Gott Wirt Mensch

Gedan­ken zu Heiligabend

20141231 Krippe 021Ideen muss man haben. Ein biss­chen die Fan­ta­sie anstren­gen. Krea­tiv wer­den. Immer­hin geht es um Weih­nach­ten. Das ist schließ­lich das wich­tigs­te Fest im Jahr – zumin­dest, was den Kon­sum angeht. Schon seit Sep­tem­ber buh­len die Märk­te um die Gunst der Kun­den, lie­gen Leb­ku­chen im Ein­kaufs­markt, reiht sich Stol­len an Stol­len, fül­len süße und bun­te Ange­bo­te die Son­der­an­ge­bots­flä­chen. Um in die­ser umsatz­stärks­ten Jah­res­zeit mit­zu­hal­ten, muss man sich etwas ein­fal­len lassen.
Ideen muss man haben. Auch für die Geschen­ke. Es soll ja nicht immer das Glei­che sein. Schon lan­ge nicht mehr gefragt ist die SOS-Lösung für den Herrn: Schlips, Ober­hemd, Socken. Wer trägt heu­te noch Schlips? Und man­che Ter­min­pla­nung ver­langt auch nach viel Fan­ta­sie und Krea­ti­vi­tät. Je grö­ßer die Fami­lie, umso schwie­ri­ger wird es manch­mal, alle unter einen Hut zu brin­gen. An Weih­nach­ten muss man ja sagen: Alle unterm einem Baum zusam­men­zu­brin­gen. Es könn­ten durch­aus ein paar Fei­er­ta­ge mehr sein, damit man allen Besuchs­wün­schen nach­kommt. Die­ses Jahr klappt es bes­ser, wir haben drei Fei­er­ta­ge, denn nach den bei­den offi­zi­el­len Weih­nachts­fei­er­ta­gen schließt sich gleich der Sonn­tag an.
Ideen muss man haben, auch was den Platz angeht. Wenn der Platz am Tisch nicht mehr aus­reicht, muss min­des­tens ein grö­ße­rer Tisch her. Oder ein Anbau.

Ideen muss man haben. Schon in der Weih­nachts­ge­schich­te wim­melt es davon, ist Fan­ta­sie gefragt. Wer hät­te zum Bei­spiel dar­an gedacht, dass gera­de eine Steu­er­be­hör­de, qua­si das Finanz­amt, gro­ßen Anteil dar­an hat, dass ein altes Bibel­wort erfüllt wird? Der Hei­land, der Chris­tus soll in Beth­le­hem gebo­ren wer­den. So sag­te es eine Ankün­di­gung des Pro­phe­ten Micha lan­ge vor der Geburt von Jesus aus­ge­spro­chen. Hei­land und Chris­tus – so nennt ja der Engel die­ses Kind, das da zur Welt kommt und zu dem die Hir­ten dann hin­lau­fen. Hei­land – das bedeu­tet: Die­ses Kind bringt Gutes für die Men­schen, macht sie wie­der heil, bringt die Bezie­hung zu Gott wie­der in Ord­nung. Und der Chris­tus ist einer, der von Gott selbst zu einer beson­de­ren Auf­ga­be erwählt ist.
Nach Beth­le­hem nun muss­ten Maria und Josef, in die Stadt, in der schon König David gebo­ren wor­den war, der zwei­te König Isra­els, tau­send Jah­re vor Jesus hat er gelebt und regiert.

„Hat einer eine Idee?“ Ich weiß nicht, ob Gott im Him­mel lan­ge um Rat gefragt hat, wie er Maria und Josef von Naza­reth nach Beth­le­hem schickt. Das ist doch sehr mensch­lich gedacht. Aber der Weg ist schon fan­ta­sie­voll. Die Finanz­be­hör­de, von der wir ja nicht ger­ne hören, gibt eine Auf­for­de­rung her­aus, die uns auch heu­te ganz schön ner­ven wür­de. Jeder soll in sei­ne Geburts­stadt gehen – der Kai­ser braucht eine neue Steu­er­ein­schät­zung. Da muss man erst ein­mal drauf kom­men. Aber die Fol­ge: Jesus, der Hei­land, kommt in Beth­le­hem zur Welt. So soll­te es sein.
Und wie wird die­se Geburt bekannt gemacht? Amts­blatt und Mit­tel­deut­sche Zei­tung gab es noch nicht, geschwei­ge denn ARD und ZDF, MDR und die vie­len pri­va­ten Fern­seh­sen­der. Gott aber hat nicht nur Fan­ta­sie, er hat auch die Mit­tel dazu: Engel sind sei­ne Boten, die direkt vom Him­mel – und ganz ohne Rund­funk­sa­tel­li­ten – die himm­li­sche Bot­schaft unters Volk brin­gen. Gott hat auch Humor und den Blick für die ein­fa­chen Leu­te. Wich­ti­ge Nach­rich­ten, die gar die Welt ver­än­dern, gehö­ren sonst in die Regie­rungs­häu­ser, in die Königs­pa­läs­te, in die Amts­stu­ben. Denn dort muss man ja auf wich­ti­ge Ereig­nis­se reagie­ren. Und sie nöti­gen­falls anpas­sen an die eige­nen poli­ti­schen Zie­le. Gott will aber, dass die Nach­richt direkt ankommt bei allen Men­schen; sie soll gera­de bei denen ankom­men, die oft aus dem Blick gera­ten, die nicht mit­re­den dür­fen und die sel­ten etwas Gutes erfah­ren und bekom­men. So erfah­ren Hir­ten drau­ßen vor der Stadt Beth­le­hem als ers­te von der Geburt Jesu. Kei­ne Stu­dio­auf­zeich­nung vor aus­ge­wähl­tem Publi­kum; live und mit­ten im Leben stellt Gott sich und sei­nen Ret­ter bei denen vor, die oft ver­ges­sen werden.

Aber es sind nicht nur die gera­de­zu und wahr­haft gött­li­chen Ideen, die mich die­ses Jahr an der Weih­nachts­ge­schich­te begeis­tern. Es ist die mensch­li­che und in der Bibel eher nur am Rand erwähn­te, fan­ta­sie­vol­le, hel­fen­de Idee eines ver­mut­lich gestress­ten Men­schen, die mich beschäf­tigt. Noch dazu ist das ein Mensch, der in der Erzäh­lung der Bibel gar nicht vor­kommt, aber im Krip­pen­spiel in der Regel nicht feh­len darf.
Wuss­tet ihr, dass die Wir­te in der Weih­nachts­ge­schich­te aus dem Lukas­evan­ge­li­um gar nicht mit­spie­len? Wohl kommt das Gast­haus vor, die Her­ber­ge, in der kein Raum war. Aber der Wirt oder gar meh­re­re Wir­te wer­den mit kei­nem Wort genannt. Wer Lukas 2 kennt, erin­nert sich.
Der Wirt, der gar nicht vor­kommt in der Geschich­te, aber so oft im Krip­pen­spiel dabei ist, erin­nert mich sehr an uns heu­te. Er hat­te offen­sicht­lich ein vol­les Haus. So erklä­ren wir uns ja bis ins Krip­pen­spiel hin­ein die­sen einen, klei­nen Neben­satz: „…, denn sie hat­ten sonst kei­nen Raum in der Her­ber­ge.“ Da war ein­fach kein Platz mehr, alle Gäs­te­zim­mer belegt.
Wer in den Advents­ta­gen ins Erz­ge­bir­ge fährt und in den berühm­ten Weih­nachts­or­ten wie Seif­fen oder Anna­berg-Buch­holz und ande­ren Raum in der Her­ber­ge sucht, wird auch schwer etwas fin­den. Ist halt Sai­son. „Kein Platz, ist ein­fach so. Wir sind aus­ge­bucht, tut mir Leid. Nächs­tes Jahr ger­ne, aber buchen Sie recht­zei­tig“, so hören es Last-Minu­te-Tou­ris­ten heu­te manch­mal. Viel­leicht hat das der eine oder ande­re ja auch schon erlebt, dass es mit dem Wunsch­ho­tel oder auch nur mit dem gewünsch­ten Ort für den Urlaub nicht geklappt hat. Im End­ef­fekt ist das nicht so tra­gisch, wir haben ja ande­re Mög­lich­kei­ten und wer weiß: viel­leicht ent­deckt man auf die­se Wei­se sogar einen neu­en Ort mit neu­en Sehens­wür­dig­kei­ten und Annehmlichkeiten.

Maria und Josef aber waren gar kei­ne Tou­ris­ten. Die waren unter­wegs, weil die Steu­er­gi­er des Kai­sers sie dazu zwang, nach Beth­le­hem zu rei­sen. Und Maria erwar­te­te jeden Moment ihr Kind. Eine ziem­li­che Not­la­ge. Da war nun Fan­ta­sie gefragt und eine hel­fen­de Idee. Wenn im Krip­pen­spiel meh­re­re Wir­te mit­spie­len, dann sind die meis­ten von ihnen ja ein­fach nur stur und las­sen die Not der wer­den­den Eltern an sich abpral­len. Eine fan­ta­sie­vol­le Lösung fällt ihnen nicht ein, sie suchen auch erst gar nicht danach. Nur einer hat in der Regel Mit­leid und erin­nert sich an den Stall, den er anbie­ten kann.
Was mich an ihm bewegt: Der sieht nicht nur sein vol­les Haus. Der sieht nicht nur die extra Mühe, die ihn erwar­tet. Der ahnt nicht nur, dass die bei­den ihn nicht fürst­lich ent­loh­nen kön­nen, wenn er eine Son­der­leis­tung zur Ver­fü­gung stellt. Der denkt wirk­lich über eine Lösung nach. Der macht sich wirk­lich Gedan­ken, wie er Maria und Josef hel­fen kann.
Viel­leicht ist das mit dem Stall nicht die aller­schöns­te Lösung, aber immer­hin gibt es ein Dach über dem Kopf. Und sieht eine Fut­ter­krip­pe, wenn sie erst ein­mal gerei­nigt, weich aus­ge­legt und mit Decken ein­ge­hüllt ist, nicht sogar ein biss­chen wie eine Baby­wie­ge aus? Klar, auch da spielt nun mei­ne Fan­ta­sie eine Rol­le. Ich den­ke mir, dass der Wirt Tücher und Decken zur Ver­fü­gung stellt. Die hat er ja mehr, als er Bet­ten hat. Und er sorgt auch für etwas zu essen; wer­den schon ein paar Vor­rä­te mehr dage­we­sen sein. Das wäre sonst ein schlech­ter Gast­wirt. Egal, wie viel wir uns über den Wirt aus­den­ken mögen – am Ende steht in der Weih­nachts­ge­schich­te der ein­fa­che Satz: „Maria gebar ihren ers­ten Sohn und wickel­te ihn in Win­deln und leg­te ihn in eine Krip­pe, denn sie hat­ten sonst kei­nen Raum in der Her­ber­ge.“ Aber eben weil ein Wirt Fan­ta­sie hat­te und so eine Lösung fand, hat­ten sie die­sen Raum.

Es ist klar, war­um mich das in die­sem Jahr beson­ders bewegt. Denn in die­sem Jahr sind wir die Wir­te in Deutsch­land und Euro­pa. In die­sem Jahr kamen Ver­trie­be­ne, Geflüch­te­te, Not­lei­den­de, Suchen­de zu uns. Und wir sind wie die Wir­te im Krip­pen­spiel, wie die unge­nann­ten Wir­te in der Weihnachtsgeschichte.
Vie­le haben Fan­ta­sie und sind vol­ler Ideen. Und sie brin­gen für mich eine Men­ge Licht, nicht nur in eine dunk­le Jah­res­zeit, son­dern auch in eine manch­mal recht düs­te­re Situa­ti­on. Da gibt es auch heu­te Men­schen, die sagen: „Ich hab da eine Idee.“
Und dann set­zen sie sich in ihr Auto, packen Werk­zeug ein und rufen einen befreun­de­ten Hand­wer­ker an. Was vor­her noch eine gro­ße Hal­le war – viel­leicht sind das die weih­nacht­li­chen Stäl­le unse­rer Tage – wird so zu einem Raum in der Her­ber­ge. Nicht der schöns­te Raum, aber ein Raum, mit Fan­ta­sie und Ideen gestaltet.
„Ich hab da eine Idee“, sagen man­che, und grün­den eine Initia­ti­ve, die jedes Mal, wenn Flücht­lin­ge in ihren Ort zuge­wie­sen wer­den, da ist. Men­schen, die Flücht­lin­ge zu ihrer Unter­kunft beglei­ten, ihnen ers­te Infor­ma­tio­nen an die Hand geben, eine Klei­nig­keit für sie vor­be­rei­tet haben.
„Ich hab da eine Idee“, sagen ande­re, und klä­ren über Vor­ur­tei­le auf, ermög­li­chen Begeg­nun­gen, bei denen sich Flücht­lin­ge und Ein­hei­mi­sche ken­nen­ler­nen kön­nen, laden zu Begeg­nungs­kaf­fees und Advents­fei­ern ein.„Ich hab da eine Idee“, sagen wel­che, und sor­gen dafür, dass Men­schen ankom­men können.

Wie der Wirt damals. Der gab ein­fach ein paar Men­schen Raum. Das ist ja auch so etwas, was mich an der Weih­nachts­ge­schich­te sehr bewegt. „Gott wird Mensch“, so sagen wir Chris­ten gern. So ein­fach ist Weih­nacht zu erklä­ren – und so kom­pli­ziert zugleich.
Aber der Wirt, der wuss­te das ver­mut­lich gar nicht. Der stell­te nur zwei Men­schen einen Raum zur Ver­fü­gung und mach­te es mög­lich, dass ein drit­ter, klei­ner, völ­lig hilf­lo­ser Mensch, ein Baby eben, in die­ser Welt, in Beth­le­hem ankom­men konn­te. Mehr nicht. Der gab nicht Gott einen Raum. Der gab nur ein paar Men­schen Raum. Aber das ver­än­der­te bis heu­te alles.

So geschah das, was auch heu­te noch der Kern von Weih­nach­ten ist. Weil zwei Erwach­se­ne und ein Baby einen klei­nen Raum beka­men, kam Gott selbst in die Welt. Weil ein Wirt, der schon ein vol­les Haus hat­te, Fan­ta­sie, eine Idee und gewiss auch ein gutes Herz hat­te, kam Gott selbst bei ihm an. Weil da ein Mensch ein­fach nur mensch­lich – human! – han­del­te, berühr­te der Him­mel die Erde.

Genau das zei­gen uns Krip­pen­spiel und Schwipp­bö­gen, kunst­vol­le Weih­nachts­krip­pen unterm Weih­nachts­baum und auf der Fens­ter­bank: Es braucht nur ein wenig Raum, und Gott selbst kommt zur Welt. Er braucht dazu kei­ne fal­sche Idyl­le, wie wir sie uns ger­ne vor­stel­len bei all den Schnitz­wer­ken und kunst­voll bemal­ten Kost­bar­kei­ten erz­ge­bir­gi­scher und bay­ri­scher und ande­rer Kunst. Die sind schön, die sind lieb­rei­zend – und ganz gewiss auch zu Recht. Denn sie grei­fen den Gruß der Engel auf: Frie­de soll auf Erden sein. Den darf man so darstellen.
Aber Gott war­tet nicht auf die Idyl­le. Er kommt ins Cha­os, dort­hin, wo es auch Ableh­nung und böse Wor­te gibt, wo Stie­fel dröh­nen und Fackeln Unheil ankün­den. Er braucht kei­ne Idyl­le. Er braucht nur ein wenig Raum in Her­zen, die Mut und Fan­ta­sie haben. Er braucht kei­ne hei­le Welt im Vor­feld. Er braucht nur Men­schen, die ihm zutrau­en, dass er die Welt hei­len kann. Er braucht Men­schen, die ein­fach nur mensch­lich und barm­her­zig sind, die ein wenig die Tür öff­nen, die einen Raum für ande­re haben in ihren Her­zen und in ihrem All­tag. Egal wie klein die­ser Raum ist – wenn Gott ihn betritt, kommt der gan­ze Him­mel hinein.

Und so wün­sche ich es mir, dass wir an die­sem Hei­lig­abend gera­de von dem Wirt ler­nen, der gar nicht in der Weih­nachts­er­zäh­lung aus­drück­lich genannt wird. Gott kommt zu uns – und er kommt als Mensch, der Raum in unse­ren Her­zen sucht.

Amen.

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