Tri­umph­zug

Eine Pre­digt zum 1. Sonn­tag nach Ostern

Gesun­gen wur­de das Lied “Er ist erstan­den. Hal­le­lu­ja” (Evan­ge­li­sches Gesang­buch Nr. 116). Dort heißt es in der ers­ten Stro­phe: “Denn unser Hei­land hat tri­um­phiert, all’ sei­ne Feind’ gefan­gen er führt.”

 

Gedan­ken zu Kolos­ser 2,12–15

Die Stra­ßen sind gesäumt von unzäh­li­gen Men­schen. Links und rechts ste­hen sie am Weg, dicht gedrängt. Coro­na gibt es in die­sem Bild nicht. Ganz auf­ge­regt war­ten sie. Hier wird getu­schelt, dort erzählt einer ein paar Insi­der­ge­schich­ten. Die um ihn her­um stau­nen, lachen, grin­sen in sich hin­ein. „Oh“ und „Ah“ hört man. Einer Grup­pe Musi­ker dau­ert es zu lan­ge, sie spie­len schon ein­mal auf und die bei ihnen sind, tan­zen auf der Stel­le, klat­schen und sin­gen die bekann­ten Zei­len mit. Auf ein­mal geht es wie eine Wel­le durch die Men­ge. Noch ist der Jubel ein paar hun­dert Meter ent­fernt, aber die Laut­stär­ke nimmt zu. Der fest­li­che Umzug nähert sich. Wer sein Fähn­chen in den Hosen­bund gesteckt hat­te, um die Hän­de frei zu haben, schnappt es sich. Sie erin­nern sich an die Hoch­zeits­fei­er­lich­kei­ten von Wil­liam und Kate oder von Har­ry und Meg­han? Dann kön­nen Sie sich das ein biss­chen vorstellen.
Aller­dings geht es hier etwas mar­tia­li­scher zu. Vor­ne­weg gehen Sena­to­ren, Hör­ner wer­den gebla­sen. Bil­der einer Schlacht wer­den gezeigt. Kriegs­ge­fan­ge­ne in Ket­ten und ruhm­rei­che Sol­da­ten in glän­zen­den Rüs­tun­gen fül­len die Stra­ße. Die rei­che Beu­te wird prä­sen­tiert – Kame­le und Pfer­de, Gold, Sil­ber und viel Schmuck, ein gezähm­ter Löwe und was nicht alles. Dann kommt er end­lich, der sieg­rei­che Feld­herr. Er fährt auf einem Wagen, der von vier Pfer­den gezo­gen wird, einer Qua­dri­ga. Den Kopf schmückt ein Lor­beer­kranz und auch sonst trägt er Zei­chen des Sie­gers. Zum Schluss folgt das gan­ze Heer, jubeln und grö­lend, bewun­dert und gefei­ert. Tri­umph­zug in Rom.

„Denn unser Hei­land hat tri­um­phiert, all sei­ne Feind gefan­gen geführt.“

Hin­ter den Wor­ten des Oster­lieds steht viel­leicht die­ses Bild vom Tri­umph­zug eines römi­schen Feld­herrn. Und der Apos­tel Pau­lus hat­te wohl auch solch ein Bild vor Augen, als er vom Tri­umph Jesu über den Tod und alle Mäch­te und Gewal­ten geschrie­ben hat. Hören wir ein­mal dar­auf, was er den Chris­ten in Kolossä geschrie­ben hat (Kolos­ser 2,12–15. Der Link führt zu Luther 2017)):

12In der Tau­fe wur­det ihr mit ihm begra­ben. Mit ihm wur­det ihr auch auf­er­weckt. Denn ihr habt an die Kraft Got­tes geglaubt, der Chris­tus von den Toten auf­er­weckt hat. 13Ja, ihr wart tot auf­grund eurer Ver­feh­lun­gen. Und eure auf das Mensch­li­che aus­ge­rich­te­te Natur hat­te die neue Beschnei­dung noch nicht emp­fan­gen. Aber Gott hat euch zusam­men mit Chris­tus leben­dig gemacht, indem er uns alle Ver­feh­lun­gen ver­ge­ben hat. 14Er hat den Schuld­schein getilgt, der uns belas­te­te –ein­schließ­lich sei­ner Vor­schrif­ten, die gegen uns stan­den. Er hat ihn ans Kreuz ange­na­gelt und damit besei­tigt. 15Er hat die Mäch­te und Gewal­ten ent­waff­net und sie öffent­lich zur Schau gestellt. Er führt sie im Tri­umph­zug mit, der für Chris­tus abge­hal­ten wird.
(Basis-Bibel)

Ostern vor einer Woche. Fest­lich ging es bei uns zu. Wir sind auch sin­gend durch die Stadt gezo­gen – naja: vom Kirch­platz bis in die Kir­che hin­ein. Aber immer­hin mit Gesang und dem Licht der Oster­ker­ze vor­ne weg. Und ver­schla­fen konn­te das kei­ner, denn dann läu­te­ten die Glo­cken mit­ten in der Nacht. Und jeden Sonn­tag erin­nern wir an die Auf­er­ste­hung. Sonn­tags des­we­gen, weil die Chris­ten gleich am Anfang ihren Fei­er­tag, ihren Lob­preis­tag auf den Sonn­tag leg­ten – auf den Wochen­tag, an dem Jesus von den Toten auf­er­stan­den ist. Wir läu­ten jeden Sonn­tag zu einem klei­nen Tri­umph­zug gegen den Tod.

Ich glau­be, das ist uns so oft gar nicht im Sinn. All­zu häu­fig kann man nicht mit allen ver­füg­ba­ren Kräf­ten zusam­men­kom­men und mit gro­ßem Auf­wand Got­tes­diens­te fei­ern. Es darf dann ruhig etwas klei­ner sein. Wenn wir es nur nicht aus dem Blick ver­lie­ren oder sogar ver­ges­sen. Das ist aber gera­de die Her­aus­for­de­rung. Kein Wun­der. Es gibt wenig Tri­um­pha­les zu berichten.
Coro­na ist nicht besiegt. Ist die Fra­ge, ob das über­haupt geht oder ob wir nicht ein Leben lang auf der Hut sein müs­sen. Viel­leicht geht’s etwas bes­ser, aber aus­rot­ten lässt es sich wohl nicht.
Der Krieg um die Ukrai­ne? Es wird kei­ne Sie­ger geben, auch wenn sich der eine oder ande­re viel­leicht ein­mal so prä­sen­tie­ren wird. Im Krieg ver­lie­ren alle.
Wahl­sie­ge? Naja. Dort, wo die Wäh­ler­stim­men ein­deu­tig über den 50 % lie­gen, wird das Ver­fah­ren in Zwei­fel gezo­gen. Ob da alles mit rech­ten Din­gen zuging?
Und was ist mit unse­ren klei­nen Kämp­fen im All­tag? Von den Nie­der­la­gen bei den guten Vor­sät­zen am Tag nach Sil­ves­ter muss man nach Ostern gar nicht mehr reden.
Die meis­ten Diä­ten gehen sang- und klang­los unter – spä­tes­tens, wenn die Kaf­fee- und Eis­die­lensai­son wie­der rich­tig läuft.

Wie ist das mit unse­rem Glau­ben? Wie vie­le sol­cher schlech­ten Nach­rich­ten ver­kraf­tet der? Wann zie­hen wir uns zurück mit dem Oster­ju­bel, weil die Welt um uns her­um das offen­bar nicht mit­be­kom­men hat? Und ein­mal abge­se­hen von der Welt drum­her­um: Wie sehr sind wir selbst davon über­zeugt, dass Gott uns gut ist? Tau­chen nicht doch irgend­wann noch alte Rech­nun­gen auf? Lothar Zenet­ti, Pries­ter, Theo­lo­ge, Schrift­stel­ler, hat sich dazu ein­mal Gedan­ken gemacht:

Ein­mal wird uns gewiss die Rech­nung prä­sen­tiert für den Son­nen­schein und das Rau­schen der Blät­ter, die sanf­ten Mai­glöck­chen und die dunk­len Tan­nen, für den Schnee und den Wind, den Vogel­flug und das Gras und die Schmet­ter­lin­ge, für die Luft, die wir geat­met haben, und den Blick auf die Ster­ne und für die Tage, die Aben­de und die Näch­te. Ein­mal wird es Zeit, dass wir auf­bre­chen und bezah­len. Bit­te die Rech­nung. Doch wir haben sie ohne den Wirt gemacht: Ich habe euch ein­ge­la­den, sagt der und lacht, soweit die Erde reicht: Es war mir ein Vergnügen!
(Lothar Zenet­ti Aus: Lothar Zenet­ti, Sie­ben Far­ben hat das Licht. Wor­te der Zuver­sicht. Mat­thi­as Grünewald Ver­lag 2006)

Ermu­ti­gen­de Wor­te. Die Rech­nung zahlt Gott. Wir sind ein­ge­la­den. Und er lädt uns nicht nur ein, in sei­ner wun­der­ba­ren und schö­nen Welt zu leben und sie zu genie­ßen. Er zahlt auch die Rech­nung für etwas, über das wir gar nicht nach­den­ken wol­len. Denn offen­sicht­lich haben wir bei ihm Schul­den. Pau­lus gebraucht ein Bild, das wir ganz gut ver­ste­hen. Es kommt aus der Geschäfts­welt. Mit der hat jeder zu tun. Jeder Kre­dit, jeder Kauf auf Raten ist ja nichts ande­res als ein Kauf mit­tels Schuld­brief. Du gibst mir etwas und ich zah­le spä­ter dafür. Solan­ge nicht der letz­te Cent bezahlt ist, ste­he ich in dei­ner Schuld.
Unse­re Schuld Gott gegen­über? Wir leben oft an ihm vor­bei. Das ist gar nicht ein­mal bös­wil­lig geplant. Wir ver­ges­sen ihn schlicht. Wir ver­ges­sen, dass wir ihm völ­lig ver­trau­en kön­nen. Und dann wen­den wir unser Ver­trau­en ande­ren zu. Frü­her nann­te man die Göt­ter und Men­schen brach­ten ihnen Opfer dar. Heu­te hei­ßen die­se Göt­ter viel­leicht: gutes Ein­kom­men und soli­de Geld­an­la­ge, vie­le Freun­de, Anse­hen in der Gesell­schaft, tol­les Auto, Lebens­ver­si­che­rung, Haus und Hof. Wir stre­ben nach Glücks­ma­xi­mie­rung. Am Ende ver­trau­en wir eh nur noch uns selbst. Und wenn dann womög­lich noch die Gebo­te aus­drück­lich ins Spiel kommen …

Was machen wir damit? Den Scha­den kön­nen wir nie im Leben regu­lie­ren und kei­ne mensch­li­che Ver­si­che­rung kann das. Vor Gott sind wir schlicht plei­te und die Mäch­te und Gewal­ten, die gegen Gott ste­hen, fei­ern ihren Tri­umph­zug – mit uns als Beu­te im Schlepp­tau. „Ihr wart tot in Sün­den, in euren Ver­feh­lun­gen.“ Sei ein­fach schreibt es Pau­lus auf. Wir wür­den es auch blei­ben, wenn da nicht einer gekom­men wäre, um die­sen Schuld­schein zu zerreißen.
Ich stel­le mir das bild­lich vor: Da steht Gott selbst und sam­melt Schuld­schei­ne ein – nicht ein­ge­lös­tes Ver­trau­en, fau­le Kom­pro­mis­se, Lügen statt Wahr­heit, Über­heb­lich­keit, Ver­ach­tung ande­rer. Egal, wie fett solch ein Schein sein mag – nur ein klei­ner Zet­tel oder ein gan­zer Ord­ner vol­ler unge­deck­ter Schecks – Gott nimmt sie alle ent­ge­gen. „Gib sie mir“, sagt er. „Hal­te nichts zurück!“ Und dann nimmt er einen Ham­mer und eine Hand­voll Nägel und nagelt die­se Schuld­schei­ne ans Kreuz. Er tackert sie dort an, so fest, dass sie nicht mehr abge­hen. Sie ver­fal­len dort am Kreuz, sie wer­den auf­ge­löst. Sie sind nicht mehr da. „Ihr seid begra­ben wor­den in der Tau­fe.“ Da gilt die Rede­wen­dung tat­säch­lich: „Tot ist tot.“ Wir sind näm­lich allem gestor­ben, was uns ankla­gen will.

Dann aber: „Ihr seid auf­er­weckt durch den Glau­ben aus der Kraft Got­tes, leben­dig gemacht. Und die Schuld ist ver­ge­ben.“ Und der Anklä­ger? Die Bank des Teu­fels, die uns ver­kla­gen will, das Inkas­so­un­ter­neh­men des Bösen? Gott ent­klei­det und ent­waff­net ihn. Der üble Gene­ral des Teu­fels, eben noch in schmu­cker Uni­form, mit viel Lamet­ta behan­gen, Orden an der Brust, vier gol­de­ne Ster­ne oder fünf auf den Schul­ter­klap­pen, steht jetzt da in einer arm­se­li­gen, zer­ris­se­nen Hose und einem zer­schlis­se­nen Hemd. Sei­ne Rang­ab­zei­chen sind her­un­ter­ge­ris­sen. Der Säbel, Zei­chen sei­ner Macht über Leben und Tod, ist zer­bro­chen, in Stü­cke geschla­gen. Im Tri­umph­zug wird er öffent­lich zur Schau gestellt. Der Tod ist tot.

Aber: Ist Gott uns wirk­lich gut? Sind wir ihm gut genug? Kön­nen wir tat­säch­lich so mutig vom Leben reden ange­sichts von Krieg und Leid, von Unter­drü­ckung und Gewalt? Kön­nen wir so leben?
Wir kön­nen. Wir sol­len. Wir dür­fen. Noch ist die­ser Tri­umph­zug nicht in allen Stra­ßen die­ser Welt ange­kom­men. Er wird viel­leicht erst for­miert. Aber der Anfang ist gemacht durch Jesus Chris­tus. Ostern erin­nert uns dar­an. Und an uns ist es, das unbe­irrt aus­zu­ru­fen, zu pro­kla­mie­ren wie Herol­de, die vor Jesus herlaufen.
An uns ist es, die zu trös­ten und lie­be­voll anzu­neh­men, die von die­sem Tri­umph des Lebens gera­de über­haupt nichts mit­be­kom­men. An ihnen sol­len wir nicht jubelnd vor­bei­ge­hen. Zu ihnen sol­len wir uns beu­gen, sie auf­he­ben, sie in gute Gewän­der klei­den, ihre Ver­let­zun­gen ver­bin­den, Wun­den hei­len. Ihnen sol­len wir so begeg­nen, dass sie Men­schen gegen­über wie­der Ver­trau­en fas­sen kön­nen. Und dass sie dar­über Gott sehen, der eben tief her­ab­ge­kom­men ist in jedes Leid hin­ein, um uns zu befrei­en, zu erlösen.
Und zugleich ist es an uns, den Gro­ßen und Star­ken und Mäch­ti­gen den­je­ni­gen anzu­sa­gen, der über ihnen steht und dem sie ver­ant­wort­lich sind – und das nicht am Sankt-Nim­mer­leins­tag, son­dern schon in die­ser Zeit und dann, wenn Jesus wie­der­kommt. Und das wird er. Als Sie­ger, als Befrei­er, als Erlö­ser und als Friedenskönig.

Gott HAT uns leben­dig gemacht. Gott HAT uns ver­ge­ben. Er HAT den Schuld­brief getilgt. Er HAT die Mäch­te und Gewal­ten ent­mach­tet. Wir dür­fen es mutig glau­ben für uns selbst und es ande­ren weitersagen.

 

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