Zur Frei­heit berufen

oder: Wie hal­ten es die Evan­ge­li­schen mit der Toleranz?
Eine Pre­digt zum The­men­jahr “Refor­ma­ti­on und Toleranz”

 

Der Got­tes­dienst hat schon begon­nen, gera­de spricht die Gemein­de im Wech­sel dein Ein­gangs­psalm, da geht die Tür auf: Wie fast jeden Sonn­tag pünkt­lich zum Psalm der letz­te Gast.
Rums, fliegt die Tür im Gemein­de­haus zu. Na, da sind wohl wie­der die Jungs von Fami­lie XY zur Kin­der­stun­de gekom­men. Man hört immer, wenn sie da sind, denn Tür­klin­ken haben die zuhau­se wohl nicht.
Der Gesprächs­kreis gestal­tet einen Got­tes­dienst. Ein Groß­teil die­ser Leu­te ist noch gar nicht getauft. Man sieht sie auch sonst nie im nor­ma­len Got­tes­dienst. Und nun bean­spru­chen sie die Kir­che für sich, wol­len uns gar etwas sagen?
„Darf ich vor­stel­len – mei­ne Frau“, sagt – eine Frau zu mir. „Wir sind neu hier, sind Chris­ten und möch­ten zur Gemein­de gehören.“
Fröh­lich und mit kla­ren Tönen erklingt die Orgel. Man hört eine Stim­me mit­sum­men und mit­sin­gen, wäh­rend die ers­ten Töne des Cho­rals erklin­gen. Der da spielt, ist Sym­pa­thi­sant der NPD.
Kon­zert des ört­li­chen Gesang­ver­eins, die Kir­che ist voll. „Alta Tri­ni­ta Bea­ta“ erschallt es – „Hei­li­ge, erha­be­ne, von uns immer ver­ehr­te und ruhm­vol­le Drei­ei­nig­keit.“ Man­che aus dem Chor haben lan­ge Jah­re von der Ver­eh­rung des drei­ei­ni­gen Got­tes nichts gehal­ten – ob sie es jetzt tun, ist die Fra­ge —  und sie haben die­je­ni­gen ver­folgt, aus­ge­grenzt, benach­tei­ligt, die sich Chris­ten nann­ten und zur Kir­che gingen.
Her­aus­for­de­run­gen, mal all­täg­lich, mal schon eher außer­ge­wöhn­lich. Manch­mal nervt es ein­fach nur, manch­mal geht es tat­säch­lich an die Sub­stanz, belas­tet die See­le. Sind wir tole­rant – und wie viel tole­rie­ren wir? Wie weit geht unse­re Lei­dens­be­reit­schaft und wo ist die Gren­ze erreicht, überschritten?

Im Rah­men der Luther­de­ka­de, dem Weg auf das Jubi­lä­um der Refor­ma­ti­on im Jahr 2017, hat sich die Kir­che das The­ma „Refor­ma­ti­on und Tole­ranz“ auf den Kalen­der des Jah­res 2013 geschrieben.
The­men­jahr heißt das. Ein Jahr lang sol­len Gemein­den, sol­len Chris­ten dar­über nach­den­ken, wie sie als evan­ge­li­sche Chris­ten, als Ur-Enkel der Refor­ma­ti­on in der Span­nung zwi­schen Frei­heit und fes­ten Gren­zen leben, eben: wie tole­rant sie sind, sie sein kön­nen oder dür­fen, und was das bedeutet.

Die Fra­ge ist nicht neu. Was für einen Chris­ten mög­lich ist und was nicht, hat natür­lich schon die ers­ten Chris­ten und Gemein­den beschäf­tigt, ange­fan­gen bei den Dis­kus­sio­nen, die Men­schen mit Jesus geführt haben, bis hin zu den Brie­fen der Apos­tel oder man­chen Berich­ten der Apos­tel­ge­schich­te, die die Zeit des ers­ten christ­li­chen Jahr­hun­derts wiederspiegeln.
„Darf man sich schei­den las­sen?“, fra­gen Men­schen Jesus und sind gespannt, ob er zum Gesetz, das durch Mose ver­kün­det wur­de, eine Alter­na­ti­ve hat, eine neue Aus­le­gung (Mar­kus 19,1–12).
„Was ist das höchs­te Gebot?“, erpro­ben Men­schen Jesus und schau­en, wie viel Tra­di­ti­on für ihn bedeu­tet, was für ihn geht und was nicht mehr akzep­ta­bel ist (Mar­kus 12,28–34).
In Korinth, so 50 nach Chris­tus, läuft vie­les aus dem Ruder. Man­che in der Gemein­de leben in einer Frei­zü­gig­keit, die selbst Nicht­chris­ten – Hei­den – mit den Ohren wackeln lässt. Und Pau­lus muss ernst­haft dazu ermah­nen, nicht voll­trun­ken das Abend­mahl zu fei­ern (1. Korin­ther 11,17 ff.). Bei den Gala­tern das ande­re Extrem. Dort sol­len am bes­ten alle jüdi­schen Geset­ze wie­der ein­ge­führt und aufs  Genau­es­te beach­tet werden.
Gibt es so etwas wie einen gol­de­nen Mit­tel­weg? Was ist denn nun rich­tig und was falsch?

Pau­lus sucht nach einer Ant­wort und schreibt in Gala­ter 5:
1 Zur Frei­heit hat uns Chris­tus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wie­der das Joch der Knecht­schaft auflegen!
2 Sie­he, ich, Pau­lus, sage euch: Wenn ihr euch beschnei­den lasst, so wird euch Chris­tus nichts nützen.
3 Ich bezeu­ge aber­mals einem jeden, der sich beschnei­den lässt, dass er das gan­ze Gesetz zu tun schul­dig ist.
4 Ihr habt Chris­tus ver­lo­ren, die ihr durch das Gesetz gerecht wer­den wollt, und seid aus der Gna­de gefallen.
5 Denn wir war­ten im Geist durch den Glau­ben auf die Gerech­tig­keit, auf die man hof­fen muss.
6 Denn in Chris­tus Jesus gilt weder Beschnei­dung noch Unbe­schnit­ten­sein etwas, son­dern der Glau­be, der durch die Lie­be tätig ist.

Bei Pau­lus heißt das Stich­wort also „Frei­heit“. Das Gegen­teil ist das „Joch der Knecht­schaft“. Wie aber sieht die­se Frei­heit aus und wie lässt sich mit ihr Leben?
Viel­leicht erin­nern Sie sich an die Erzäh­lung von der Befrei­ung der Israe­li­ten aus der Knecht­schaft in Ägyp­ten. Mose hat­te lan­ge mit dem Pha­rao um die Frei­las­sung gekämpft. Und dann war es soweit. Gro­ßer Jubel, als das Volk end­lich los­zie­hen konn­te, dem gelob­ten, frei­en Land ent­ge­gen. Aber kaum gab es die ers­ten Schwie­rig­kei­ten, war die Frei­heit gar nicht mehr so viel wert und wur­de sogar uner­wünscht. „Ach wären wir noch in Ägyp­ten“, ein ziem­lich eigen­ar­ti­ger Wunsch. Die­se neue Frei­heit fühl­te sich ziem­lich gefähr­lich an. „Waren wir in Ägyp­ten nicht auch ein stück­weit frei?“ Frei von Hun­ger, frei von Durst, frei zumin­dest zu leben, in Gren­zen zwar, aber doch irgend­wie erträg­lich. Je nach­dem, wie lan­ge die Lei­ne ist, an der einer hängt, merkt er viel­leicht gar nicht, dass er ange­leint, eben unfrei ist (2. Mose 16,3).
Die Gala­ter fühl­ten sich in ihrer Frei­heit als Chris­ten auch nicht wohl. „Wir möch­ten dazu­ge­hö­ren zum Volk Got­tes. Und dazu braucht es doch ein Zei­chen, bestimm­te Ver­hal­tens­re­geln, die öffent­li­che Aner­ken­nung.“ Für die Gala­ter hieß das: „Wir füh­ren die Beschnei­dung wie­der ein, die­ses Zei­chen, das Abra­ham als Kenn­zei­chen des Vol­kes Got­tes bekom­men hat­te. Wir wer­den damit offi­zi­ell Juden, sind dann eine beson­de­re Grup­pie­rung inner­halb des Juden­tums. Sind damit ja nicht die ein­zi­gen.“ Das hat­te durch­aus sei­nen prag­ma­ti­schen Grund. Denn das Juden­tum war im römi­schen Reich eine eta­blier­te, aner­kann­te Reli­gi­on. Das Chris­ten­tum nicht. Die Nach­tei­le, die Chris­ten durch­aus befürch­ten muss­ten, hat­ten Juden zumin­dest in den Orten und Gegen­den nicht, wo sie schon lan­ge zur Gesell­schaft dazugehörten.
Frei­heit – unge­liebt. Das kön­nen wir uns kaum vor­stel­len, oder viel­leicht doch?

Die Stim­men sind ja nicht zu über­hö­ren, die sich nach der DDR zurück­seh­nen. Da war doch längst nicht alles schlecht, im Gegen­teil: Man­ches war sogar rich­tig gut. Dann muss die gute Nach­bar­schaft her­hal­ten oder das Bil­dungs- und Hort­sys­tem. Dafür konn­te man halt nicht in den Wes­ten. Aber die Ost­see ist doch auch ganz schön – und hat, im Gegen­satz zur Nord­see, immer Was­ser an den Strän­den.  Dass in Klas­sen­räu­men die Kin­der gebrand­markt waren, die zur Chris­ten­leh­re gin­gen und sich kon­fir­mie­ren lie­ßen, erzäh­len die­se Rück­bli­cke nicht. Dass Men­schen nicht nur in ihrer Berufs­wahl ein­ge­schränkt wur­den, son­dern auch mehr als ande­re bespit­zelt und schi­ka­niert wur­den, ver­schwei­gen die­se Sehn­süch­te nach den Fleisch­töp­fen Ägyp­tens und der DDR.
Frei­heit – ist sie nicht auch eine gro­ße Zumu­tung? Man­chen Men­schen kommt das so vor. Wer sagt uns eigent­lich, wer wir sind? Und wor­an kön­nen wir uns orientieren?

Die Refor­ma­to­ren tra­ten zuerst für eine gro­ße Frei­heit ein und woll­ten Bal­last und Knecht­schaft der Kir­che oder bes­ser der Tra­di­tio­nen loswerden.
Frei­heit für Got­tes Wort: Jeder Mensch soll die Bibel lesen kön­nen. Dazu muss sie in der Lan­des­spra­che zugäng­lich sein, gedruckt und in den Got­tes­diens­ten natür­lich auch ent­spre­chend vor­ge­le­sen – deutsch oder fran­zö­sisch, eng­lisch, spa­nisch, Sua­he­li und fin­nisch und so weiter.
Frei­er Zugang zu Gott: Kei­ner muss mehr den Mitt­ler für einen ande­ren machen, kei­ner darf sich zwi­schen einen Men­schen und Gott stel­len. Das bibli­sche Bild dafür: Der Vor­hang im Tem­pel zer­riss, als Jesus am Kreuz starb. Das Aller­hei­ligs­te ist nicht län­ger ver­bor­gen und nur einer Per­son zugäng­lich. Jeder darf direkt zu Gott kom­men und sogar Vater zu ihm sagen (Mat­thä­us 27,51).
Frei­heit auch für das Amt: Es soll in der Gemein­de natür­lich sei­ne Ord­nung haben, dass nicht jeder drauf­los pre­digt und dass nicht jeder tauft oder es Streit gibt, wer nun beim Abend­mahl han­delt. Aber im Grun­de, so die Ent­de­ckung, ist jeder Christ ein Pries­ter, Bischof, Papst.
Das Erschre­cken­de: auch bei den Refor­ma­to­ren und ihren Anhän­gern war die Frei­heit sogleich wie­der bedroht. Tole­ranz gegen­über Anders­den­ken­den gab es auf evan­ge­li­scher Sei­te genau­so wenig wie auf katho­li­scher. Den Täu­fern wur­de der Pro­zess gemacht, die Bau­ern­krie­ge blu­tig geführt. Und was Mar­tin Luther in spä­ten Jah­ren über die Juden schreibt, ist schlimm, sehr schlimm. Das kann man nicht mal mehr into­le­rant nennen.

Frei­heit erfor­dert Tole­ranz. Und das bedeu­tet auch, sie muss ein­ge­übt wer­den, sie muss trai­niert wer­den, mit Geduld, mit der Bereit­schaft, an Schwie­rig­kei­ten stär­ker zu wer­den, an Her­aus­for­de­run­gen zu wach­sen. Tole­ranz, „tole­r­a­re“ im Latei­ni­schen, heißt dul­den, aus­hal­ten. Nach­sich­tig sein, groß­zü­gig und weit­her­zig, so wird die Tole­ranz im Zeit­al­ter der Auf­klä­rung dann wei­ter beschrie­ben. Die Frei­heit ein­üben kann dabei auch weh­tun. Wie bei einem, der in einer Sport­art trai­niert. Fort­schritt für die Mus­keln gibt es nur, wenn sie ent­spre­chend bean­sprucht wer­den. Da kann es auch mal Mus­kel­ka­ter geben.

Pau­lus schaut sich sei­ne Gala­ter an. „Mensch, ihr ward so gut unter­wegs, ihr seid so gut gelau­fen. Und nun das. Ihr legt euch selbst wie­der an die Ket­te“, schreibt er ihnen im sieb­ten Vers, einen Vers  nach dem gele­se­nen Pre­digt­text. Ihr ertragt die Frei­heit nicht mehr. Ist das nicht ver­rückt? Und sind wir den Gala­tern nicht manch­mal ähnlich?
Die sechs Bei­spie­le, mit denen ich ange­fan­gen habe, kom­men ja nicht von unge­fähr. Sie sind Teil unse­res Erle­bens, kon­kre­te Gescheh­nis­se in unse­ren Gemein­den, in mei­nem eige­nen Leben:
Es gibt Men­schen, die uns durch ihre Gewohn­hei­ten an unse­re Gren­zen bringen.
Es gibt Men­schen, die die Kir­che nicht auf­ge­baut haben, die Tra­di­tio­nen nicht ken­nen, und plötz­lich Raum und Rede­recht beanspruchen.
Es gibt Men­schen, die der Kir­che Scha­den zuge­fügt haben und Gedan­ken unter­stüt­zen, die dem bibli­schen Men­schen­bild völ­lig wider­spre­chen und den­noch Gemein­de­glie­der sind, durch­aus enga­gier­te Gemeindeglieder.
Wäre es da nicht am ein­fachs­ten, wir hät­ten für alles eine kla­re Rege­lung? Wenn … dann.

Manch­mal ver­su­chen wir das. Trau­er­fei­ern in der Kir­che sind hier und da nur für Gemein­de­glie­der zuge­las­sen, oder wenn ein Pfar­rer die Trau­er­fei­er hält. Für ande­re gibt es die Trau­er­hal­le. Kla­re Regeln. Aber manch­mal ste­hen ande­re auch im Regen mit die­ser Regelung.
Aber es feh­len auch Regeln. Ein Sym­pa­thie­sant der NPD wird nicht aus der Kir­chen­ge­mein­de aus­ge­schlos­sen. Ande­rer­seits kann er mit die­ser Hal­tung kein kirch­li­ches Ehren­amt beklei­den. Kann er dann Orgel spie­len? Das ist doch in gewis­ser Wei­se Ver­kün­di­gungs­dienst, oder nicht?

Pau­lus kennt die­se Nöte und Her­aus­for­de­run­gen. Aber einer neu­en Gesetz­lich­keit erteilt er eine kla­re  Absa­ge. Sei­ne Argu­men­ta­ti­on geht bis zu den Wur­zeln von Gesetz und Frei­heit, von Tod und Leben. Wer sein Leben, sei­nen Glau­ben auf das Gesetz grün­det, der muss es ganz dar­auf grün­den. Die Fol­ge: Chris­tus ist dann raus aus dem Spiel. Chris­tus geht damit ver­lo­ren. Sei­ne Gna­de geht damit ver­lo­ren. In Chris­tus gilt der Glau­be, gilt die Frei­heit, gilt der Geist.
„Wir war­ten im Geist durch den Glau­ben auf die Gerech­tig­keit, auf die man hof­fen muss“, schreibt Pau­lus als Gegen­ent­wurf zu gesetz­li­chen Regelungen.

Das ist aller­dings ein Wag­nis, ja gera­de­zu eine Zumu­tung. Wir ste­hen damit an der Sei­te so vie­ler, die die Frei­heit Got­tes, die Frei­heit des Glau­bens tole­rie­ren, ertra­gen muss­ten und sie ertra­gen haben.
Mir fällt Hiob ein. Da hat­te Gott die Frei­heit, dem Teu­fel zu erlau­ben, Hiob auf die Pro­be zu stel­len. Ein Mensch, der fromm lebt, dem Gott sogar selbst die­ses Zeug­nis gibt (Hiob 1,8): „Hiob, der ist ein Mann nach mei­nem Wohl­ge­fal­len“, darf von dem Teu­fel ange­grif­fen wer­den, ver­liert alles bis auf sein nack­tes Leben. Sei­ne Freun­de ver­su­chen ihm tat­säch­lich mit dem Weg über das Gesetz eine Lösung nahe­zu­brin­gen: „Hiob, wenn du so lei­dest, dann musst du ein­fach falsch gelebt haben, irgend­wo in dei­nem Her­zen falsch gedacht, dich an Gott ver­sün­digt. Das ist das Gesetz.“ Sie ver­ste­hen nichts von Got­tes Frei­heit. Und ehr­lich: Die ist auch nicht zu ver­ste­hen, schon gar nicht, wenn sie uns so feind­lich zu sein scheint. Hiob ist der Gerech­te – aber er kann sein Recht nicht ein­kla­gen. Das ist viel­leicht die schwie­rigs­te Geschich­te der Bibel.
Glau­be kann nichts ein­kla­gen, ist ganz der Frei­heit Got­tes aus­ge­lie­fert. Ich habe ernst­haft nach einem ande­ren Wort gesucht, aber viel­leicht muss es wirk­lich hei­ßen „aus­ge­lie­fert“.

Tole­rie­ren, die Frei­heit Got­tes und die Unver­füg­bar-keit des eige­nen Glau­bens­le­bens erdul­den, muss­ten auch andere.
Abra­ham erhielt die Ver­hei­ßung, Vater eines gro­ßen Vol­kes zu wer­den. Auf dem Weg dama­li­ger gesetz­li­cher Rege­lun­gen woll­ten er und Sara das erzwin­gen: Ein Kind mit der Magd soll­te die Lösung sein – Leih­mut­ter wür­de man heu­te viel­leicht sagen (1. Mose 16). Aber Gott hat­te sei­nen Weg vor, der mit die­sem ori­en­ta­li­schen Gesetz, das für das Über­le­ben einer Sip­pe sinn­voll und wich­tig war, nichts zu tun hatte.
Am Gesetz vor­bei wird Jakob, der als zwei­ter erst nach sei­nem Zwil­lings­bru­der Esau auf die Welt kam, zum Erben von Got­tes Ver­hei­ßung (1. Mose 25,17 u.v.m).
Und Jesus? Der ver­kün­det als höchs­tes Gebot, als das unver­füg­ba­re Gesetz des Glau­bens: Lie­be dei­nen Nächs­ten (Mat­thä­us 22,34–40). Begeg­net eurem Gegen­über in Lie­be. Kei­ne Wenn-Dann-Rege­lung. Lie­be for­dert nicht, beraubt nicht, klagt nicht ein. Lie­be gibt, Lie­be han­delt ohne Berech­nung, ohne gesetz­li­che Grund­la­ge – so kann es Pau­lus im ers­ten Korin­ther­brief schrei­ben (1. Korin­ther 13). Der Preis für die­ses „Gesetz“: Jesus stirbt aus Lie­be zu sei­nen Men­schen, aus Lie­be zu uns. Dem Gesetz nach war er unschul­dig, das hät­ten sogar ein Pila­tus und ein Hohe­pries­ter aner­ken­nen müs­sen. Dem Gesetz nach hät­te er sich als Sohn Got­tes eine Legi­on Engel an die Sei­te rufen kön­nen, die dafür gesorgt hät­ten, dass alle Wider­sa­cher nie mehr auf­tau­chen (Mat­thä­us 26,53). Aber Jesus tole­riert, er erdul­det die Fol­gen eines töd­li­chen Geset­zes, damit wir davon frei sein können.

Nun ist es an uns, die­se Frei­heit zu leben. Das mutet uns der Glau­be zu. An unse­rer Sei­te ste­hen nicht fest gefüg­te Buch­sta­ben unend­li­cher Rege­lun­gen. An unse­rer Sei­te steht auch kein Wis­sen, dass sich bewei­sen und sichern lässt. An unse­rer Sei­te steht ein Geist, der unver­füg­bar ist und frei han­delt. „Der Geist weht, wo er will“, sagt Johan­nes ein­mal (Johan­nes 3,8 Wind = Geist).
An unse­rer Sei­te steht – und das ist die gute, die wich­tigs­te Bot­schaft – an unse­rer Sei­te steht eine Per­son, steht Gott durch sei­nen Sohn Jesus Chris­tus. Zu dem brau­chen wir eine leben­di­ge, eine wach­sen­de Bezie­hung, damit wir unse­re Frei­heit gestal­ten kön­nen und sie nicht ver­lie­ren. Jesus ist die ein­zi­ge Bin­dung, die uns die Frei­heit des Her­zens erhält.

Mar­tin Luther beschreibt die­se Frei­heit und die Fähig­keit zur Tole­ranz mit einem merk-wür­di­gen Bild, das Gegen­sät­ze ver­eint: Wir sind nie­man­dem unter­tan und jeder­mann unter­tan. Du bist ein König, eine Köni­gin und ein Knecht, eine Magd zugleich. Ganz frei und ganz ver­ant­wort­lich, für dich selbst und für andere.
Das The­men­jahr „Refor­ma­ti­on und Tole­ranz“ lädt uns dazu ein, die­se Span­nung genau­er zu beden­ken. Ob wir so frei sind, uns die­ser Her­aus­for­de­rung des Glau­bens auszusetzen?
Amen.

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