Oster-Lebens-Segen

Qua­si­mo­do­ge­ni­ti — “wie die neu­ge­bo­ren Kind­lein”, so sind Men­schen, die ihr Leben Jesus anver­traut haben. Sie bekom­men von ihm neu­es Leben. Ganz eigen­ar­tig stößt eine Geschich­te auf die­se Wahr­heit, die sich lan­ge vor Jesu Geburt und lan­ge vor Ostern abge­spielt hat. Dar­um ging es am Sonn­tag mit dem schö­nen Namen Qua­si­mo­do­ge­ni­ti. Der kommt übri­gens aus der latei­ni­schen Ver­si­on eines Ver­ses aus dem 1. Petrus­brief.

Die Geschich­te: Gene­sis 32–23-32

Und Jakob stand auf in der Nacht und nahm sei­ne bei­den Frau­en und die bei­den Mäg­de und sei­ne elf Söh­ne und zog durch die Furt des Jabbok. Er nahm sie und führ­te sie durch den Fluss, sodass hin­über­kam, was er hat­te. Jakob aber blieb allein zurück. 
Da rang einer mit ihm, bis die Mor­gen­rö­te anbrach. Und als er sah, dass er ihn nicht über­moch­te, rühr­te er an das Gelenk sei­ner Hüf­te, und das Gelenk der Hüf­te Jakobs wur­de über dem Rin­gen mit ihm ver­renkt. Und er sprach: Lass mich gehen, denn die Mor­gen­rö­te bricht an. Aber Jakob ant­wor­te­te: Ich las­se dich nicht, du seg­nest mich denn. Er sprach: Wie heißt du? Er ant­wor­te­te: Jakob. Er sprach: Du sollst nicht mehr Jakob hei­ßen, son­dern Isra­el; denn du hast mit Gott und mit Men­schen gekämpft und hast gewon­nen. Und Jakob frag­te ihn und sprach: Sage doch, wie heißt du? Er aber sprach: War­um fragst du, wie ich hei­ße? Und er seg­ne­te ihn daselbst. 
Und Jakob nann­te die Stät­te Pnuël: Denn ich habe Gott von Ange­sicht gese­hen, und doch wur­de mein Leben geret­tet. Und als er an Pnuël vor­über­kam, ging ihm die Son­ne auf. 

Gedan­ken zu Gene­sis 32,23–32

Wie neu­ge­bo­ren! Es ist wohl einer der schöns­ten Sonn­tags­na­men im Kir­chen­jahr. Und es ist kein Wun­der, dass die­ser Name für den ers­ten Sonn­tag nach Ostern ver­ge­ben ist. Jesus lebt. Er selbst ist ja wie neu­ge­bo­ren. Wir leben durch ihn und sind neu­ge­bo­re­ne Men­schen. Der Sonn­tag erin­nert an die Tau­fe. Denn sie ist ja das sicht­ba­re Sym­bol für das neue Leben, das Jesus uns schenkt. Ich glau­be, viel sinn­fäl­li­ger lässt sich das alles kaum ver­bin­den. Was­ser rei­nigt und lässt uns neu aus­se­hen. Nach einer anstren­gen­den und schweiß­trei­ben­den Arbeit füh­len wir uns wie neu­ge­bo­ren, wenn wir frisch geduscht haben.
Bil­der, die wir aus unse­rem Leben ken­nen, kom­men so mit dem Glau­ben an das neue Leben zusam­men. Qua­si­mo­do­ge­ni­ti – wir sind frisch geduscht mit dem Was­ser der Tau­fe und haben schon Teil an der Auf­er­ste­hung – wenn auch erst ein­mal als eine hoff­nungs­we­cken­de und stär­ken­de Anzah­lung durch Got­tes Geist in uns.
Ob es Jakob auch so ging nach sei­ner eigen­ar­ti­gen Begeg­nung am Fluss? Zumin­dest Was­ser war dort. Und er kam aus einer Begeg­nung mit dem Leben davon – also auch wie neu­ge­bo­ren – oder sogar auferstanden?

Aber lang­sam, der Rei­he nach. Ein kur­zer Rück­blick: Jakob war die letz­ten 20 Jah­re in Haran gewe­sen bei sei­nem Onkel. Stress mit sei­nem Zwil­lings­bru­der Esau hat­te ihn dort­hin getrie­ben. Jakob hat­te Esau gewal­tig übers Ohr gehau­en und der woll­te ihn umbrin­gen (Gene­sis 27).
In den Jah­ren bei sei­nem Onkel Laban hat­te Jakob gehei­ra­tet und war Vater von einer Toch­ter und elf Söh­nen gewor­den. Reich war er jetzt eben­falls. Und nun befin­det er sich mit sei­ner Fami­lie, mit Frau­en und Kin­dern, mit sei­nen Mäg­den und Knech­ten, mit den Vie­her­den auf dem Weg zurück in sei­ne ursprüng­li­che Hei­mat. Damit geht es auch Rich­tung Esau. Ob das gut geht? Aber das ist heu­te nicht das Thema.

Jakob schickt alle, die mit ihm unter­wegs sind, schon mal los.  Noch in der Nacht fin­det der Auf­bruch statt. Nach­dem sie durch den Fluss Jabbok gegan­gen sind, zie­hen alle wei­ter, nur Jakob bleibt noch. Und da geschieht, was wir gehört haben: Ein Frem­der über­fällt ihn und kämpft mit ihm.
Was Jakob geplant hat­te, war ein Neu­an­fang in sei­ner Hei­mat. Ein gewis­ses Wag­nis war das schon, weil er nicht wuss­te, wie Esau nach zwan­zig Jah­ren inzwi­schen drauf ist. Jakob hat­te schon sehr viel Segen erlangt. Anschei­nend ging die Geschich­te auf, die er hin­ter­lis­tig ange­lei­ert hat­te. Den Segen hat­te er sich von sei­nem Vater Isaak erschli­chen. Jakob war immer ein Macher – aller­dings eher im Hin­ter- und Unter­grund. Und auch jetzt wie­der hat er genau geplant. Womit er nicht rech­ne­te war, dass Gott noch viel mehr mit ihm vor­hat, noch viel mehr für ihn bereit hat, als er ahnt.
Ich ahne, dass uns das gar nicht so fremd ist. Wir pla­nen doch Man­ches in unse­rem Leben – viel­leicht nicht alles, aber so ein paar Ideen haben wir schon. Und wir set­zen sie um, mal mehr, mal weni­ger eng am Plan. Got­tes Segen? Schön, wenn der dazu­kommt. Aber wir gehen nicht unbe­dingt von die­sem Segen aus. Und dann tritt Gott uns in den Weg – so wie Jakob.

Für den war das ein tüch­ti­ger Schre­cken, den­ke ich mir. Mor­gen­grau­en – da steckt selt­sa­mer­wei­se auch das Wort Grau­en drin. Ich stel­le mir ein Fluss­ufer vor, das noch im Dun­kel liegt. Und Nebel – Nebel gehört unbe­dingt dazu. Im Film käme die pas­sen­de Musik à la Hitch­cock. Ein unbe­kann­ter, nicht zu erken­nen­der Frem­der packt Jakob urplötz­lich und kämpft mit ihm. Bei­de rin­gen mit­ein­an­der und kei­ner schenkt dem ande­ren etwas.
Ein Kampf auf Leben und Tod. Und mich durch­fährt es eigen­ar­tig: Kar­frei­tag und Ostern – das war der ent­schei­den­de Kampf um Leben und Tod. Der hat hier bei Jakob schon ein Abbild, auch wenn die Kon­tra­hen­ten und die Zie­le anders bestimmt sind. Ob uns bewusst ist, dass es an Ostern wirk­lich um unser Leben ging?
Jakob, der spür­te es. Der gab nicht nach. Der kämpf­te um sein Leben. Er krall­te sich fest, er hob die Arme zur Deckung, er umschlang sei­nen Geg­ner und ließ nicht zu, dass der ihm einen töd­li­chen Schlag ver­setzt oder ihm die Keh­le zudrückt.
Jesus kämpft anders um unser Leben. Er kämpft in sich, mit sich, mit Gott, mit Him­mel und Höl­le – ich glau­be, so kann man das sagen.

Mit die­ser einen Woche Abstand zu Ostern lese ich die Geschich­te von Jakobs Kampf plötz­lich anders. Und wenn ich die­se kur­ze Woche zurück­bli­cke, sehe ich den Kampf Jesu noch ein­mal deut­li­cher – und ich ent­de­cke, wie ich mit­ten­drin stehe.
Es geht um mein und dein Leben damals am Kreuz. Die Gefahr, in der wir ste­hen: Wir neh­men es nicht immer, viel­leicht sel­ten als die­se Ent­schei­dung um unser Leben wahr. Viel­leicht stößt uns die Ver­bin­dung von Ostern mit die­sem Rin­gen am Fluss etwas drauf. Mir ging es so.

Jakob über­rascht mich dann mit einem selt­sa­men Wunsch. Wir ken­nen die Geschich­te zu gut und lesen ver­mut­lich ein­fach drü­ber weg. Es ist uns ja ver­traut. Der geheim­nis­vol­le Geg­ner will weg. Und Jakob sagt: „Ich las­se dich nicht, du seg­nest mich denn.“ Also auf Deutsch 2023: „Ich las­se dich nur dann los, wenn du mich segnest.“
Hä? Wenn ich nicht wüss­te, dass es um Gott, um Jakob, um Segen, letzt­lich um das Volk Isra­el und mehr geht, wür­de ich doch etwas ganz ande­res erwarten.
Und Jakob sag­te: „Mach dich bloß vom Acker. Sei froh, dass ich dir nicht die Rübe run­ter­ge­ris­sen habe. Mann! Einen ein­fach so zu über­fal­len. Wer bist du über­haupt? Was soll das? Geht’s noch?“ Und dann japs­te Jakob und war froh, dass er noch am Leben war.
Oder er sagt: „Ne, du kommst hier nicht mehr raus. Nie­mand greift mich so an. Nie­mand ver­sucht, mich umzu­brin­gen. Das zahl ich dir heim. Du kommst hier nicht mehr lebend raus.“ Das wäre eine logi­sche Ant­wort, oder?

Jakob scheint etwas gemerkt zu haben. Der, der ihn da ange­grif­fen hat, der hat etwas, das Jakob unbe­dingt braucht. Der hat eine Macht, die mehr wert ist als kör­per­li­che Kraft. Die ist auch mehr wert als aller Reich­tum, den er sich erwer­ben konn­te. Der hat Segen – und das meint in der Bibel immer: Der hat alles. Der hat die gan­ze Fül­le. Dem ste­hen Him­mel und Erde zur Ver­fü­gung. Der fließt nur so über von irdi­scher und himm­li­scher Kraft, von irdi­schem und himm­li­schem Reich­tum, von Leben.
Und so kämpft Jakob wei­ter. Nicht mehr nur ums nack­te Über­le­ben. Er packt das Leben ins­ge­samt und hält es fest. Er krallt sich an die­sen Geg­ner, der ihm das gan­ze Leben, die gan­ze Fül­le zusa­gen kann. Zusa­gen – das meint in dem Fall zugleich: es auch Wirk­lich­keit wer­den las­sen. „Seg­ne mich! Gib mir dei­ne Fül­le. Gib mir, was mir zu mei­nem Leben noch fehlt. Gib mir, was ich mir selbst nicht geben kann.“
Und sein Geg­ner gibt ihm. Zuerst den neu­en Namen: Isra­el. Wir bekom­men heu­te unse­ren Namen bei der Geburt oder kurz spä­ter. Von Jakob-Isra­el hat das gan­ze Volk Isra­el sei­nen Namen – weil Jakob die­sen Kampf aus­ge­foch­ten hat und sich an den Segen krall­te. Isra­el – du hast mit Gott und mit Men­schen gekämpft und gewonnen.

Der Schluss kommt dann über­ra­schend schnell: „Und er seg­ne­te ihn daselbst.“ Fer­tig. Der Frem­de ist weg, so wie der Nebel, der sich mitt­ler­wei­le geho­ben hat. Jakob aber bleibt zurück. Auch er hat einen Namen für das, was pas­siert ist. Pnuël nennt er den Ort: „Ich habe Gott von Ange­sicht gese­hen und doch wur­de mein Leben gerettet.“

Wir kön­nen es an Ostern noch anders ent­de­cken: Ich habe Jesus von Ange­sicht gese­hen – und des­we­gen wur­de mein Leben gerettet.
Bei Jakob ist das noch in die­ses wirk­lich eigen­ar­ti­ge, ver­wir­ren­de Ereig­nis hin­ein­ge­packt und dar­in ver­bor­gen. Bei Jesus aber ist es Pro­gramm, ist es aus­ge­spro­che­nes Ziel: Gott kommt, um zu ret­ten. Gott kommt, um zu seg­nen. Jakob muss um die­sen Segen rin­gen. Wobei es 20 Jah­re vor­her anders war. Da träum­te Jakob vom offe­nen Him­mel und von der Him­mels­lei­ter. Gott sprach mit ihm und seg­ne­te ihn auch schon (Gene­sis 28). Aber hier ringt Jakob um den Segen und sein Geg­ner – war das eigent­lich Gott selbst? – seg­net ihn.
Gott kommt, um uns zu ret­ten. Und Jesus kämpft am Kreuz nicht gegen uns und mit uns – er kämpft dort für uns. Er will uns seg­nen und hat es schon ange­kün­digt. Er trägt das schon in sei­nem Namen: Jesus, Jes­hua, der Retter.

Wie ein hoff­nungs­vol­les, ermu­ti­gen­des Bild ist dann die letz­te Sze­ne. Das ist wirk­lich eine Oster­sze­ne – und die­ses Jahr konn­ten wir sie am Ende der Oster­nacht ja ein biss­chen erle­ben: „Als er, Jakob, an Pnuël vor­bei­kam, ging ihm die Son­ne auf.“
Jakob hat gewon­nen. Er lebt. Er hat einen Segen bekom­men. Er hat Gott auf sei­ner Sei­te. Die Son­ne geht ihm auf – und das bedeu­tet mehr, als dass es ein­fach Tag wird. Gott scheint ab sofort über ihm: „Der Herr las­se sein Ange­sicht leuch­ten über dir und sei dir gnä­dig“, so seg­nen wir bis heute.
Wir haben gewon­nen – weil wir an der Sei­te Jesu ste­hen, der den Tod besiegt hat. Er hat für uns gewon­nen. Und uns geht die Son­ne auf. Gott leuch­tet über uns und Jesus ist unser Licht, das Licht der Welt.
Paul Ger­hardt dich­tet ein­mal (Evan­ge­li­sches Gesang­buch 351,15)

Mein Her­ze geht in Sprün­gen und kann nicht trau­rig sein,
ist vol­ler Freud und Sin­gen, sieht lau­ter Sonnenschein.
Die Son­ne, die mir lachet, ist mein Herr Jesu Christ;
das, was mich sin­gen machet, ist, was im Him­mel ist.

Ich schaue mit fra­gen­dem Blick auf Ostern: Kral­le ich mich so an das Leben, das Jesus erwor­ben, erkämpft hat? Kral­le ich mich so an ihn? Hal­te ich ihn so fest?
Hier ist der eine, ein­zi­ge, der den Tod über­wun­den hat. Hier ist der Ein­zi­ge, der mir vol­les Leben geben will und kann. Wenn ich mich an den klam­me­re, bekom­me ich das Leben. Wenn ich mich von dem seg­nen las­se, bin ich wie neu­ge­bo­ren. Wenn ich dem ver­traue, ste­he ich zu neu­em Leben auf – jetzt noch in einem irdi­schen, ver­gäng­li­chen Man­tel und dann sogar ganz neu geschaf­fen. „Wenn du mich seg­nest, Jesus, geht mir die Son­ne auf.“

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