Wie Weih­nach­ten wird

… und was Maria damit zu tun hat

KS20161006 Urlaub Mainz 011-Pano

Pre­digt zu Lukas 1,26–38

Wir war­ten. Auf Weih­nach­ten. Und kön­nen es nicht abwar­ten. Nicht nur die Kin­der fra­gen unge­dul­dig und hal­ten die Span­nung kaum noch aus. Was es wohl geben wird? Auch wir Erwach­se­ne sind oft schon – manch­mal durch äuße­ren Zwang – mit­ten­drin im Weih­nachts­ge­sche­hen, ohne die War­te­zeit selbst auch zu wür­di­gen und zu nut­zen. Der äuße­re Zwang? Da muss man nur über einen Weih­nachts­markt gehen. Die „Stil­le Nacht“ dudelt jetzt schon seit drei Wochen durch die Laut­spre­cher, im kras­sen Gegen­satz zur Laut­stär­ke und dem Tru­bel zwi­schen den Marktbuden.
Wir wis­sen eben auch, was kommt. Am 24. Dezem­ber müs­sen die Geschen­ke unterm Baum lie­gen. Der Ter­min ist hin­läng­lich bekannt. Da gibt es kei­ne Geheim­nis­tue­rei um den Termin.
Ganz anders ging es damals Maria, die die Mut­ter Jesu wer­den soll­te, aber das so gar nicht erwar­te­te. Im Lukas­evan­ge­li­um ist es nachzulesen:

MK20161006 Urlaub Mainz 011Und im sechs­ten Monat wur­de der Engel Gabri­el von Gott gesandt in eine Stadt in Gali­läa, die heißt Naza­reth, zu einer Jung­frau, die ver­traut war einem Mann mit Namen Josef vom Hau­se David; und die Jung­frau hieß Maria. Und der Engel kam zu ihr hin­ein und sprach: Sei gegrüßt, du Begna­de­te! Der Herr ist mit dir! Sie aber erschrak über die Rede und dach­te: Welch ein Gruß ist das? Und der Engel sprach zu ihr: Fürch­te dich nicht, Maria, du hast Gna­de bei Gott gefun­den. Sie­he, du wirst schwan­ger wer­den und einen Sohn gebä­ren, und du sollst ihm den Namen Jesus geben. Der wird groß sein und Sohn des Höchs­ten genannt wer­den; und Gott der Herr wird ihm den Thron sei­nes Vaters David geben, und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewig­keit, und sein Reich wird kein Ende haben. Da sprach Maria zu dem Engel: Wie soll das zuge­hen, da ich doch von kei­nem Mann weiß? 

Über­rascht war Maria. Erwar­tet hat sie jeden­falls kein Kind. Und auch den Engel in ihrer guten Stu­be hat sie nicht erwar­tet. Der kam ein­fach hin­ein in ihr Haus, in ihr Leben. Kein Wun­der, dass sie erschrickt. Wobei es die Rede ist, die sie beson­ders ver­wirrt, schreibt Lukas. Nor­ma­ler­wei­se sagt man wohl „Guten Tag“ – oder in Isra­el „Scha­lom“ oder im Ori­ent „Salem alei­kum“. Das weiß man noch aus Karl May. „Du Begna­de­te? Der Herr ist mit dir?“ Sehr über­trie­ben, gera­de einer frem­den und auch sehr jun­gen Frau gegen­über. Maria denkt: „He, was ist das denn für ein Gruß?“ Viel­leicht dach­te sie auch: „Was ist dass denn für ein selt­sa­mer Typ?“

So ist das mit Über­ra­schun­gen manch­mal. Nicht alle sind von vor­ne­her­ein freu­dig – etwa wenn gute Freun­de unver­hofft an der Tür klin­geln. Das ist ja schön. Meis­tens. Aber es ist auch kei­ne böse Über­ra­schung. Gewiss nicht. Es ist – so ganz anders.
Das ler­ne ich zuerst neu in die­ser Geschich­te, die in eine Zeit gehört, in der uns alle Abläu­fe völ­lig klar sind: 1. bis 4. Advent, Hei­lig­abend, Geschen­ke unterm Baum. So geht das.
Nein – Gott ist anders. Der hält sich nicht an Abläu­fe und Plä­ne. Der macht sei­nen eige­nen Plan und über­rascht uns damit. Gott kommt manch­mal uner­war­tet, ist plötz­lich da. Die Fra­ge ist, wie wir damit umgehen.
Aber hören wir dem Engel noch ein biss­chen zu:

Der Engel ant­wor­te­te und sprach zu ihr: Der Hei­li­ge Geist wird über dich kom­men, und die Kraft des Höchs­ten wird dich über­schat­ten; dar­um wird auch das Hei­li­ge, das gebo­ren wird, Got­tes Sohn genannt wer­den. Und sie­he, Eli­sa­beth, dei­ne Ver­wand­te, ist auch schwan­ger mit einem Sohn, in ihrem Alter, und ist jetzt im sechs­ten Monat, von der man sagt, dass sie unfrucht­bar sei. Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich. 

Es wird nicht gera­de ein­fa­cher mit die­ser Ant­wort. Der Hei­li­ge Geist, Kraft des Höchs­ten, ein gera­de­zu hei­li­ges Kind, gar der Sohn Got­tes. Und als Refe­renz Eli­sa­beth, die Cou­si­ne Mari­as. Auch schwan­ger. Auch uner­war­tet. Eli­sa­beth war hoch­be­tagt, so schreibt Lukas am Anfang sei­nes Evan­ge­li­ums, bevor er von Maria erzählt.
Gott ist anders. Und Gott lässt Unmög­li­ches gesche­hen. Er mutet uns damit zu, unser Den­ken umzu­stel­len. Er erwar­tet von uns, dass wir unse­re Vor­stel­lun­gen von ihm doch ein­mal über den Hau­fen wer­fen. Immer noch. Nicht erst heu­te dis­ku­tie­ren die Theo­lo­gen dar­über, ob Maria wirk­lich Jung­frau war oder ob das nicht ein­fach beson­ders her­vor­he­ben soll, dass Jesus von Anfang an als Got­tes Sohn beschrie­ben wird.
Ich hal­te es für legi­tim, das zu über­le­gen. Denn anders als von vie­len behaup­tet, muss nie­mand sein Den­ken aus­schal­ten, wenn er glau­ben will. Men­schen dür­fen die­se Fra­ge stel­len. Natür­lich. Und sie kön­nen die­se Fra­ge auch unter­schied­lich beant­wor­ten. Natür­lich. Aber ich hal­te es auch für ver­kehrt, wenn dann einer sagt: Ganz gewiss war das Kind von Josef, von einem Men­schen. Und Jesus galt nur als Got­tes Sohn.
Stel­len wir solch eine Fra­ge nur, weil nicht sein kann, was nicht sein darf – nach unse­rer mensch­li­chen Vor­stel­lung? Das schränkt doch Gott schon wie­der ein! Wir legen damit schon wie­der fest, wie Gott han­deln muss. Er muss näm­lich immer so han­deln, wie es uns in den Kram, in unse­re wis­sen­schaft­li­che Vor­stel­lung, in unser Got­tes­bild passt.
Der Engel macht eins ganz deut­lich: Dass Jesus zur Welt kommt, dass Gott Mensch wird, und wie er das wird, ist ganz allein und aus­schließ­lich Got­tes Sache. Gott allein hat die­sen Ent­schluss gefasst und den Weg aus­ge­dacht. So fällt Got­tes Wahl nicht auf das amtie­ren­de Königs­haus. Hero­des ist so gar nicht nach sei­nem Geschmack. Gott erwählt Maria. Gott erwählt Beth­le­hem, eine Stadt abseits des Welt­ge­sche­hens. Gott erwählt die Fami­lie eines Zim­mer­manns, nicht die eines aktu­el­len Herr­schers oder sons­ti­gen Gro­ßen in Israel.
Der Weg Got­tes auf Erden geht dann ja auch ganz unty­pisch für einen Gott wei­ter. Jesus beugt sich unter die Tau­fe, die Johan­nes am Jor­dan ver­kün­det und durch­führt – eine Tau­fe zur Buße und zur Ver­ge­bung der Sün­den. Jesus, der doch eins ist mit Gott, mit dem Wil­len Got­tes. Der hat die­se Tau­fe nicht nötig. Jesus beugt sich unter das gel­ten­de Gesetz. Kei­nes der Gebo­te hebt er auf. Im Gegen­teil. Er deu­tet sie auf der einen Sei­te viel stren­ger noch als die Leh­rer, die Rab­bi­ner um ihn her­um. Und er stellt auf der ande­ren Sei­te ihren Sinn neu her­aus als Mit­tel zum Leben. Jesus geht soweit den Weg eines jeden Men­schen, dass er auch dem Tod nicht aus­weicht und kurz vor­her noch schnell ver­schwin­det. Er stirbt am Kreuz. So etwas macht doch kein Gott! Doch! Die­ser schon.
Es ist Got­tes Ent­schei­dung allein, genau die­sen Weg ein­zu­schla­gen, damit wir Men­schen wie­der zu ihm kom­men kön­nen. War­um? Aus Lie­be zu sei­nen Men­schen. Got­tes Beweg­grund ist sei­ne Lie­be. Auch das wie­der ein­zig sei­ne Ent­schei­dung. Diet­rich Bon­hoef­fer hat das ein­mal so gesagt: „Der Grund der Lie­be Got­tes zum Men­schen liegt nicht im Men­schen, son­dern allein in Gott selbst.“ (DB Ethik, S. 74)
Gott han­delt uner­war­tet. Und es ist Gott, der han­delt. Er ist der Herr der Weih­nachts­ge­schich­te und nicht wir mit unse­ren roman­ti­schen, hei­me­li­gen Vor­stel­lun­gen einer Wohl­fühl­weih­nacht. Maria hat es ergrif­fen. Viel­leicht nicht ver­stan­den – wer kann das schon ver­ste­hen. Aber sie klam­mert sich dar­an, hält fest, was geschieht, hält an Gott fest.

Gott kommt uner­war­tet. Gott han­delt sou­ve­rän. Und wie reagie­ren wir dar­auf? Der letz­te Vers der Erzäh­lung fehlt noch. Die Ant­wort Mari­as fehlt noch.

Maria aber sprach: Sie­he, ich bin des Herrn Magd; mir gesche­he, wie du gesagt hast. Und der Engel schied von ihr.

Maria lässt es zu, was Gott ange­kün­digt hat. Sie lässt zu, dass sie zu einem Werk­zeug Got­tes wird. Sie ermög­licht Gott, sei­nen Plan aus­zu­füh­ren, sei­nen Weg zu gehen, so wie er sich das über­legt hat.
Ist das nicht ein biss­chen ver­rückt? Dass Gott sei­nen Weg in die­se Welt, zu sei­nen Men­schen gehen kann – so gehen kann, wie er das will, hängt am Ja von Maria. Wie oft muss Gott nicht um unse­re Beden­ken her­um han­deln und sich etwas ande­res aus­den­ken. „Gott, ich bin doch nicht ver­hei­ra­tet. Der Skan­dal. Und Josef.“ „Gott, ich bin die­ser Auf­ga­be doch gar nicht gewach­sen, bin zu jung, kom­me aus ein­fa­chen Ver­hält­nis­sen.“ „Gott, eigent­lich woll­ten wir noch kein Kind. Erst mal die Fir­ma wei­ter auf­bau­en. Josef hat da eine neue Geschäfts­idee.“ Hät­te Maria alles sagen können.
„Gott, ich habe eine schwe­re Zun­ge, kann nicht reden.“ Das sag­te Mose, der den Pha­rao über­zeu­gen soll­te, die Israe­li­ten frei zu geben. Der hat­te so gar kei­nen Drang, mit dem Pha­rao zu dis­ku­tie­ren und als Anfüh­rer aufzutreten.
„Gott, alles ver­kau­fen und dir nach­fol­gen? Das fällt mir sehr schwer. Nein das geht dann doch nicht.“ Sagt und denkt der rei­che Jüng­ling, der doch schon alles getan hat und wirk­lich an Jesus inter­es­siert ist.
„Gott, nicht jetzt, spä­ter.“ „Gott, nicht mit dem, den kann ich nicht lei­den.“ „Gott, kann das nicht ein ande­rer bes­ser?“ „Gott, hältst du das für eine gute Idee? Das haben wir noch nie so gemacht.“ „Gott, nein.“
„Soll­te Gott gesagt haben?“ Damit gin­gen die kri­ti­schen Anfra­gen an Got­tes Sou­ve­rä­ni­tät und an sei­ne Lie­be, sei­nen guten Wil­len mit uns Men­schen los. Adam und Eva zwei­fel­ten schließ­lich dar­an, dass Gott ihnen alles, aber auch wirk­lich alles zum Leben geschenkt hat­te. Sie zwei­fel­ten an sei­ner Lie­be, an sei­ner Offen­heit, an sei­ner Sou­ve­rä­ni­tät. Und Gott konn­te das Para­dies dicht machen, das er doch für die Men­schen gestal­tet und ein­ge­rich­tet hatte.

Ob das manch­mal so ist, dass Gott am Nein eines Men­schen schei­tert? Auch das sprengt unse­re Vor­stel­lung von Gott. Ande­re Göt­ter neh­men sich, was sie wol­len, set­zen durch, was sie wol­len. Unser Gott aber lässt Din­ge zu, wenn wir uns ihm ver­wei­gern. Er ach­tet unse­ren Wil­len, auch wenn dann etwas lie­gen­bleibt und nicht gelingt.

Mir fällt ein Car­toon wie­der ein, den ich ein­mal gese­hen habe (sinn­ge­mäß):
Sitzt Jesus mit einem Men­schen auf einer Park­bank. Der Mensch klagt: „Jesus, so viel Leid auf die­ser Welt, so viel Krieg. Jeder denkt nur an sich. Wann tust du etwas dage­gen?“ „Komisch“, sagt Jesus, „das­sel­be woll­te ich dich auch gera­de fragen.“
Gott wird Mensch – und er han­delt an und mit uns Men­schen unter mensch­li­chen Bedin­gun­gen. Er sucht Men­schen, die wie Maria sagen: „Mir gesche­he, wie du gesagt hast.“ Men­schen, die zu Gott eben­so bedin­gungs­los ihr Ja sagen, wie Gott schon lan­ge bedin­gungs­los zu uns Ja gesagt hat. Men­schen, die Gott wirk­lich Gott sein las­sen in sei­nen Ent­schei­dun­gen, in sei­ner Art zu han­deln, mit allem Geheim­nis, das ihn umgibt und das wir nicht kna­cken kön­nen. Men­schen, die Gott ver­trau­en, ihm etwas zutrau­en und von ihm alles erwar­ten. Men­schen, die sich Gott zur Ver­fü­gung stel­len – und zwar gera­de mit allem was sie sind: mit ihrem Ver­stand, ihrer kör­per­li­chen Kraft, ihren Ideen und Träu­men. Und genau­so mit ihren Schwä­chen, ihren Feh­lern und Unzulänglichkeiten.

Von Maria kön­nen wir das ler­nen und dabei die Sei­te Got­tes ent­de­cken, die er uns auf so vie­len Sei­ten der Bibel und nun auch in der Weih­nachts­ge­schich­te zeigt. So wird Maria zu einem genau­so gro­ßen Vor­bild für das, was glau­ben, was Gott ver­trau­en bedeu­tet, wie es Abra­ham war, der auf ein Wort von Gott in ein völ­lig neu­es Leben aufbrach.
Sie wird zum Vor­bild als ein Mensch, der Gott lobt und preist und sei­ne Herr­lich­keit und Grö­ße besingt, so wie es David gewe­sen ist, der uns mit sei­nen Psal­men Wor­te gibt, mit denen wir noch heu­te beten.

Die Weih­nachts­ge­schich­te, die schon mit der Ankün­di­gung der Geburt von Jesus beginnt, ist eine Her­aus­for­de­rung an uns, Gott neu zu suchen. Und uns für ihn ganz neu zu öff­nen und ihn han­deln zu las­sen nach sei­ner Weise.
Gott kommt uner­war­tet und er kommt mit über­ra­schend ande­ren Ideen zu uns, als wir das denken.
Gott han­delt, immer noch. Und ob er dabei auf Wun­der und völ­lig Außer­ge­wöhn­li­ches setzt oder auf ganz gewöhn­li­che mensch­li­che Wege, ist sei­ne Sache allein.
Und Gott wirkt mit Men­schen, die ihm völ­lig ver­trau­en. Da kann jeder Tag ein biss­chen wie Weih­nach­ten wer­den – über­ra­schend, mit Gott in der Mit­te, der die Welt mit sei­nen Men­schen verändert.
Amen.

Fotos: Lan­des­mu­se­um Mainz, „Meis­ter des Hausbuchs“,
Mari­en­zy­klus (1505)

© Foto: Mat­thi­as Keilholz

 

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