Sonntag Kantate: Singt! Laut, schräg oder schön – aber vor allem aus vollem Herzen. Singt!
Gedanken aus dem Gottesdienst.
Lukas 19,37–40 (Basis-Bibel)
Und als er schon nahe am Abhang des Ölbergs war, fing die ganze Menge der Jünger an, mit Freuden Gott zu loben mit lauter Stimme über alle Taten, die sie gesehen hatten, und sprachen: Gelobt sei, der da kommt, der König, in dem Namen des Herrn! Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe!
Und einige von den Pharisäern in der Menge sprachen zu ihm: Meister, weise doch deine Jünger zurecht! Er antwortete und sprach: Ich sage euch: Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien.
Wow. Da ist was los in Jerusalem. Jesus kommt und die Stadt feiert und singt und tanzt. Vielleicht so wie bei Luthers Hochzeit?
Das ist schon toll, so ein Empfang. Von Konzerten kennt ihr das – egal ob Kinderkonzert oder Vorspiel der Musikschule oder ein Rockkonzert oder wenn die Kantorei singt: meistens klatschen die Leute, wenn die Künstlerin oder der Dirigent auf die Bühne kommt. Ich stelle mir vor, wie das wäre, wenn einer von uns neu irgendwo reinkommt und alle klatschen erst einmal. Wäre das nicht auch toll? Vielleicht, wenn ein Kind die Schule wechselt. Neue Klasse – und die neuen Mitschüler klatschen und freuen sich: „Super, dass du endlich bei uns bist“. Oder wenn eine Familie neu in ein Dorf zieht: „Wir freuen uns, dass ihr zu uns zieht, herzlich willkommen!“, rufen die Nachbarn und jubeln. Verrückt. Aber wäre das nicht toll?
Die Freunde von Jesus jedenfalls freuen sich über ihn. Und ich denke, das waren nicht nur die, die mit ihm durch das Land gezogen sind. Das werden auch viele in Jerusalem gewesen sein. Die haben sich gefreut, dass Jesus endlich mal in der Stadt ist. So viel haben sie schon von ihm gehört. Und weil sie ahnen, dass Gott hinter Jesus steht, jubeln sie über Gott: „Gesegnet ist der König, der im Namen des Herrn kommt! Friede herrscht im Himmel und Herrlichkeit erfüllt die Himmelshöhe!“ Der ganze Himmel freut sich mit.
Wann habt ihr zuletzt einmal über Gott gejubelt? Oder für Jesus gesungen und getanzt? So ganz aus freiem Herzen, einfach so, weil euch danach war?
Mir geht es manchmal so, wenn ich am Klavier sitze und singe. Oft hat es einen ganz banalen Grund: Ich singe, weil ich das Lied dann mit den Konfirmanden singen will. Oder weil ich es für einen Gottesdienst noch einmal übe. Aber manchmal vergesse ich diesen Zweck und ich singe ganz frei, einfach so. Singe weiter. Blättere weiter und finde so schnell kein Ende mehr. Es macht mir Spaß. Und ich merke, wie ich für Jesus singe. Einfach so. Weil er da ist. Weil er gut ist. Das passiert mir viel zu selten. Viel zu oft ist nur der Kopf im Spiel und zu wenig das Herz. Aber manchmal geschieht es.
Der Sonntag heute heißt Kantate. Also: Singt. Singt aus voller Kehle. Singt mit aller Kraft. Singt schön, singt schief, aber vor allem: Singt! Der Sonntag vor einer Woche hatte auch so einen schönen, herausfordernden Namen: Jubilate. Und das heißt jubelt, freut euch, tanzt ab, seid fröhlich. Lasst raus, wie toll ihr Gott findet.
Nach Ostern ist Jubeln und Singen einfach dran. Und doch geht uns das wenige Wochen danach so leicht wieder vergessen. Ich habe jedenfalls in den letzten Wochen niemanden durch die Stadt tanzen sehen, weil Jesus von den Toten auferstanden ist. Mich selbst eingeschlossen. Nach Ostern. Das meint aber doch mehr, als nur diese vier Wochen. Wir leben seit 2.000 Jahren nach Ostern. Sollten wir da nicht jeden Tag so viel Grund zum Singen haben?
Ostern: Jesus – der Sohn Gottes – war tot und ist wieder lebendig. Das ist schon mal unvorstellbar, verrückt und großartig, fantastisch. Und dann sagt Jesus: Das könnt ihr auch haben. Jeder kann das haben. Wenn ihr an mich glaubt, wenn ihr mir vertraut, wenn ihr mir euer Leben anvertraut, dann habt ihr das. Dann habt ihr dieses Leben.
Das wissen wir. Das haben wir im Kopf. Das glauben wir. Im Herzen. Aber tanzen? Jubeln? Singen? Und das jeden Tag? Irgendwo bleibt das immer wieder hängen.
Kein Wunder. Zu viele schlechte Nachrichten bremsen uns. Kaum hast du ein Lied auf den Lippen, ruft einer an und sagt: Ich bin krank. Kaum wiegst du dich mal fröhlich, ausgelassen und heiter im Sonnenlicht, kommt ein Krankenwagen um die Ecke oder die Feuerwehr. Naja – und den Fernseher braucht man auch nicht einzuschalten. Hunger. Krieg. Katastrophen. Vielleicht sind das alles die Bremser unserer Zeit.
Damals sagten einige zu Jesus: „Pfeif mal deine Jünger zurück! So geht das nicht. Mitten am Arbeitstag können die nicht hier rumstehen und jubeln und auf der Straße tanzen. Andere müssen arbeiten. Und du, Jesus, bist ja nun nicht der König von Israel oder die Queen von England. Du bist schon toll, aber doch irgendwie auch ein ganz Normaler.“
Wenn heute einer Straßenmusik macht, braucht er dafür eine Genehmigung. Sonst kommt das Ordnungsamt. Wenn wir mit einem Osterlied auf den Lippen durch Wittenberg gehen würden, dann würden manche ganz schön schräg gucken. Das geht mal in der Osternacht für fünf Minuten vom Kirchplatz bis in die Kirche. Aber mehr geht nicht. Doch ich glaube, wir können dagegen tun, dass wir die beste Botschaft der Welt so leicht wieder vergessen. Wir können uns Mut holen und Lust und Freude. Paulus, der sehr viel von Jesus erzählt und geschrieben hat, sagt Folgendes (Kolosser 3,16.17 Basis-Bibel):
Das Wort, in dem Christus gegenwärtig ist, wohne in reichem Maß bei euch. Lehrt einander und ermahnt euch gegenseitig. Tut das in aller Weisheit.
Singt Gott aus vollem Herzen Psalmen, Hymnen und geistliche Lieder. Denn er hat euch Gnade geschenkt.
Alles, was ihr sagt und tut, soll im Namen des Herrn Jesus geschehen. Dankt dabei Gott, dem Vater, durch ihn.
Vier kurze Gedanken dazu:
- Das Wort wohne in euch. Das meint: Nehmt so viel wie möglich von den Geschichten von Jesus in euch auf. Seid neugierig auf Jesus. Fragt nach. Wo ihr etwas aufschnappen könnt, nehmt es mit. Wir entdecken Jesus in der Bibel, in den Geschichten von ihm. Und in dem, was andere dann darüber gedacht und geschrieben haben. Da bleibt dran. Fangt schon mit den Kleinsten damit an. Schaut mit ihnen eine Bilderbibel an. Erzählt ihnen mit der Kinderbibel in der Hand. Lest selbst. Redet miteinander darüber.
Mir ging ein vielleicht etwas schräges Beispiel durch den Kopf. Viele haben Haustiere. Die wohnen bei ihnen. Sie sind eigentlich nicht Familie, weil sie ja keine Menschen sind. Und doch: Genauso gehören sie dazu. Wir streicheln unseren Hund, wenn wir nach Hause kommen, schmusen mit der Katze. Sorgen für sie. Haustiere bestimmen die Freizeit und auch das Arbeitsleben.
Lasst Gottes Wort bei euch wohnen. Lass es viel mehr eures Alltagslebens sein. Macht euch die Bibel zum Freund, zum besten Freund. Lasst die Worte, die von Gott erzählen, bei euch wohnen – als beste Freunde. - Singt aus vollem Herzen. Nicht nur am Sonntag Kantate. Es müssen auch nicht immer Jubellieder sein. Manchmal ist es etwas Trauriges. Aber lasst es hören, singt es für euch, für Gott, für die Menschen um euch her. Singt, was andere geschrieben haben. Und wer nicht singen kann, mache was anderes. Schreibt doch mal einen Psalmvers in wundervollen Buchstaben auf besonderes Papier und schenkt das jemand. Oder beschenkt euch selbst damit. Malt ein Bild, gestaltet eine Grußkarte, pflückt Blumen und verschenkt sie. Gebt eurer Fantasie Raum. Hauptsache aus vollem Herzen.
- Alles im Namen Jesu. Der ist doch mitten unter uns. Der ist doch mein ganzes Leben. Der ist doch da im Alltag. Das hat er versprochen. Egal, wo wir sind. Egal, wie es uns geht – Jesus ist da.
- Dankt Gott. Fangt am besten schon am Morgen damit an. „Danke, Gott, für den neuen Tag. Das ist dein Tag. Das ist deine Sonne. Das ist dein Regen. Das ist deine Welt. Und ich bin dein Kind. Danke!“
Lasst euch das von niemandem verbieten – nicht mal von euch selbst. Nicht von der vielen Arbeit, die ihr habt. Nicht von den Sorgen. Nicht von den schlechten Nachrichten. Gott ist größer. Gott ist lebendig. Jesus lebt. Und wir leben mit ihm.
Vielleicht gehört im Alltag mehr Mut dazu. Aber wenn wir zu zweit oder noch mehr sind, geht es vielleicht leichter. Ihr könnt ja mal sehen, wem ihr in den nächsten Tagen so begegnet. Und wenn es ein Freund oder Bekannter ist, dann strahlt ihn an. Vielleicht singt oder pfeift ihr zusammen eine Melodie – von einem Osterlied oder von einem der Lieder heute.
Ich habe manchmal einen Ohrwurm. Das geht gewiss noch anderen so. Wir hören ein Wort, ein Stück aus einem Lied. Und dann spielt die Musik in unserem Kopf los. Ich pfeife dann oft oder summe die Melodie. Zum Beispiel, wenn ich im Pfarrhaus die Treppe runterrenne, oder etwas langsamer wieder hoch. 40 Stufen voller Musik.
Macht das. Lasst euch nicht verbieten zu singen und zu pfeifen. Ja, ja, die Rücksicht. Die muss sein. Aber es gibt so viele Orte, wo wir niemanden stören. Und es gibt gewiss auch viele Orte, an denen Menschen mit uns schmunzeln und pfeifen – oder auch nach dem Grund unserer Fröhlichkeit fragen. Besseres kann nicht passieren, als dass wir dann von dem erzählen können, der uns fröhlich macht und das Leben schenkt: Gott. Ich glaube, dass das sogar traurige Menschen trösten kann, wenn wir ihre Trauer teilen und sie darin nicht allein lassen.
Lasst nicht zu, dass jedes Volksfest fröhlicher daherkommt als wir. Wir haben Gott auf unserer Seite. Mehr Grund zum Jubeln geht nicht.
Am Ende des Gottesdienstes sang die Gemeinde auf dem Kirchplatz “Schalom Chaverim” — Kanon zu acht Stimmen 🙂
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