Gedanken zu Mutmachworten von König David
Psalm 16
Der Herr ist mein Gut und mein Teil; du hältst mein Los in deinen Händen!
Das Los ist mir gefallen auf liebliches Land; mir ist ein schönes Erbteil geworden.
Ich lobe den Herrn, der mich beraten hat; auch mahnt mich mein Herz des Nachts.
Ich habe den Herrn allezeit vor Augen; er steht mir zur Rechten, so wanke ich nicht.
Darum freut sich mein Herz, und meine Seele ist fröhlich; auch mein Leib wird sicher wohnen.
Denn du wirst meine Seele nicht dem Tode lassen und nicht zugeben, dass dein Heiliger die Grube sehe.
Du tust mir kund den Weg zum Leben: Vor dir ist Freude die Fülle und Wonne zu deiner Rechten ewiglich.
Psalm 16,5–11
Predigt zu Psalm 16,5–11
Heute geht es ums Leben. Leben, das wir feiern. Leben, das uns fröhlich stimmt. Wenn ein Kind, ein Baby lacht, dann strahlen doch die Augen aller mit, die drumherum stehen. Wenn so ein Kind fröhlich reagiert, wenn Mama oder Papa mit ihm reden und scherzen, dann ruft das Freude hervor, selbst bei denen, die gar nicht dazugehören – einfach, weil es schön ist, ein Menschenkind so zu erleben.
Wir feiern das Leben. Wir freuen uns, wenn uns das Leben frisch und fröhlich entgegenkommt. Vielleicht fällt uns ein, was so ein Kind werden und erleben kann: Pilotin vielleicht oder Abenteurer. Olympiasiegerin oder Fußballstar.
Klar – das wird nicht jeder. Aber ich denke und hoffe, dass ein Kind Freunde haben wird. Ich wünsche ihm, dass es genau den Beruf findet, der zu ihr oder ihm passt. Und dass es darin Freude hat, die andere ansteckt.
Ja, auch das gelingt nicht immer. Aber ich hoffe es für ein Kind, für jeden Menschen. Denn wenn ich es nicht mehr hoffe, habe ich auch vergessen, was Leben ist.
Was mich manchmal erschrickt: Menschen haben solche Hoffnungen wirklich aufgeben. Sie sehen ein Kind – und haben sofort alle Sorgen parat, alles Übel, das kommen kann.
Wir haben davon ja auch genug selbst provoziert. Unsere Städte sind verbaut und die Straßen mit Autos vollgestopft. Und im Sommer heizen sie sich auf wie Backöfen – einfach, weil zu viel Beton und Asphalt da ist und zu wenig Bäume und grüne Flächen.
Wir verursachen eine Menge, vor dem sich Menschen fürchten. So boomt die Rüstungsindustrie und produziert immer mehr Waffen. Die sind nun einmal nicht nachhaltig und so müssen immer neue hergestellt werden. Das lohnt sich. Aber damit richten wir die Welt, das Leben, die Freude und die Hoffnung zugrunde.
Haben wir noch Hoffnung? Könnten wir zuerst wieder das Leben und seine Schönheit und seine Möglichkeiten in den Blick nehmen, statt schon immer das Böse zu sehen? Heute steht ein Lied im Mittelpunkt, das König David vor 3.000 Jahren geschrieben hat. Und das strotzt vor lauter Freude und Leben. Wir haben es schon gebetet – Psalm 16.
Ich habe mir einmal die schönen Wörter herausgeschrieben, die da drin vorkommen: das Gut, liebliches Land, schönes Erbteil, loben, sich freuen, fröhlich sein, sicher wohnen, das Leben, die Freude, die Fülle, die Wonne.
Ich kann mir vorstellen, dass David in dem Moment, in dem er diese Worte geschrieben hat, voller Hoffnung für sein Leben gewesen ist. Und ich glaube, Menschen, die dieses Lied im Tempel gesungen haben oder später in den Synagogen, bei Festen und anderen Gelegenheiten, für einen Moment zumindest die Sorgen und Ängste ablegen konnten. David lässt in diesem Lied nicht zu, dass ihm irgendetwas die Freude am Leben verdirbt.
Er hat auch andere Lieder geschrieben, Lieder, die zeigen, wie oft sein Leben bedroht gewesen ist. Sein eigener Schwiegervater, König Saul, hat mit Speeren nach ihm geworfen. Und auch zu seiner Zeit gab es viele Kriege, in die David verwickelt war – als Soldat, als Freischärler und auch als König. Er hat nicht immer ein so fröhliches Lied gesungen.
Aber heute beeindruckt mich gerade dieses Lied sehr. Denn ich glaube, unsere Haltung wird verändert, wenn wir nach der Hoffnung schauen, die Gott uns gibt. Ich schaue anders auf den Tag, auf meine Aufgaben und auch auf Schwierigkeiten, wenn ich mir viel mehr ansehe, was Gott tut, wie schön und reich und herrlich und gut er ist.
In der Mitte der sieben Verse, die wir miteinander gebetet haben, steht der Grund für Davids Mut, für seine Hoffnung und seine fröhlichen Worte: „Ich habe den Herrn allezeit vor Augen.“
Manchmal schaut er auf seine Feinde, auf die Not, die um ihn herum herrscht, auf seine eigene Schwäche. Aber heute ist es anders. Heute – und gewiss an vielen anderen Tagen – blickt er Gott an.
Es ist lange her, da durfte ich auf einem großen Segelboot einmal ein, zwei Stunden am Steuer stehen. Wir sind auf dem Ijsselmeer in Holland gesegelt. Das Schiff war ein Frachtschiff mit zwei Masten, so 20 – 25 Meter lang. Der echte Steuermann gab mir den entscheidenden Tipp, damit wir auch wirklich geradeausfahren: „Such dir einen festen Punkt am Horizont. Und auf den halte zu. Schau nicht nach links und rechts oder kurz vor das Schiff, sondern behalte diesen Punkt im Auge.“ Das geht auf dem Ijsselmeer, weil es nicht so groß ist. Man sieht, wenn kein Nebel herrscht, immer die Küste und kann einen festen Punkt in den Blick nehmen.
Ich glaube, David hat es ähnlich gemacht. Sein fester Punkt, sein Ziel und sein fester Halt ist Gott. „Ich habe den Herrn allezeit vor Augen.“ Der schaut nicht nach links und rechts. Der hört nicht auf das Kriegsgeschrei und die Panikmache. Der lässt sich nicht von den Menschen leiten, die vor lauter Zukunftsangst jeden Tag andere Entscheidungen treffen. David folgt nicht denen, die sich ihre Lösungen ausdenken. Da gab und gibt es viele, die von sich sagen, sie allein wüssten, wie es geht.
Gott ist sein Ratgeber. Und so findet er immer seinen Weg. Gott ist der Grund seiner Freude. Und er findet genügend Gelegenheiten im Alltag, bei denen Gott ihm Gutes und Schönes zeigt und widerfahren lässt. Sogar dem Tod kann er ins Gesicht lachen. „Selbst du machst mir keine Angst, denn mein Gott lebt.“
Der Apostel Paulus, der als frommer Jude diese Worte bestimmt auch sehr oft gebetet hat und ganz gewiss auswendig kannte, hat 1.000 Jahre später seine eigene Interpretation – oder besser: seine eigene Entdeckung mit diesen oder ähnlichen Worten aufgeschrieben. Mir ist die Entdeckung von Paulus geradezu vor die Finger geworfen worden, so dass ich gar nicht um sie herzumkomme. Denn heute taufen wir ein Kind, das genau diese Entdeckung als Taufspruch zugesagt bekommt: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ (2. Timotheus 1,7)
Paulus macht’s nicht anders als David: Er hat bei Gott seinen festen Punkt. Da ist seine Hoffnung. Und auch Paulus wird davon durch allerhand schwere Situationen gleitet. Er blendet sie nicht aus. Er stellt sich ihnen mutig entgegen – und landet dabei oft auch im Gefängnis. Aber in seinem Herzen ist er ganz sicher: Gott hält mich. Gott lässt mich Gutes sehen und er gibt mir das Leben.
Ich weiß nicht, ob meine Beobachtung stimmt. Aber bei dem, was ich schon gelesen habe von und über andere Menschen, glaube ich: Die mutigsten und hoffnungsvollsten Menschen sind bis heute diejenigen, die nicht voller Angst auf alles schauen, was passieren kann, sondern die eine so tiefe Hoffnung und Sehnsucht nach dem Leben in sich tragen, wie David und Paulus.
Die sehen, was Gott für uns Menschen vorgesehen hat und die darum alles einsetzen dafür, dass das jedem Menschen auch zugutekommt.
Die sich für Flüchtlinge stark machen, weil auch sie das ganze Recht auf ein gutes Leben haben. Die im Krankenhaus oder Pflegeheim den Menschen mit Freundlichkeit und Hoffnung begegnen, weil sie wissen, dass Gesundheit im Herzen, in der Seele anfängt.
Die sich Hass und bösen Worten entgegenstellen, damit solche Worte Menschen nicht zerstören oder die Gesellschaft kaputtmachen.
Ich glaube, dass solche Menschen auf die eine oder andere Weise genau das sehen können, was David gesehen hat. Ich glaube, sie nehmen sich dafür bewusst Zeit und machen ihren Blick frei für Gott.
Wäre das ein Versuch, diese sieben Verse jeden Tag zur Hand zu nehmen und zu beten – morgens und abends und zwischendurch? Am besten vorm Blick in die Zeitung oder vor dem ersten Wischen übers Smartphone. Erst der Blick auf Gott und seine Möglichkeiten und danach kommt die Welt.
„Du, Gott, tust mir kund den Weg zum Leben.“ Das will ich hören und sehen, glauben und erfahren. Und weitergeben.