Ein Wort ver­än­dert alles

Heu­te schon Dan­ke gesagt?
Ums Dan­ken ging es beim Got­tes­dienst in der Schloss­kir­che zu Wittenberg.
Und vor der Pre­digt wur­de das Evan­ge­li­um für das Ern­te­dank­fest gese­hen, Mar­kus 8,1–9.

Pre­digt zu 1. Timo­theus 4, 4–5

„Fisch? Es gibt Fisch? Den mag ich nicht.“ „Brot? Nur Brot? Was ist das für ein Ser­vice hier?“ Vier­tau­send sind satt gewor­den. Ob da auch man­che dar­un­ter waren, die kei­nen Fisch moch­ten? Der zart­füh­len­de, höf­li­che Mar­kus sagt es uns nicht. Aber so unge­wöhn­lich wäre es nicht.
Als Kind und Jugend­li­cher moch­te ich kei­ne Toma­ten. Doch galt bei uns zuhau­se die Regel, dass alles pro­biert wird. Es waren kei­ne Unmen­gen, vor denen wir dann stun­den­lang hät­ten sit­zen müs­sen. Aber pro­bie­ren muss­te sein. Drei Schei­ben Toma­ten – so war die Regel. Nach einer Pau­se mit genü­gend Abstand zu den Toma­ten mei­ner Kind­heit habe ich sie schät­zen gelernt – mit Moz­za­rel­la und Basi­li­kum, mit Pfef­fer und Salz, im Salat, auf der Piz­za, im Ome­lett, getrock­net, in Öl ein­ge­legt und was noch alles. Lecker.

Gut, dass es Toma­ten gibt. Und so viel ande­res. Das Ern­te­dank­fest zeigt uns einen klei­nen Aus­schnitt der guten Gaben, die Gott uns schenkt. Und auch wenn nicht jedem alles schme­cken mag – wir sind dank­bar für Äpfel und Nüs­se, für Salat und Kohl, für Getrei­de und Karot­ten, für Kür­bis­se und Kar­tof­feln. Ein­mal im Jahr wer­den wir beson­ders dar­an erin­nert, dass Gott uns reich­lich ver­sorgt. Und die­se Erin­ne­rung ist bunt. Ern­te­dank­ti­sche sind etwas herr­lich Schönes.
In einer der Gemein­den, in denen ich vor Wit­ten­berg gear­bei­tet habe, schrie­ben die­je­ni­gen, die die Kir­che geschmückt haben, immer ein gro­ßes „Dan­ke“ mit Kar­tof­feln vor alle ande­ren Ern­te­ga­ben. In einer ande­ren Kir­che rahm­ten gan­ze Mais­stan­gen die Ecken zum Chor­raum. Und wie­der in einer ande­ren lagen auf dem brei­ten Rand des Tauf­stei­nes Äpfel, Bir­nen und ande­res Obst, immer schön abwech­selnd. Man­che mögen strei­ten, ob man den Tauf­stein als Ern­te­dank­tisch nut­zen darf. Aber es sah schön aus.

Dan­ke Gott für die Viel­falt. Und dan­ke für alle, die dar­an gear­bei­tet haben. Dan­ke den Men­schen im Super­markt, die die Rega­le immer wie­der fül­len. Dan­ke denen, die auf Wochen­märk­ten die herr­li­chen Früch­te und Brot, Käse und Wurst ver­kau­fen. Dan­ke den LKW-Fah­rern, die noch in der Nacht Sachen anlie­fern, damit wir sie haben.
Dan­ke den Bau­ern, die Knob­lauch und Getrei­de, Kar­tof­feln, Rüben, Spar­gel, Obst anbau­en und mit viel Mühe und Sor­ge über die Früch­te wachen.
Dan­ke auch denen, die das alles ver­ar­bei­ten, die Brot backen und Kon­ser­ven her­stel­len, die Nudeln zube­rei­ten und lecke­ren Pud­ding. Dan­ke, Gott!
Und – wenn ich schon beim Dan­ken bin: Dan­ke all den­je­ni­gen, die für die­sen Got­tes­dienst Gaben in die Kir­che gebracht haben und denen, die das so schön auf­ge­baut haben, damit wir es sehen können.

„Alles, was Gott geschaf­fen hat, ist gut, und nichts ist ver­werf­lich, was mit Dank­sa­gung emp­fan­gen wird; denn es wird gehei­ligt durch das Wort Got­tes und Gebet.“

Die­se geschlif­fe­nen Wor­te sind nicht aus mei­ner Feder geflos­sen. Pau­lus hat es an sei­nen Mit­ar­bei­ter und Freund Timo­theus geschrie­ben, nach­zu­le­sen: 1. Timo­theus 4, 4–5.
„Alles, was Gott geschaf­fen hat, ist gut.“ Auch die Toma­ten. Auch der Fisch. Aber auch die Spin­nen und Stechmücken?
Ich über­le­ge, wie das wohl im Para­dies gewe­sen ist. Adam und Eva lau­fen durch den schö­nen Gar­ten und kom­men an einem Geflecht aus Spin­nen­fä­den vor­bei. Und anders als bei India­na Jones, wo in der Regel die Prot­ago­nis­tin­nen dann anfan­gen zu krei­schen, freut sich Eva und lobt die Web­kunst der acht­bei­ni­gen Künst­le­rin­nen. Und Adam bewun­dert die tech­ni­sche Meis­ter­leis­tung, die Reiß­fes­tig­keit des Gewe­bes und den Her­stel­lungs­pro­zess. Dan­ke, Gott, für die Meis­ter­klas­se der Spinnen.

Zwi­schen Pau­lus und Timo­theus gab es aber noch ein ande­res The­ma. Man­che in den Gemein­den waren auf die Idee gekom­men, dass für Chris­ten nicht alles erlaubt ist. „Ihr sollt die­ses nicht essen und jenes nicht trin­ken. Ihr müsst mehr fas­ten. Trefft euch nicht mit bestimm­ten Men­schen. Hei­ra­tet nicht“ So sag­ten sie (1. Timo­theus 4,1–3). Und Pau­lus ist ent­setzt. Gott hat alles geschaf­fen. Und was er gemacht hat, ist gut. „Nichts davon ver­ach­tet. Nichts davon macht klein!“
Er kann­te sei­ne Bibel. Und er hat auch die ers­ten Sei­ten im Kopf, auf denen von der Schöp­fung berich­tet wird. Fünf­mal heißt es dort: „Und Gott sah, dass es gut war.“ Und am Schluss, als auch die Men­schen da sind, steht dort: „Gott sah an alles, was er gemacht hat­te, und sie­he, es war sehr gut.“ (1. Mose 1,31) Alles, was Gott geschaf­fen hat, ist gut.“

Was mich nach­denk­lich macht: Wie ent­de­cke ich denn, dass gut ist, was Gott gemacht hat? Einen Weg zeigt Pau­lus auf: Ich ler­ne es, indem ich Gott dan­ke sage. Wenn ich für etwas dank­bar bin, ver­än­dert es mei­ne Sicht dar­auf. Ich neh­me es anders wahr. Um aber für etwas zu dan­ken, muss ich es auch erst ein­mal bemer­ken, muss es wahr­neh­men – sehen oder hören, rie­chen oder schme­cken oder spüren.
Was wäre das für ein komi­sches Ver­hal­ten, wenn mir jemand eine Tafel Scho­ko­la­de gibt – ich mag Scho­ko­la­de – und ich schaue ihn nicht ein­mal an. Ich dad­de­le auf mei­nem Mobil­te­le­fon her­um, habe mehr Inter­es­se an lus­ti­gen Kaf­fee­sprü­chen und Kat­zen­vi­de­os, als an dem, der mir etwas Gutes tut.
Aber schaue ich auf, lege ich das Smart­phone zur Sei­te, bli­cke mei­nem Gegen­über in die Augen und neh­me die Scho­ko­la­de bewusst ent­ge­gen, pas­siert etwas gera­de­zu Heiliges.

Ich habe einen Moment über­legt, ob ich das Wort hier neh­me, aber ja: das ist etwas Hei­li­ges. Denn hei­lig bedeu­tet: Ich neh­me etwas her­aus aus dem all­ge­mei­nen Gewüh­le der Welt und gebe ihm einen beson­de­ren Raum. Die Scho­ko­la­de und der Mensch, der sie mir gibt: Bei­de hebe ich her­aus aus dem All­tag, der mich umgibt. Für ein paar Sekun­den gibt es nur uns zwei und die Scho­ko­la­de. Danach geht der All­tag wei­ter. Aber anders. Durch einen Moment Auf­merk­sam­keit ist er ver­än­dert. Durch ein Wort: „Dan­ke.“

Hat die­ses klei­ne Wort solch eine Kraft? Ist dar­um das Ern­te­dank­fest so wich­tig? Was geschieht da? Beim Ern­te­dank­fest brin­gen Men­schen Gaben in die Kir­che. Sie neh­men sie her­aus aus ihrem gewohn­ten Platz. Sonst ste­hen die Äpfel viel­leicht in der Küche. Der Reist steht im Küchen­schrank, die Kar­tof­feln lie­gen viel­leicht im Kel­ler. Aber heu­te ste­hen die Gaben in der Kir­che. Hier ist kein Herd, um zu kochen. Hier gibt es kei­ne Kaf­fee­ma­schi­ne – dar­über soll­te man aller­dings mal nach­den­ken (schmun­zeln erlaubt). Es ist nicht der all­täg­li­che Raum. Es ist ein beson­de­rer Raum. Und auch wenn wir Evan­ge­li­sche uns damit ein biss­chen schwe­rer tun: Die Kir­che ist doch ein hei­li­ger Raum und der Got­tes­dienst ist eine hei­li­ge Zeit.

Ich glau­be, dass wir so etwas in jedem Moment machen, in dem wir Gott für etwas dan­ken. Da baut das Wort „Dan­ke“ einen hei­li­gen Raum auf und für einen Moment in der Zeit bricht Got­tes Hei­lig­keit durch. Denn wir stel­len ihm die­sen Moment, die­se Gabe, die­sen Raum zur Ver­fü­gung. „Dan­ke, Gott“, sage ich und kann ihn auf ein­mal sehen. Nicht als Per­son, nicht als Aura oder Licht­glanz oder ande­res. Aber ich sehe hin­ter einer guten Gabe den, der sie geschaf­fen hat. Ich sage „Dan­ke, Gott“, und wer­de mir dar­über klar: Der ist jetzt hier. Der steht mir gegen­über mit die­ser Gabe und ich sehe ihn – durch die Gabe hin­durch, als Urhe­ber der Gabe.

Sol­che Gaben kön­nen viel mehr sein als Brot und Wein, Reis und Obst und Fisch. Das Licht der Son­ne und der Regen sind Got­tes Geschenk, der Wind und die Wär­me sind von ihm. Der Mensch, der mir zulacht und der, der mich vor einer Gefahr warnt, sind Got­tes Geschenk. Die Musik, eine der größ­ten, wun­der­bars­ten Gaben über­haupt. Wenn ich dan­ke sage – schon einem Men­schen und ganz gewiss, wenn ich Gott dan­ke sage, dann öff­net sich der Blick auf Got­tes Herrlichkeit.

Mehr noch. Nicht nur ich sehe etwas von Got­tes Güte. Das strahlt doch aus. Ein dank­ba­rer Mensch ver­brei­tet um sich her­um Licht. Ein dank­ba­rer Mensch nimmt ande­re mit hin­ein in die Herr­lich­keit und Hei­lig­keit Gottes.
Ist das nicht zu fett auf­ge­tra­gen? Ich glau­be, dass wir der Dank­bar­keit viel mehr zutrau­en können.
Einer der Psalm­be­ter, Asaf, sagt über Got­tes Ein­stel­lung zum Dan­ken: „Wer Dank opfert, der prei­set mich, und da ist der Weg, dass ich ihm zei­ge das Heil Got­tes.« (Psalm 50,23) Wenn wir Dan­ke sagen, zeigt Gott uns sein Heil. Wenn ich Gott sehen will, dan­ke ich ihm für alle Gaben. Und mir gehen die Augen für alles Gute auf, je mehr ich das übe.

Damit sind wir wie­der ganz beim Anfang – dem Wochen­spruch: „Aller Augen war­ten auf dich, und du gibst ihnen ihre Spei­se zur rech­ten Zeit.“ (Psalm 145, 15)
Augen auf – schaut auf das, was Gott uns gege­ben hat. Augen auf – hofft auf das, was Gott ver­spro­chen hat.
Augen auf – Gott beschenkt uns. Augen auf für Got­tes Liebe.
Augen auf auch für die, die um mich, die um sie her sind: Men­schen, die Sie ken­nen oder denen Sie gele­gent­lich begeg­nen. Und Men­schen, die Sie zuvor noch nie gese­hen haben.
Und ich ergän­ze: Dankt Gott. Für die Natur. Und ihr seht sie in neu­em Licht – im Licht der Schöp­fung, als alles gut war. Und ihr nehmt sie in Schutz, weil sie Got­tes gute Schöp­fung ist.
Dankt Gott. Für die Men­schen. Eure Fami­lie und Freun­de. Für die Arbeits­kol­le­gen. Für die Men­schen, die neu in unse­rer Stadt sind. Und ihr seht sie in neu­em Licht – im Licht der Schöp­fung, als alles sehr gut war. Und ihr nehmt sie in Schutz, weil es Got­tes Men­schen sind, jeder ein­zel­ne wür­dig und kostbar.
Dank Gott. Und ihr han­delt als die­je­ni­gen, die Gott selbst hei­lig gespro­chen hat. Dankt Gott und ihr ver­än­dert die Welt, weil der Dank euch verändert.
Dankt Gott. Das ist euer Vor­recht und eure Stär­ke. Dankt Gott – und Got­tes Herr­lich­keit, sei­ne Lie­be, sei­ne Schön­heit, sei­ne Hei­lig­keit wird um euch und an euch sichtbar.

„Alles, was Gott geschaf­fen hat, ist gut, und nichts ist ver­werf­lich, was mit Dank­sa­gung emp­fan­gen wird; denn es wird gehei­ligt durch das Wort Got­tes und Gebet.“

TEILEN :

Facebook
WhatsApp
Twitter
Email

Mehr Beiträge

Generic selectors
Exact matches only
Search in title
Search in content
Post Type Selectors
Filter by Categories
Advent
Allgemein
Altmark
Augenblicke
Bamberg
Bautzen
Bei anderen gelesen
Berlin
Bibel
Blumen
Bremen
Bremerhaven
Celebrate
Dies und Das
Dies und Das
Dresden
Drübeck im Harz
Eisenach
Erfurt
Events
Familie
Festliches
Fotobeiträge
Frankenberg
Frankfurt a.M.
Frühling
Gesehen
Görlitz
Hamburg
Harz
Herbst
Herrnhut
Karabambini
Karambolage
Kirchenkreis NMB-ZZ
Kirchens
Köln
Konstanz
Kulinarisch Gastlich
Kunst und Kultur
Leipzig
Licht
Lübeck
Luther
Mainz
Marburg
Müritz
Musik
MUTH
Nacht
Natur
Naumburg
Orgel
Ostsee
Ostseestrand
Passion
Potsdam
Prag
Predigt
Region NöZZ Zeitz
Regionalkonvent
Rostock
Rund um Zuhause
Schule
Schweden
Seiffen
Sommer
Stadtansichten
Stralsund
Stuttgart
Technik
Textbeiträge
Tierisch
Tour d'Est
Tübingen
Unterwegs
Urlaub
Vogelsberg
Warnemünde
Was Pfarrer so reden
Wasser
Weihnacht
Weimar
Winter
Wismar
Wittenberg
Wolfenbüttel
Worms
Zeitz
Zoo