Wär’n wir doch dabeigewesen, damals an Ostern. So kann man das doch nicht glauben. Allerdings: Schon die Menge der ersten Christenheit glaubt, weil sie zuhört, weil andere glaubhaft erzählt haben. Ein paar Gedanken zu einem Brief von der Auferstehung Jesu.
Aber zuerst einmal einer der Auferstehungsberichte, der vom Evangelisten Markus (Kapitel 16,1–8):
Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria Magdalena und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben. Und sie kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging. Und sie sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür? Und sie sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war; denn er war sehr groß.
Und sie gingen hinein in das Grab und sahen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein langes weißes Gewand an, und sie entsetzten sich. Er aber sprach zu ihnen: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten. Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingeht nach Galiläa; da werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat. Und sie gingen hinaus und flohen von dem Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemand etwas; denn sie fürchteten sich.
Gedanken zu 1. Korinther 15,1–11
Es ist überraschend, wie Markus seine Ostergeschichte beendet. Erst einmal redet keiner drüber. Da steht einer von den Toten auf – und die Frauen sagen nichts. Aber lange hat das nicht gehalten. Es macht die Runde. „Hast du schon gehört?“ „Was denn?“ „Jesus.“ „Ja? Nu mach schon. Rede. Was ist?“ „Der ist weg. Verschwunden. Das Grab ist leer.“ „Meinst du der ist … Meinst du, der ist wirklich …? Meinst du wirklich der ist – auferstanden?“ „Genauso!“ Sagen die Frauen – Maria, Martha, Magdalena, Salome und die anderen alle. Sagen auch Petrus, Johannes, Jakobus, Andreas, Philippus, Simon, Nathanael und überhaupt alle. Sogar Thomas, der nie etwas einfach so glaubt. Lange hat das Schweigen also nicht gehalten. Und irgendwann ist es sogar bis zu Paulus vorgedrungen, als der noch Saulus hieß und sich dann zu Jesus Christus bekehrte – oder muss man eher sagen „bekehrt wurde“? Schließlich fiel Paulus vom Pferd, als ihm der auferstandene Christus höchst persönlich begegnete. Aber das ist eine andere Geschichte.
Einmal schreibt Paulus über Ostern und gibt uns einen spannenden Einblick in die Verbreitung der Ostergeschichte. Hören wir einmal darauf auf seine Gedanken im 1. Korintherbrief. Denn da hat er ein ganzes Auferstehungskapitel drin, das 15. Kapitel.
Brüder und Schwestern, ich will euch auf die Gute Nachricht hinweisen, die ich euch verkündet habe. Ihr habt sie ja angenommen, und ihr steht fest auf diesem Grund. Ihr werdet gerettet, wenn ihr daran festhaltet. Bewahrt den Wortlaut, den ich euch verkündet habe. Wenn ihr das nicht tut, wärt ihr vergeblich zum Glauben gekommen. Was ich euch weitergegeben habe, habe ich selbst als Überlieferung empfangen. Grundlegend ist:
Christus ist für unsere Sünden gestorben, wie es in der Heiligen Schrift steht. Er wurde begraben und am dritten Tag auferweckt, wie es in der Heiligen Schrift steht. Er hat sich Kephas gezeigt, danach auch den Zwölf.
Später zeigte er sich über fünfhundert Brüdern und Schwestern auf einmal. Die meisten von ihnen sind noch am Leben, einige sind aber gestorben. Danach hat er sich Jakobus gezeigt, schließlich allen Aposteln. Ganz zuletzt hat er sich auch mir gezeigt – also gleichsam einem Missratenen. Ich bin nämlich der unwürdigste unter den Aposteln. Ich verdiene es nicht, Apostel genannt zu werden. Denn ich habe die Gemeinde Gottes verfolgt. Aber durch die Gnade Gottes bin ich, was ich bin. Und seine Gnade, die er mir erwiesen hat, blieb nicht ohne Wirkung. Im Gegenteil: Ich habe mehr für die Gute Nachricht gearbeitet als alle anderen Apostel. Aber das habe nicht ich getan, sondern die Gnade Gottes, die mit mir ist. Gleichgültig, ob ich es sage oder die anderen Apostel: Das ist unsere Verkündigung und der Glaube, den ihr angenommen habt.
Lange hält das Schweigen also nicht. Die Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer: Jesus ist auferstanden von den Toten. In den ersten wenigen Jahren entstehen die ersten Glaubensbekenntnisse. Unser gewohntes, das wir sonntags meistens sprechen, brauchte 400 Jahre, bis es so dastand. Aber vermutlich zitiert Paulus in seinem Brief schon ein altes Osterbekenntnis, das in eine gewisse Form gegossen war:
Christus ist gestorben für unsere Sünden nach der Schrift. Christus wurde begraben. Und er ist auferweckt worden am dritten Tag nach der Schrift. Und er wurde von Kephas – also Simon Petrus – gesehen und danach von den Zwölf Aposteln.
Zwölf? Ja. Denn schon bald wurde wieder einer in diesen Leitungskreis hineingewählt – bzw. durch das Los hineinberufen (Apostelgeschichte 1,15–26). Paulus schreibt auch von 500 Glaubensgeschwistern, die Jesus auf einmal gesehen haben. Einige sind gestorben, aber viele leben noch. Könnt ihr also selbst befragen, liebe Christen in Korinth.
Tja, liebe Wittenberger. Da haben wir aber nun das Nachsehen. Wir können die ersten Zeugen nicht mehr direkt befragen. Und doch glauben wir. Und doch halten wir an Ostern fest. Wir hoffen darauf, dass Jesus wirklich lebt und dass wir selbst auch dieses neue Leben haben. Es ist noch versteckt unter unserer alten Kleidung – dem Körper, der immer älter wird und irgendwann halt nicht mehr passt. Dann müssen wir ihn loslassen. Aber dann haben wir das Leben und bekommen eine neue Kleidung, einen neuen Körper. Später in diesem Kapitel schreibt Paulus auch darüber.
Ich will aber beim Anfang bleiben und noch ein wenig überlegen, wie wir heute glauben können und was uns dabei mit Paulus verbindet. Könnte ich nicht auch viel zuversichtlicher glauben und nachfolgen, wenn ich damals dabei gewesen wäre? Den Wunsch haben vielleicht viele. Da wäre so Vieles leichter, oder?
Bei Paulus entdecke ich zuerst einmal etwas ganz Einfaches. Schon die Christen in Korinth, auch in Rom oder Philippi oder anderswo glauben nicht, weil sie an Ostern in Jerusalem dabei waren. Sie glauben, weil sie diese Nachricht empfangen haben. Jemand anderes hat es ihnen erzählt. So wie uns. Und auch wenn die ersten von ihnen noch die Chance hatten, ein paar leibhaftige Zeuge zu erwischen – praktisch war es doch nicht so einfach. WhatsApp, YouTube, VideoCall, nicht mal SMS oder Telefon gab es. Briefe brauchten Wochen und eine Reise nach Jerusalem zu Petrus oder Jakobus konnte sich gar nicht jeder leisten. Schon die ersten Christen glauben, weil sie von dem überzeugt werden, was ihnen andere erzählen. Da wirkt etwas in ihnen, was eben tiefer geht als Augen blicken können. Sie werden überrascht und sind begeistert von Gottes Liebe. Und sein Geist bestätigt selbst, dass Jesus lebt. Das ist das Prinzip des Glaubens bis heute. So sagt es Jesus sogar einmal zu Thomas, der ja auch nur glauben wollte, wenn er Jesus direkt sieht: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“ Es geht. Und das zeigen mir die ersten Zeugen zusammen mit Paulus.
Ein zweiter Gedanke steckt in dem Bekenntnis, das auch Paulus gelernt hat und nicht selbst erfunden. Zweimal heißt es nämlich: „… wie es in der Heiligen Schrift steht.“ Das musste Jesus ja den Emmausjüngern auslegen und erklären (Lukas 24,13–35): Das musste so geschehen, weil es so schon vor langer Zeit angekündigt war. Und zwar nicht nur, dass Jesus sterben wird, sondern eben auch, dass er auferstehen wird. Am dritten Tag.
Gott hält sein Wort. Immer. Und gerade bei dem, was er über seinen Sohn angesagt hat. Die Geschichte Gottes hat einen roten Faden. Karfreitag und Ostern gehören dazu, sind fest eingewoben. Schneide ich etwas davon raus, dann funktioniert der Glaube nicht. Aber folge ich dem roten Faden, dann entdecke ich, wie wahr Gottes Worte sind.
Vielleicht ist der letzte Gedanke aber der Wichtigste. Mir jedenfalls ist er das heute, in diesem Jahr. Paulus hat Jesus selbst erlebt. Da war Jesus schon im unsichtbaren Reich seines Vaters, im Himmel, wie wir es einfach ausdrücken. Jesus sagt zu ihm nicht einfach: „Glaube mal nur, was dir die anderen erzählen.“ Ganz gewiss ist das unsere Basis, unser erster Zugang zum Glauben und zur Hoffnung, die Ostern bewirkt. Wir hören – und glauben. Im besten Fall.
Nein. Jesus hat nicht aufgehört, Menschen zu begegnen. Nicht nach den ersten Überraschungsbesuchen bei den Jüngern hinter verschlossenen Türen. Auch nicht nach den Gesprächen auf dem Weg nach Emmaus. Und genauso wenig nach Himmelfahrt. Paulus ist vielleicht der prominenteste Zeuge dafür, dass Jesus immer noch zu Menschen kommt und ihnen begegnet. Und es ist auch ein bisschen spektakulär, was ihm passiert (Apostelgeschichte 9,1–19).
Aber vor allem: Jesus begegnet ihm. Der himmlische Jesus begegnet dem irdischen Paulus. Und Paulus selbst sagt es ja: „Gerade mir!“ Gerade diesem Christenverfolger. Gerade diesem Gegner von Jesus, dem das Auferstehungsgerede ein Dorn im Auge war – oder eher im Ohr. Metaphern klappern manchmal ein wenig.
Jesus begegnet Menschen. Damit hat er nicht aufgehört. Das tut er noch heute. Er hat seine eigene Art und Weise, aber hat damit nicht aufgehört. Kein Mensch könnte glauben, wenn Gott sich nicht durch seinen Geist zeigen würde. Keiner könnte an Jesus glauben, wenn er sich nicht zeigen würde durch seinen Geist.
Das beschäftigt mich im Moment sehr. Die Ostererscheinungen, die Begegnungen mit Jesus haben nie aufgehört. Sie haben sich verändert. Ganz gewiss. So wie Jesus sich mit der Himmelfahrt verändert hat.
Er redet – durch sein Wort, durch andere Menschen, durch eine Johannespassion, durch das Licht in der Osternacht, durch Stimmungen und Gefühle und durch schlichte Worte. Er redet durch trockene biblische Lehre. Durch Christenlehre. Was für ein trockenes Wort, oder? Er redet durch diese Schulen des Glaubens, durch Konfiunterricht und Glaubenskurse. Und er begegnet Menschen im Herzen und manchmal immer noch vor Augen. Das ist nicht vorbei. Er hält sich nicht raus. Denn wir können ihm nur glauben, wenn er uns begegnet.
Manchmal brauchen wir Geduld. Und auf alle Fälle haben wir nicht nur die Erlaubnis, ihn zu bitten. Wir sollen ihn sogar bitten, dass wir ihn entdecken, ihn hören, ihn sehen, ihn verstehen. Wir können darum bitten, dass wir glauben.
Alle drei Momente, die Paulus den Korinthern schreibt, helfen uns heute ebenso, wie sie damals den Menschen geholfen haben.
1. Lesen und hören wir, was andere schon erlebt und berichtet haben – angefangen bei der Bibel bis heute. Empfangen wir es. Nehmen wir es entgegen wie ein Geschenk. Packen wir die Nachricht von Jesus aus – vielleicht wie Überraschungseier an Ostern oder die goldenen und lila eingepackten Osterhasen. An die Schokolade kommen wir nur ran, wenn wir das Papier entfernen. Sonst zischt es an den Zähnen.
2. Fragen wir andere, was sie mit Jesus erlebt haben. Es gibt Menschen, die davon berichten können. Ich denke mir, dass auch Paulus andere gefragt hat und sie haben ihm erzählt.
3. Vertrauen wir darauf, dass Gott schon mal gar nicht nach unserer Eignung fragt. Er will, dass wir ihn entdecken. Und so zeigt er sich. Bitten wir darum.
Und dann erzählen wir es weiter. Denn wir gehören zu den 12 und 500 Zeugen und zu all denen, die durch 2000 Jahre hindurch Ostern feiern und es bezeugen: Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden.