glei­chen, die Lebens­um­stän­de damals mit denen von heu­te. Damals halt.
Die ande­re sagt: Streck dich aus nach die­ser Begeis­te­rung vom Anfang. Seh­ne dich danach. Und lass dich von der Sehn­sucht nicht mehr abbrin­gen. Wisch die­se Fas­zi­na­ti­on nicht zur Sei­te mit so vie­len schlau­en Argu­men­ten. Wenn du mit Gott, mit dem Schöp­fer, mit sei­nem Sohn, der von den Toten wirk­lich auf­er­stan­den ist, und mit sei­nem Geist, der alles, wirk­lich alles mög­lich macht, zu tun haben kannst, dann mach das doch. Dann nut­ze das doch. Dann stre­cke dich doch danach aus.

War es nur naiv, wie die ers­ten Chris­ten mit­ein­an­der leb­ten und für einen Moment auch alle Ver­nunft über Bord war­fen? Oder steck­te da nicht eine gro­ße Frei­heit drin, end­lich ganz Gott zu vertrauen?
Ich wünsch mir die­se Frei­heit, Gott zu ver­trau­en und alles von ihm zu erwar­ten – alles in mei­nem All­tag und dar­über hin­aus. Und ich wünsch mir selbst die­se Bestän­dig­keit, die­se Prä­gung, die mich nichts mehr anders sein lässt als ein Kind Got­tes, dem der gan­ze Him­mel und die gan­ze Erde zur Ver­fü­gung stehen.
Lasst uns so Got­tes­diens­te fei­ern und Gott ken­nen­ler­nen, Abend­mahl fei­ern und mit­ein­an­der Gemein­schaft haben, dass das anzie­hend wirkt in unse­re Stadt hin­ein. Und erwar­ten wir von Gott, dass er Men­schen bewegt, ihnen die Augen öff­net für sein Wir­ken, sei­ne Gegen­wart in der Welt.

TEILEN :

Facebook
WhatsApp
Twitter
Email

Mehr Beiträge

Generic selectors
Exact matches only
Search in title
Search in content
Post Type Selectors
Filter by Categories
Advent
Allgemein
Altmark
Augenblicke
Bamberg
Bautzen
Bei anderen gelesen
Berlin
Bibel
Blumen
Bremen
Bremerhaven
Celebrate
Dies und Das
Dies und Das
Dresden
Drübeck im Harz
Eisenach
Erfurt
Events
Familie
Festliches
Fotobeiträge
Frankenberg
Frankfurt a.M.
Frühling
Gesehen
Görlitz
Hamburg
Harz
Herbst
Herrnhut
Karabambini
Karambolage
Kirchenkreis NMB-ZZ
Kirchens
Köln
Konstanz
Kulinarisch Gastlich
Kunst und Kultur
Leipzig
Licht
Lübeck
Luther
Mainz
Marburg
Müritz
Musik
MUTH
Nacht
Natur
Naumburg
Orgel
Ostsee
Ostseestrand
Passion
Potsdam
Prag
Predigt
Region NöZZ Zeitz
Regionalkonvent
Rostock
Rund um Zuhause
Schule
Schweden
Seiffen
Sommer
Stadtansichten
Stralsund
Stuttgart
Technik
Textbeiträge
Tierisch
Tour d'Est
Tübingen
Unterwegs
Urlaub
Vogelsberg
Warnemünde
Was Pfarrer so reden
Wasser
Weihnacht
Weimar
Winter
Wismar
Wittenberg
Wolfenbüttel
Worms
Zeitz
Zoo