“Lebt als Kinder des Lichts!” Kinder sind Nachahmer. Gilt das auch für Christen?
Ein paar Gedanken zu Epheser 5,8b-14:
Wandelt als Kinder des Lichts; 9 die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit. 10 Prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist, 11 und habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis; deckt sie vielmehr auf. 12 Denn was von ihnen heimlich getan wird, davon auch nur zu reden ist schändlich. 13 Das alles aber wird offenbar, wenn’s vom Licht aufgedeckt wird; 14 denn alles, was offenbar wird, das ist Licht. Darum heißt es: Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten.
Haben Sie als Kinder auch Sandkuchen gebacken? Manchmal war der ganze Rahmen des Sandkastens voll mit kleinen Kuchen: Gugelhupfform, Kastenform, Tierfiguren, Autos – alles aus feinem, leicht klebrigem Sand geformt. Sandkuchen halt. Und dann muss jeder probieren – wobei wir natürlich nur so getan haben, als ob. Wer mag schon knirschenden Sand zwischen den Zähnen.
Warum Kinder Sandkuchen backen? Ich glaube nicht, dass es angeboren ist oder eine Art Ur-Instinkt. Liegt es daran, dass wir unsere Mütter, vielleicht auch Väter, dabei beobachtet haben, wie Sie in der Küche echten Kuchen gebacken haben?
Kinder ahmen Erwachsene nach. Das ist eine wichtige Art zu lernen. Die Sprache ist ein gutes Beispiel dafür. Wir hören die Worte, den Klang, den Dialekt von unseren Eltern und sprechen dann genauso.
Ob deswegen so oft in der Bibel von Kindern Gottes die Rede ist – weil wir zum Nachahmen Gottes aufgefordert werden? Am Anfang von Epheser fünf steht eine spannende und verwirrende Aufforderung: „So ahmt nun Gott nach als geliebte Kinder und wandelt in der Liebe.“ Also macht einfach Gott nach. Imitiert ihn.
Als zwei Jünger von Johannes, dem Täufer, Jesus begegnen, werden sie neugierig: „Was bist du für einer, Jesus? Wo wohnst du? Wo bleibst du? Wie lebst du? Können wir von dir lernen?“ Und er antwortet einfach: „Kommt und seht!“ (Johannes 1,35–39)
Das ist das Lehrprinzip von Jesus: „Komm und folge mir nach!“ Das heißt ja nicht, einfach nur hinterherzulaufen. Es bedeutet: Schau, wie ich mit Menschen rede, und sprich sie auch so an. Schau, wie ich Menschen freundlich und in Liebe begegne, und dann fang an, ebenso zu lieben. Schau dir an, wie ich meinem Vater im Himmel vertraue, und dann vertraue ihm genauso.
„Wandelt als Kinder des Lichts!“ Kinder des Lichtes lernen vom Licht, lernen von Gott, indem sie Gott anschauen und ihn nachahmen. Da gibt es viel zu entdecken, mehr auch, als der Epheserbrief hier nennt. Aber für heute mag genügen, was dort steht. Licht bringt Frucht hervor: Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit.
Kinder lernen, indem sie Erwachsene nachahmen. Und je häufiger sie das tun, umso besser gelingt es ihnen. Erst zerbröstelt der Sandkuchen noch. Aber mit Übung gelingt der richtige Schwung beim Stürzen auf den Sandkastenrand – und ein perfekter Gugelhupfsandkuchen steht da.
Das ist nicht anders bei den Kindern des Lichts. Die sind wir schon, wenn wir an Jesus glauben. Und egal auf welchem christlichen Entwicklungsstand wir sind: dass wir Kinder Gottes sind, kann uns niemand nehmen.
Unser Sohn war nicht erst ein Keilholz, als er Schule und Ausbildung abgeschlossen hatte. Unsere Tochter wird nicht erst eine Keilholz sein, wenn sie ihr Referenariat beendet hat. Vom ersten Schrei an sind es unsere Kinder, echte Keilhölzer. Und trotzdem mussten sie alle Schritte ins Leben lernen und üben. Aus den ersten gebrabbelten Lauten sind Texte geworden, die mir manchmal zu hoch sind, weil so viel Fachwissen darinsteckt, oder die mich beeindrucken ob ihrer Tiefe und Weisheit.
Als Christen lernen wir ein Leben lang. Aber zuerst gilt: Wir sind Kinder Gottes. Das ist der Ausgangspunkt. Kind sein müssen wir nicht lernen. Kind sind wir. Das erwerben wir uns nicht – nicht durch Frömmigkeit, nicht durch Konfirmandenunterricht und Erwachsenenbildung, nicht, indem wir nur genügend Gottesdienste oder Bibelstunden besuchen.
Kinder Gottes sind wir, weil Gott uns das schenkt, weil er uns dazu macht. Nicht wir, auch kein anderer – Gott macht uns zu seinen Kindern. Das ist die Voraussetzung für unser Wachsen, für jegliches Lernen und Wandeln. Und ja – dann gibt es allerhand zu entdecken und zu üben. Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit etwa.
Eines Tages kam einer zu Jesus und wollte von ihm wissen, wie er das ewige Leben erben kann. Er spricht Jesus mit den Worten an: „Guter Meister.“ Und Jesus antwortet: „Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als allein Gott.“ (Markus 10,17.18)
Aber weil wir Kinder Gottes sind, können wir von Gott das Gut-Sein lernen, die Güte lernen. Die geht oft verschüttet. Manchmal dadurch, dass wir zu viel Böses sehen und den Glauben an das Gute, an den gütigen Vater im Himmel verlieren. Manchmal geht die Güte, das Gut-Sein verloren, weil Menschen zu viel Böses selbst erlebt haben.
Doch Gott hat seine Güte in uns hineingelegt. Und behutsam führt er uns dorthin, sie wieder freizulegen. „Überwinde das Böse mit Gutem“, schreibt Paulus im Römerbrief (12,21).
Und das bedeutet zuerst: Lass Gott in dir wirken. Lass dir von ihm Gutes zeigen und dir selbst Gutes tun. Daran wachse. Das lebe aus. Teile diese Güte.
Eine andere Frucht ist die Gerechtigkeit. „Bei Licht besehen“ kommen wir manchmal drauf, was richtig und angemessen ist, und entscheiden dann etwas gerechter. Aber ich glaube, dass hier noch anderes gemeint ist, gewissermaßen die Wurzel aller Gerechtigkeit. Denn die legt das Licht Gottes in uns hinein. Wie? Gott schaut uns an, er strahlt uns an mit seinem Licht. Und was sieht er?
Er sieht die Menschen, die er geschaffen hat. Er sieht die Menschen, die er zu seinen Kindern erklärt hat. Er sieht die Menschen, die er gerecht gesprochen hat, die er zu Heiligen erklärt hat. Das sieht Gott im Licht seiner Liebe.
Und weil wir von Gott gerechtfertigt sind, können wir seine Gerechtigkeit zu anderen bringen – gerade nicht als Richter über Gut und Böse, sondern als Boten Gottes, die sagen: Du kannst frei von Ungerechtigkeit oder Selbstgerechtigkeit werden.
Ich muss an Zachäus denken. Er hat wohl viele Leute übers Ohr gehauen als Zöllner. Aber Jesus behandelt ihn als gerechten, wunderbaren Menschen. „Zachäus, bei dir will ich heute zu Gast sein“, sagt Jesus einfach so auf der Straße zu dem, der am Rand steht – der sogar auf dem Maulbeerbaum hockt, weil er sonst nichts sehen kann (Lukas 19,1–10).
Und Zachäus – so angesehen durch Jesus, so beschienen von Gottes Güte!? Der wird ein Mensch, der auch im Alltag gerecht handeln will. Er gibt gleich mehrfach zurück, was er ungerecht erworben hat. Und wo er diejenigen nicht mehr finden kann, denen er zu viel abgeknöpft hat, da sucht er sich Arme, die er unterstützen kann.
Wir sind gerecht, weil wir Gottes Kinder sind. Geben wir seiner Gerechtigkeit Raum.
Die dritte Frucht des Lichts ist Wahrheit. Und was ist die Wahrheit? Wieder zuerst, dass wir Gottes Kinder sind.
Es ist eine der liebsten Beschäftigungen des Teufels, dass er uns den Zweifel daran immer wieder ins Herz sät. Bin ich gut genug für Gott? Aber was ist mit dieser Sache, in der ich schon wieder unterlegen bin? Ich konnte diesem Menschen wieder nicht freundlich begegnen. Und ehe wir uns versehen, denken wir: Gottes Kind? Jeder andere, aber ich nicht. Doch das ist die Lüge des Teufels schlechthin.
Johannes schreibt im 1. Kapitel seines Evangeliums: „ Wie viele ihn – Jesus – aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden: denen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus menschlichem Geblüt noch aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen eines Mannes, sondern aus Gott geboren sind.“ (Johannes 1,12.13)
Von Gott geboren, Gottes Kinder. Das gilt! Das ist die Wahrheit. Und aus dieser Wahrheit können wir dann auch das in unserer Welt erkennen, was falsch und was wahr ist. Üben können wir es. Der Epheserbrief geht so weit, dass er uns auffordert: „Prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist. Habt nicht Gemeinschaft mit den Werken der Finsternis. Deckt sie auf.“
Wenn wir anschauen, wie Jesus den Menschen um sich herum begegnet ist, sehen wir Gott am Werk und können von ihm lernen, ihn nachahmen.
Er sieht die Kranken und weiß, was ihnen fehlt – Wahrheit. Er begegnet ihnen freundlich – Güte. Und er spricht sie nicht nur von ihrer Krankheit frei, sondern zeigt ihnen auch, dass sie gerechte Kinder Gottes sind.
Er sieht Ungerechtigkeit und deckt sie auf – Wahrheit. Er gibt denen, die auf einen Irrweg unterwegs waren, die Möglichkeit zur Umkehr, bietet ihnen eine Chance – Güte. Und er stellt das Recht wieder her, Gottes Gerechtigkeit.
Wenn ich bei dem Bild von den Kindern bleibe, die durch Nachahmen lernen, lässt mich der letzte Vers heute auch etwas schmunzeln.
Mein Vater war ein großartiger Musiker mit einer tollen Singstimme und mit großer Begabung an der Trompete und am Waldhorn. Er hatte aber eine Eigenart, die uns jugendlichen Kindern gar nicht so passte. Sonntagmorgens um 8 Uhr oder auch schon eher stand er auf dem Balkon und spielte Choräle über das Dorf hinweg. Mein Heimatort liegt in einem leichten Tal. Die Leute auf der anderen Seite – Luftlinie vielleicht 400 Meter – bedankten sich dann später beim Gottesdienst manchmal für seinen morgendlichen Weckruf. – Wir Kinder eher weniger. „Wach auf! Frühstück! Gottesdienst! Es wird Zeit!“ Vielleicht kennen Sie das ja auch.
Kinder des Lichts sollen keine Schlafmützen sein. Können es gar nicht sein. „Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten.“ Kinder des Lichts, Gottes Kinder, sind hellwach. Was nicht heißt, dass wir nicht auch ausschlafen dürfen.
Aber geistlich sollen wir hellwach sein. Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit sind uns wichtig, sie sind uns ins Herz gelegt. Das gilt im Kleinen, im Alltag, bei den so unscheinbaren Begegnungen. Üben wir es, ahmen wir Gott selbst nach. Die Gene dazu hat er in uns hineingelegt. Das gilt auch im Großen, in unserer Gesellschaft, in der Politik, auch im Weltgeschehen.
Fragen wir nach dem, was wahr ist. Suchen wir Fakten. Schreiten wir ein gegen Ungerechtigkeit. Und fordern wir auch Güte ein.
Je häufiger wir auf Gott schauen und je mehr wir entdecken, wie er ist, desto mehr wird uns das prägen. Als Kinder sind wir Nachahmer. Und das schönste Lob kann dann der Satz sein, den Kinder auch oft hören: „Ganz der Vater. Ganz die Mutter.“
Menschlich gesehen möchten wir das manchmal ablegen – gerade, wenn Jugendliche und junge Erwachsene sich abnabeln.
Aber im Blick auf unseren himmlischen Vater kann es nichts Schöneres geben, als das andere spüren: Uns treibt der Geist Gottes. Aus uns leuchtet seine Liebe.
Lebt als Kinder des Lichts!