Predigt am 3. Sonntag nach Epiphanias
gelesen: 2. Könige 5 — die Heilung des Naaman
gesungen: EG 293 — Lobt Gott, denn Herrn, ihr Heiden all
Predigttext: Matthäus 8,5–13 — der Hauptmann von Kapernaum
5 Als aber Jesus nach Kapernaum hineinging, trat ein Hauptmann zu ihm; der bat ihn 6 und sprach: Herr, mein Knecht liegt zu Hause und ist gelähmt und leidet große Qualen. 7 Jesus sprach zu ihm: Ich will kommen und ihn gesund machen. 8 Der Hauptmann antwortete und sprach: Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst, sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund. 9 Denn auch ich bin ein Mensch, der einer Obrigkeit untersteht, und habe Soldaten unter mir; und wenn ich zu einem sage: Geh hin!, so geht er; und zu einem andern: Komm her!, so kommt er; und zu meinem Knecht: Tu das!, so tut er’s. 10 Als das Jesus hörte, wunderte er sich und sprach zu denen, die ihm nachfolgten: Wahrlich, ich sage euch: Solchen Glauben habe ich in Israel bei keinem gefunden! 11 Aber ich sage euch: Viele werden kommen von Osten und von Westen und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch sitzen; 12 aber die Kinder des Reichs werden hinausgestoßen in die äußerste Finsternis; da wird sein Heulen und Zähneklappern. 13 Und Jesus sprach zu dem Hauptmann: Geh hin; dir geschehe, wie du geglaubt hast. Und sein Knecht wurde gesund zu derselben Stunde.
Predigt
Welchen Dienstgrad hat wohl Jesus? Ist das eine seltsame Frage? So fern liegt sie gar nicht. Erinnern wir uns noch einmal an die Geschichte. Da kommt ein Hauptmann, ein Zenturio zu Jesus. Ein Römer also, ein Offizier im römischen Heer. An die 100 Soldaten führt er an.
Ein Römer? Ich muss es noch mal wiederholen. Denn Juden und Römer passen nicht zusammen. Die Römer haben Judäa besetzt und sind die Herren rund ums Mittelmeer. Letztlich sind sie also Feinde eines jeden aufrechten Juden. Da werden sich die Jünger schon gewundert haben. Vielleicht waren sie im ersten Moment auch etwas erschrocken. Plötzlich bekommen sie es mit der Militärmacht zu tun. Was kann der von Jesus wollen? Passt ihm etwas nicht?
Manch anderer mag die Szene auch beobachtet haben. Jesus, der bekannte Wanderprediger, bekommt Besuch von einem Römer? Wie geht er damit um? Jeder andere hätte sich unterwürfig, höflich aber klar zurückgezogen. Und für den Römer selbst ist das auch nicht ungefährlich. Als Besatzer kann er doch nicht mit einem Juden kooperieren, Hilfe von ihm erwarten. Das kann auch nach hinten losgehen für ihn. Neider gibt es überall. Und wer würde nicht gerne selbst vom Legionär zum Zenturio aufsteigen?
Aber hier entspinnt sich ein Gespräch zwischen Jesus und dem Hauptmann. „Herr, mein Knecht liegt zu Hause und ist gelähmt und leidet große Qualen.“ Mehr sagt der Hauptmann nicht. Es ist immer wieder anders mit den Menschen, die zu Jesus kommen und Hilfe suchen. Nur mal ein paar Seitenblicke:
Einmal nähert sich eine Frau heimlich an. Nur den Saum des Gewandes will sie berühren. Und das wird schon helfen, glaubt sie. Tut es auch. Kein Wort ist gewechselt worden. Fast schon magisch wirkt die Szene. Erst nachdem von Jesus diese heilende Kraft ausgegangen ist, reden er und diese Frau miteinander (Markus 5,24–34).
Vor Jericho war ein Blinder. Der hört, dass eine Menge Leute entlangkommen; fragt was da los ist. „Jesus kommt.“ Und er fängt an und ruft: „Sohn Davids, erbarme dich meiner.“ (Markus 10,46–52)
Und hier? Der Hauptmann kommt nicht dazu, eine Bitte vorzutragen. Er sagt nur, wie es ist. Und Jesus bietet sogleich seine Hilfe an: „Ich will kommen und ihn gesund machen.“ Immer anders. Aber immer hilft Jesus – auf eine Bitte hin, auf eine bloße Berührung hin, beim Anblick eines Hilfsbedürftigen.
Manchmal genügt es, Jesus unsere Not einfach zu erzählen, sie ihm einfach zu klagen. Manchmal wissen wir vielleicht auch gar nicht, in welche Richtung unsere Bitte gehen soll. Wir merken, dass es uns nicht gut geht, aber was das ändern könnte, mag uns noch nicht bewusst sein. Dann genügt es schon, Jesus diesen Zustand zu bringen. Manchmal genügt das.
Für mich wird es jetzt spannend. Übrigens ist mir das zum ersten Mal so durch den Kopf gegangen, was mich zur Frage am Anfang geführt hat – welchen Dienstgrad wohl Jesus hat. Lauschen wir noch mal dem Hauptmann: „… sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund. Denn auch ich bin ein Mensch, der einer Obrigkeit untersteht, und habe Soldaten unter mir; …“
„Auch ich.“ Das „Auch“ zeigt auf einen Vergleich hin: „Auch ich war heute einkaufen, nicht nur du.“ „Auch dich habe ich beim Festival gesehen. Hat’s dir gefallen?“ „Auch in Hohenmölsen war heute Gottesdienst, nicht nur in Trebnitz.“
Ob der Zenturio ahnt, was er da beschreibt? Ob ich es wirklich ahne? Er vergleicht die Vollmacht von Jesus mit seiner eigenen. Und er beschreibt auch die Abhängigkeit Jesu von einer „Obrigkeit“. Er trifft voll ins Schwarze damit. Untersteht Jesus, der Mensch Jesus, einer Obrigkeit? Mir fallen Worte Jesu ein, die seine Abhängigkeit vom himmlischen Vater beschreiben. Eines der deutlichsten steht vielleicht bei Johannes: „Denn ich habe nicht aus mir selbst geredet, sondern der Vater, der mich gesandt hat, der hat mir ein Gebot gegeben, was ich tun und reden soll.“ (Johannes 12,49) Und vor Augen ist uns wohl auch die Szene im Garten Gethsemane. Bald werden wir auch wie wieder hören. Jesus wird in Kürze gefangen genommen. Er betet. Denn er hat Angst vor dem, was kommt. „Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst!“ So betet er dort (Matthäus 26,39) Jesus handelt im Auftrag und Willen des Vaters. Auch wenn Vater, Sohn und Heiliger Geist eins sind, so zeigt es sich doch auf unterschiedliche Weise. Der Menschensohn und Gottessohn Jesus fragt nach dem Willen des Vaters und führt ihn aus. Ob der Hauptmann das ungewollt und unwissentlich beschreibt?
Es geht weiter. Der Zenturio befehligt 100 Leute, die alle tun, was er sagt. Und Jesus? Der befiehlt einem Sturm auf dem See Genezareth, dass er schweigen soll. Und es wird ruhig auf dem See (Markus 4,35–41). Er befiehlt Dämonen, dass sie Menschen freigeben (Matthäus 8,28–34). Er befiehlt Krankheiten, dass sie weichen. Lazarus, der seit vier Tagen tot im Grab liegt, befiehlt er: „Lazarus, komm heraus!“– nämlich aus dem Grab. Und der gehorcht. Der Tod selbst weicht (Johannes 11,43).
Es bleibt ein kleiner, ein schwacher Vergleich zwischen einem Hauptmann und Jesus. Jesus hat nur einen, mit dessen Willen er völlig eins ist und dem er sich völlig unterwirft – Gott Vater. Er gehorcht quasi dem höchsten Befehlshaber.
Und Jesus ist zugleich der höchste Befehlshaber. Ihm ist gegeben “alle Gewalt im Himmel und auf Erden” (Matthäus 28,18). Er hat die Vollmacht über alle Natur, über die ganze Schöpfung, über Krankheit und den Tod.
Klar – dafür gibt es keinen Dienstgrad. Und doch bringt es der Hauptmann hier ungewollt auf den Punkt. Und durch seine Art, die Hoheit und Vollmacht Jesu zu beschreiben, zeigt er seinen Glauben an diese Vollmacht. „Ich bin ein Hauptmann und meine Leute hören auf mich.“ Du, Jesus, hast eine ganz andere Macht. Du bist der höchste Befehlshaber. Du stehst über jedem General, über jedem König und Kaiser, über jedem Kanzler und Präsidenten. „Sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund.“
Vielleicht liegt hier das Besondere, das Verwundernde, das Geheimnis dieser Geschichte. Dass der Hauptmann an ein Heilungswunder glaubt, ist nicht so außergewöhnlich. Das gab es ganz gewiss. Die Jünger hatten auch solche Vollmacht. Jesus hat sie losgeschickt, nicht nur um zu predigen, sondern auch um zu heilen oder Dämonen auszutreiben. Von manchem Propheten im ersten Testament wird es auch erzählt, dass er Wunder tat. Eine Erzählung haben wir gehört. Eine Art indirektes Wunder, das da an Naaman geschehen ist durch den Propheten Elisa. Naja, im Grunde, wie alle Wunder, durch Gott selbst (2. Könige 5).
Aber diese völlige, uneingeschränkte Macht und Hoheit kommt nur einem zu: Jesus. Und dieser Glaube, der erstaunt, der überrascht Jesus. Der Römer bekennt seine Vollmacht. Der Römer bekennt, vielleicht ohne, dass er es weiß und auch ohne die exakten Worte zu gebrauchen, dass Jesus Sohn Gottes ist und Herr der Welt. Glauben hat Jesus auch bei anderen entdeckt. Die Jünger glaubten ihm. Mancher, der auf Heilung hoffte, glaubte ihm. Menschen hörten auf seine Worte und ließen sich verändert. Sie glaubten.
Aber dass einer jetzt schon, vor Karfreitag und vor Ostern, indirekt und unbewusst solch ein Zeugnis von sich gibt, das ist außergewöhnlich. Und noch dazu ist es ein Römer, dem der Gott Israels egal ist, dem ein Messias nichts bedeutet und der mit Gottes Sohn so nichts zu schaffen hat. Übrigens: Es wird auch wieder ein römischer Hauptmann sein, der das unter dem Kreuz Jesu bezeugt: „Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen“, sagt er, als Jesus gestorben ist (Matthäus 27,54).
Jesus selbst wundert sich über diesen Glauben. Und er wundert sich auch nicht. Denn das wird geschehen, das haben schon die Propheten angekündigt: „Viele werden kommen von Osten und von Westen und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch sitzen.“ Jesus greift auf, was die Propheten schon lange vorher angekündigt haben.
Jesaja prophezeit: „… viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns hinaufgehen zum Berg des Herrn, zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des Herrn Wort von Jerusalem.“ (Jesaja 2,3) Micha (Kapitel 4) gebraucht fast die gleichen Worte, Sacharja (Kapitel 8) greift den Gedanken auf. Und die Psalmen rufen die Heiden zum Lob Gottes auf. Einen – Psalm 117 – haben wir vorhin gesungen („Lobt Gott, denn Herrn, ihr Heiden all“ – Ev. Gesangbuch Nr. 293).
Das Reich Gottes, es ist schon nahe, es ist schon mitten unter euch. Das ist die Botschaft von Jesus. Und die Wahrheit zeigt sich auch darin, dass Heiden, dass andere Nationen in Jesus den Sohn Gottes erkennen.
Die Frage, welchen Dienstgrad Jesus wohl hatte, ziehe ich zurück. Der Vergleich hinkt, denn er ist viel zu klein gedacht. Aber als Gedankenanstoß nehme ich die Frage mit.
Wen sehen wir, wenn wir auf Jesus schauen? Sehen wir einen von vielen, durchaus ernst zu nehmenden Wundertätern und guten Menschen? Viele denken so über Jesus: Toller Mensch, wendet sich den Schwachen zu, bringt Heil und Segen, ethisch-moralisch ist er auf der Höhe, fürchtet keine Obrigkeit, redet niemanden nach dem Mund, ist sanftmütig und stark zu gleich, eine Autorität. Schön. Da gibt’s noch mehr von dieser Sorte. Bewundernswert. Aber ist das alles?
„Sprich nur ein Wort“, sagt der Hauptmann. Denn dein Wort allein hat Gewicht. Dein Wort allein schafft die Welt. Dein Wort allein weckt Tote auf. Dein Wort allein gibt Leben (Johannes 6,68). Jesus ist der Herr allein. Ihm gehört alle Ehre. Es gibt nichts Besseres, als ihm das Leben anzuvertrauen, ihm zu glauben.
„Sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.“ Katholische Christen sagen diese Worte direkt vor dem Empfang des Abendmahls. Ein bisschen abgewandelt sind sie von dem, was der Hauptmann sagt. Sie zeigen gut, was wir glauben dürfen und wie wir auf Jesus zugehen können. Er ist der Herr allen Lebens und er gibt das Leben. „Sprich nur ein Wort so wird meine Seele gesund.“ Amen.