Ein Kreuz mit dem Kreuz

1. Korin­ther 1,18–25

18 Denn das Wort vom Kreuz ist eine Tor­heit denen, die ver­lo­ren wer­den; uns aber, die wir selig wer­den, ist es Got­tes Kraft. 19 Denn es steht geschrie­ben (Jesa­ja 29,14): »Ich will zunich­te­ma­chen die Weis­heit der Wei­sen, und den Ver­stand der Ver­stän­di­gen will ich ver­wer­fen.« 20 Wo sind die Klu­gen? Wo sind die Schrift­ge­lehr­ten? Wo sind die Wei­sen die­ser Welt? Hat nicht Gott die Weis­heit der Welt zur Tor­heit gemacht? 21 Denn weil die Welt durch ihre Weis­heit Gott in sei­ner Weis­heit nicht erkann­te, gefiel es Gott wohl, durch die Tor­heit der Pre­digt selig zu machen, die da glauben.

22 Denn die Juden for­dern Zei­chen und die Grie­chen fra­gen nach Weis­heit, 23 wir aber pre­di­gen Chris­tus, den Gekreu­zig­ten, den Juden ein Ärger­nis und den Hei­den eine Tor­heit; 24 denen aber, die beru­fen sind, Juden und Grie­chen, pre­di­gen wir Chris­tus als Got­tes Kraft und Got­tes Weis­heit. 25 Denn die gött­li­che Tor­heit ist wei­ser, als die Men­schen sind, und die gött­li­che Schwach­heit ist stär­ker, als die Men­schen sind.

 

Pre­digt zu 1. Korin­ther 1,18–25

(Der Pre­digt vor­aus geht die Lesung von Lukas 5,1–11)

Wie ist das mit dem Glau­ben? Was löst den Glau­ben eigent­lich aus? Und – wor­an glau­ben wir? Letz­te­res leicht zu beant­wor­ten sein, etwa mit dem Glau­bens­lied „Wir glau­ben Gott im höchs­ten Thron” (Evan­ge­li­sches Gesang­buch Nr. 183) oder mit dem Bekennt­nis, das meis­tens im Got­tes­dienst gespro­chen wird. Das hat Gene­ra­tio­nen beglei­tet und ist eine gemein­sa­me Grund­la­ge durch Jahr­hun­der­te und auch über Kon­fes­si­ons­gren­zen hin­weg. Ein Mini­mal­kon­sens, kon­zen­triert wie ein Brüh­wür­fel. Wir glau­ben an Gott – er ist Schöp­fer der Welt. Wir glau­ben an Jesus. Er ist Got­tes Sohn. Er ist unser Erlö­ser. Er ist Mensch und Gott in einem. Wir glau­ben an den Hei­li­gen Geist. Er ist die Stim­me Got­tes in uns. Er ist der Lebens­atem für unse­re Seele.

Aber: Geht das auch kon­kre­ter? Was wohl Petrus glaub­te, als er Jesus zu Füßen fiel (Lukas 5,1–11). Jesus hat­te ihn über­rascht. Und ich den­ke, dass da mehr war als nur der Fisch­zug. Hat Petrus plötz­lich durch­ge­blickt? Zuerst erkennt er sich selbst. Ein Sün­der. Ein Licht über sich geht ihm auf. Und der die­ses Licht bringt, ist Jesus. Spä­ter ein­mal wird Jesus die Jün­ger fra­gen, was sie über ihn den­ken (Mat­thä­us 16,13–16). „Was sagt ihr denn, wer ich bin?“ Die Mei­nun­gen der Leu­te über Jesus hat­ten sie schon aus­führ­lich bespro­chen. Ein Pro­phet viel­leicht? Elia etwa, ein Held und Bot­schaf­ter Got­tes aus den Königs­ta­gen. Oder Johan­nes der Täu­fer, wie­der von den Toten auf­er­stan­den? Der hat­te Hero­des die Stirn gebo­ten und war ermor­det wor­den. Könn­te doch sein, sagen die Leu­te. Jesus ist genau­so wort­ge­wal­tig und furcht­los. Petrus bringt es auf den Punkt: Du bist der Chris­tus. Also der Gesalb­te Got­tes, der Mes­si­as. Drei Spra­chen – eine Bedeu­tung: der, der von Gott aus­er­wählt wur­de, die Men­schen zu ret­ten und Got­tes Reich sicht­bar auf die Erde zu bringen.

Wie ist das mit dem Glau­ben? Und was glau­ben wir? Pau­lus hat sich dazu sei­ne Gedan­ken gemacht – und er hat­te dazu die Gemein­de in Korinth im Blick. Korinth. Hafen­stadt. Römi­sche Kolo­nie. Da steppt der Bär in jeder Hin­sicht. Das Leben pul­siert, die Kul­tu­ren von Ost und West, von Nord und Süd tref­fen auf­ein­an­der. See­fah­rer und Land­ra­ten tau­schen ihr Wis­sen und ihre Ent­de­ckun­gen aus. Geschich­ten machen die Run­de. Ansich­ten am Stamm­tisch und unter den Bür­gern und Gelehr­ten über­bie­ten sich. Phi­lo­so­phie wird groß­ge­schrie­ben. Man protzt mit Bil­dung und Erleb­nis­sen, macht sich selbst groß und grö­ßer und misst sich an ande­ren. Und dann kommt da so ein Glau­be um die Ecke, schleicht sich in die­se viel­schich­te Gesell­schaft ein. Men­schen reden von einem, der Gott ist und der gekreu­zigt wur­de. Das ist mehr als ver­wir­rend. Das ist gro­tesk. Das ist doch Unsinn. Ein Gott fällt nicht in Men­schen­hän­de. Sonst wäre er ja nicht Gott. Göt­ter ste­hen über den Din­gen und sie ste­hen kei­nes­falls unter Menschen.

Die Chris­ten in Korinth haben es schwer mit die­ser Kri­tik. Die ist ja nicht leicht zu ent­kräf­ten. Kann man den Glau­ben an Jesus nicht ein biss­chen anpas­sen? Ihn wenigs­tens etwas mode­ra­ter ver­kün­di­gen? Pau­lus ist sich die­ser Her­aus­for­de­rung bewusst. Ihm begeg­net sie ja auch in ande­ren Orten. Er selbst war ein­mal Teil die­ser kri­ti­schen Gesell­schaft. Damals ver­folg­te er die Chris­ten, weil sie sei­nen jüdi­schen Glau­ben her­aus­for­der­ten (Apos­tel­ge­schich­te 9,1f.). „Den Juden ein Ärger­nis“, schreibt er in Vers 23; ein Skan­da­lon heißt es wört­lich. Denn die­ser Jesus schafft die Opfer ab. Er ist das ein­zi­ge Opfer. Er hebt die Tren­nung zwi­schen Gott und Mensch auf – und zwar zwi­schen Gott und jedem Men­schen, Juden wie Hei­den. Das tolls­te: es kos­tet nichts. Er macht ein­fach die Him­mels­tür auf und wer will, geht hin­ein zu Gott. Direkt, ohne Umwe­ge, ohne Ver­mitt­lung durch einen Pries­ter, ohne Opfer­tie­fe oder Geld oder das Fleiß­kärt­chen mit guten Wer­ken. „Jesus nimmt die Sün­der an“ heißt ein Lied im Gesang­buch. Und die Evan­ge­li­en erzäh­len oft, wie Jesus mit den Sün­dern am Tisch sitzt, wie er sich mit Zöll­ner ver­ab­re­det zum Essen, römi­schen Haupt­leu­ten genau­so zur Sei­te steht wie Syn­ago­gen­vor­ste­hern. Skan­dal. Da fällt einem nichts mehr ein.

Und den Grie­chen? In Athen erzählt Pau­lus vom unbe­kann­ten Gott (Apos­tel­ge­schich­te 17,16 ff.). Da gab es einen Altar in der Stadt. Man kann ja nie wis­sen bei die­sem unüber­sicht­li­chen Göt­ter­him­mel. Bloß kei­nen ver­ges­sen. „Ich brin­ge euch die­sen unbe­kann­ten Gott. Der hat sei­nen Sohn geschickt. Der wur­de gekreu­zigt – für uns. Und er ist auf­er­stan­den von den Toten – für uns. Damit wir leben.“ Ok, Pau­lus. Ist gut. Rau­che weni­ger Gras, komm auf den Boden. Halt dich an die alten Regeln. Und ver­scho­ne uns mit Göt­tern, die gekreu­zigt wer­den und Men­schen, die von den Toten auferstehen.

Pau­lus weiß, was er schreibt. Er kennt die Anfein­dun­gen. Die gro­ße Her­aus­for­de­rung: Wir wür­den unse­ren Glau­ben ger­ne anpas­sen, den Skan­dal und die Tor­heit, die Men­schen ver­spü­ren, her­aus­neh­men. Jesus, der Men­schen­freund – das genügt doch. Jesus der Wun­der­tä­ter – super. Da wer­den alle satt und gesund. Jesus, der Kri­ti­ker der Mäch­ti­gen – das ist nötig, die Macht­ha­ber uner­schro­cken an ihre Ver­ant­wor­tung zu erin­nern. Reicht doch, Pau­lus, oder? Ja, wenn wir uns Got­tes Weg mit sei­ner Mensch­heit aus­den­ken könnten.

Aber auch da, trotz aller unse­rer mensch­li­chen Kri­tik, zeigt sich Gott. Er ist Gott. Er hat sei­nen Weg ein­ge­schla­gen. Und der führt übers Kreuz – es mag uns noch so unlo­gisch vor­kom­men. Es mag noch so wenig öffent­lich­keits­wirk­sam sein. Gott bleibt dabei: Jesus Chris­tus, der Gekreu­zig­te und Auf­er­stan­de­ne, ist sein Sohn. Und genau der ist der Erlö­ser – mein Erlö­ser, unser Erlö­ser. Dahin­ein schreibt Pau­lus und for­dert sei­ne Korin­ther auf, dran­zu­blei­ben. Er for­dert auch uns auf, an die­sem einen Jesus dran­zu­blei­ben. Ver­sucht nicht, euch Jesus zurecht­zu­bie­gen, solan­ge, bis er in eure Vor­stel­lung hin­ein­passt. Glau­ben heißt ande­res. Glau­ben bedeu­tet: Ich ver­traue dem Weg Got­tes zu mir und mache mich auf den Weg zu ihm. Die­ser Weg fängt beim Kreuz an. Dort lege ich mei­ne Vor­schlä­ge für Gott ab – wie er mich und die Welt auch erlö­sen könn­te. Denn mei­ne Ver­schlimm­bes­se­rungs­vor­schlä­ge ver­stel­len mir den Blick auf das, was das Kreuz bedeu­tet. Gott zeigt sei­ne Lie­be zu mir unmiss­ver­ständ­lich, klar, gera­de­zu schmerz­haft auf den Punkt gebracht. Sei­ne Lie­be heißt: Mein Leben für deins.

Klar wür­de auch ein Gott funk­tio­nie­ren, wäre denk­bar, der anders rech­net. Ja, der über­haupt rech­net, näm­lich auf­rech­net. So war ja das alte Opfer­ge­sche­hen gedacht. Stiehlst du ein Huhn, musst du das Huhn oder sei­nen Wert zurück­ge­ben und dei­nem Gott hast du auch einen Obo­lus zu zah­len für den Scha­den, den du der Welt­ge­rech­tig­keit zuge­fügt hast. Ver­letzt du einen ande­ren, dann kos­tet es dich das Glei­che: Auge um Auge, Zahn um Zahn, Leben um Leben. Das ist gerecht. Du musst halt auch dem Gott die­ser Art Gerech­tig­keit etwas bezah­len. Denn ihn hast du auch beleidigt.

Wel­chen Wert aber hat mein Leben für Gott? Mit wie vie­len Tau­ben, Scha­fen oder Rin­dern lässt es sich auf­rech­nen? Was ist mein Braut­preis? Fünf Kame­le und drei Scha­fe? So rech­ne­ten die meis­ten damals. Und wohl auch noch heu­te. Jeder hat sei­nen Preis. Das leh­ren und Agen­ten­fil­me und die Mafia, das leh­ren uns kor­rup­te Auto­bau­er und Poli­ti­ker. Und wir fal­len dar­auf rein. Bei Gott aber gibt es nur einen Preis – und der liegt jen­seits mei­ner Vor­stel­lungs­kraft. Ich bin Gott so viel Wert, wie sein eige­ner Sohn. Ich bin Gott so viel Wert, dass er mit sich selbst bezahlt. Das sprengt den Ver­stand. Jeder Mensch ist ihm so viel Wert. Sei­ne Lie­be ist so groß, dass er selbst mit sei­nem eige­nen Leben für mein Leben bezahlt.

Zum einen zahlt er das Löse­geld. Er kauft mich frei von mei­ner Schuld. Über die­sen Ein­satz kann die schlimms­te Ankla­ge nicht hin­aus­kom­men. Das Leben Jesu wiegt alles auf, was je ein Mensch ver­kehrt gemacht hat. Gott wiegt alles auf. Kei­ne ein­zi­ge For­de­rung bleibt offen. Zum andern zahlt Gott den Braut­preis. Das Wort „Bräu­ti­gams­preis“ gibt es ja nicht – glau­be ich jeden­falls. Gott liebt dich und mich so sehr, dass er dafür alles auf den Tisch legt und nichts mehr für sich behält.

Lie­be ist die Ursa­che für das Kreuz. Eine Lie­be, die so voll­kom­men mensch­lich unlo­gisch ist, dass wir sie nur glau­ben kön­nen. Erklä­ren? Das geht nicht. Schon die­se Gedan­ken eben strei­fen die Grö­ße von Got­tes Lie­be nur am Ran­de. Got­tes Lie­be steht hin­ter dem Kreuz. Es bleibt Ärger­nis und Tor­heit für jeden, der die­ser Lie­be nicht trau­en kann oder nicht trau­en will. Aber wer die­se Lie­be dahin­ter ent­deckt, für den wird das Zei­chen der Lie­be, das Kreuz zu einer unver­gleich­li­chen Kraft­quel­le. „Got­tes Kraft“ schreibt Pau­lus, Dyna­mis im Grie­chi­schen. Die Lie­be Got­tes ist Dyna­mit. Sie sprengt unse­re Vor­stel­lun­gen. Sie sprengt Vor­ur­tei­le, sie sprengt Ver­ur­tei­lun­gen und Ket­ten. Und sie bringt uns in Bewe­gung, macht uns leben­dig. Die­se Lie­be ist dyna­misch, sie braucht Bewe­gung, sie braucht Platz, sucht Wege, ist unter­wegs zu Men­schen. Das geht aber nur, wenn wir das Kreuz auch ste­hen las­sen. Machen wir Jesus zum Super­men­schen, fehlt die Lie­be Got­tes. Neh­men wir das Kreuz weg und machen das Evan­ge­li­um an der Stel­le ver­träg­li­cher, dann neh­men wir letzt­lich Got­tes Lie­be her­aus. Dann ver­liert es an Kraft und wird letzt­lich bedeutungslos.

Ja, es ist schwer, das aus­zu­hal­ten. Wir hät­ten lie­ber einen Gott, der mit der Faust drein­schlägt, der alle Din­ge auf ein­mal zum Bes­ten bringt, der die Bösen mal klar abstraft und die Guten mal klar belohnt. Ein Rechen­meis­ter­gott. Der wäre ein­fa­cher zu glauben.

Schwer ist es, das Kreuz zu ertra­gen. Denn es heißt, dass wir uns als Chris­ten, als Nach­fol­ger Jesu, als sei­ne Kir­che unter sein Kreuz stel­len. Wir ver­ste­cken es nicht ver­schämt unterm Hemd als klei­nes Schmuck­stück. Wir ste­hen drun­ter. Wenn Jesus, dann die­ser Jesus, der gekreu­zigt wur­de. Und der von den Toten auf­er­stan­den ist. Sei­ne Lie­be besiegt unse­ren Tod. Und Got­tes Vater­lie­be besiegt Jesu Tod. Am Ende näm­lich bleibt die Lie­be übrig (1. Korin­ther 13,13). Und durch sie das Leben. Das Zei­chen dafür ist das Kreuz. Wer das glaubt, wird selig.

Amen.

Foto: Chris­tus­sta­tue Michae­lis­kir­che Hil­des­heim, Mat­thi­as Keil­holz 2021

 

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