Was Ostern mit Fischefan­gen zu tun hat

Pre­digt zum 2. Sonn­tag nach Ostern (Miser­i­cor­di­as Domini)

Ostern liegt nun auch schon wie­der ein paar Tage zurück. Die meis­ten Oster­ei­er sind auf­ge­ges­sen, die Scho­ko-Oster­ha­sen gewiss auch. Noch sin­gen wir Oster­lie­der, aber der All­tag ist auch da, mit sei­nen Höhen und Tiefen.

In Isra­el, damals, als Ostern wirk­lich nur ein paar Tage her war, geschah eine beson­de­re Begeg­nung. Schon in Jeru­sa­lem hat­te Jesus sich sei­nen Jün­gern gezeigt. Man­che erin­nern sich an die Begeg­nung mit Maria Mag­da­le­na, die Jesus für den Gärt­ner hielt und die den Jün­gern dann von Jesus erzäh­len soll­te. Kurz spä­ter dann kam er selbst in den Kreis der Elf.  Gro­ße Auf­re­gung. Einer war nicht dabei gewe­sen, Tho­mas. Als ihm die ande­ren von Jesus erzähl­ten, woll­te er nicht glau­ben, dass Jesus auf­er­stan­den war von den Toten. Das hat ihm den Spitz­na­men „der Ungläu­bi­ge“ ein­ge­bracht. Der ungläu­bi­ge Tho­mas. Jesus zeig­te sich ihm dann auch noch (Johan­nes 20).

Nun waren schon wie­der ein paar Tage ver­gan­gen, nach­dem die Jün­ger und Jesus in Jeru­sa­lem zusam­men gewe­sen waren. Irgend­ei­ner kam wohl auf die Idee, dass sie wie­der etwas arbei­ten soll­ten. Schließ­lich muss­ten sie sich ja etwas zu Essen ver­die­nen. Und vor allem: So ganz klar war es noch nicht, wie das jetzt wei­ter­ge­hen soll­te ohne Jesu, also ohne den sicht­ba­ren Jesus, der den Jün­gern doch immer vor­an­ge­gan­gen war. Petrus, Fischer von Beruf, tat sich mit ein paar ande­ren zusam­men und ging wie­der auf Fisch­fang am See Tibe­ri­as, so heißt der See Gene­za­reth bei Johan­nes. Von den bei­den Brü­dern Jako­bus und Johan­nes, eben­falls Fischer, wird erzählt, dass sie auch dabei waren. Ins­ge­samt sie­ben Jün­ger taten sich zusam­men, um wie­der gemein­sam etwas zu unter­neh­men, aktiv zu wer­den, nicht län­ger taten­los zu blei­ben. Irgend­wie bot sich die Fische­rei an, auch wenn es viel­leicht eine Ver­le­gen­heits­lö­sung gewe­sen ist.

Am See Tibe­ri­as, wie Johan­nes ihn nennt, hat­te damals alles ange­fan­gen mit Jesus. Hier hat­te er sei­ne ers­ten Jün­ger beru­fen, Petrus und Andre­as, Jako­bus und Johan­nes. So ist es nicht zu ver­wun­dern, dass das letz­te Kapi­tel des Johan­nes­evan­ge­li­ums wie­der an die­sem See spielt. Die letz­te Oster­ge­schich­te, von der Johan­nes berich­tet, hat ihren Ort da, wo alles ange­fan­gen hat­te, am See.
Wie­der, wie schon ein­mal, hat­ten die Jün­ger trotz ange­streng­ter Arbeit in der Nacht nichts gefan­gen. Und der Bibel­le­ser ahnt oder weiß es schon: Ein Frem­der gibt vom Ufer aus den Auf­trag, die Net­ze noch ein­mal aus­zu­wer­fen. Dar­auf­hin mach­ten die Jün­ger einen außer­ge­wöhn­lich gro­ßen Fang. „Es ist der Herr“, so stellt es der Jün­ger Johan­nes fest. Jesus hat­te sie mit der Nase dar­auf gesto­ßen, dass er immer noch der­sel­be ist, und dass er sei­ne Geschich­te mit den Jün­gern dort fort­setzt, wo sie auf­ge­hört hat­ten. Aber etwas war neu, war anders. Das woll­te Jesus sei­nen Jün­gern und beson­ders Petrus deut­lich machen.  Und das war hört sich in der Erzäh­lung in Johan­nes 21 so an:

15 Als sie nun das Mahl gehal­ten hat­ten, spricht Jesus zu Simon Petrus: Simon, Sohn des Johan­nes, hast du mich lie­ber, als mich die­se haben? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Wei­de mei­ne Läm­mer! 16 Spricht er zum zwei­ten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johan­nes, hast du mich lieb? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Wei­de mei­ne Scha­fe! 17 Spricht er zum drit­ten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johan­nes, hast du mich lieb? Petrus wur­de trau­rig, weil er zum drit­ten Mal zu ihm sag­te: Hast du mich lieb?, und sprach zu ihm: Herr, du weißt alle Din­ge, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Wei­de mei­ne Scha­fe! 18 Wahr­lich, wahr­lich, ich sage dir: Als du jün­ger warst, gür­te­test du dich selbst und gingst, wo du hin­woll­test; wenn du aber alt wirst, wirst du dei­ne Hän­de aus­stre­cken und ein ande­rer wird dich gür­ten und füh­ren, wo du nicht hin­willst. 19 Das sag­te er aber, um anzu­zei­gen, mit wel­chem Tod er Gott prei­sen wür­de. Und als er das gesagt hat­te, spricht er zu ihm: Fol­ge mir nach!

„Wei­de mei­ne Läm­mer, wei­de mei­ne Scha­fe.“ Jesus gibt die Auf­ga­be wei­ter, die er bis­her allei­ne aus­ge­füllt hat­te. In Johan­nes 10 sagt Jesus von sich selbst, dass er der gute Hir­te ist. Und er greift damit den wohl bekann­tes­ten Psalm der Bibel auf, der von Gott als dem guten Hir­ten han­delt, Psalm 23. Nun sind die Jün­ger dran und Petrus an her­vor­ge­ho­be­ner Stel­le. „Wei­de mei­ne Lämmer.“
Aber die­se Auf­ga­be hat eine beson­de­re Vor­aus­set­zung, und die wird deut­lich in der drei­ma­li­gen Fra­ge von Jesus: „Hast du mich lieb?“ Es ist kein Zufall, dass Jesus hier drei­mal fragt, wie groß die Lie­be des Petrus ist. Wer die Pas­si­ons­ge­schich­te kennt, erin­nert sich dar­an, dass Petrus drei­mal geleug­net hat, Jesus über­haupt zu ken­nen. Das wird Petrus immer im Gedächt­nis blei­ben. Übri­gens: Kein ein­zi­ges Mal stellt Jesus die­se Lie­be selbst in Fra­ge. Trotz aller Schwach­heit des Petrus, trotz sei­ner Ver­leug­nung weiß Jesus, dass Petrus die Wahr­heit sagt: „Du weißt, dass ich dich Lie­be.“ Und weil das so ist, weil Petrus ganz an Jesus hängt, kann die­ser ihm auch die gro­ße Auf­ga­be anver­trau­en, für sei­ne Gemein­de, für sei­ne Her­de zu sor­gen. Die Lie­be zu Jesus ist die Vor­aus­set­zung dafür, nicht die eige­ne Kraft, alle Schlau­heit, alles Kön­nen. Und umge­kehrt: Das Ver­sa­gen ver­hin­dert nicht, dass Petrus für Jesus brauch­bar ist.

Noch ein zwei­tes fällt mir auf. Auch wenn Petrus jetzt zum Hir­ten wird, der ande­re lei­ten soll, der für ande­re Ver­ant­wor­tung über­neh­men soll – er bleibt immer noch unter der Lei­tung Got­tes. Er bleibt selbst einer, der auf die Füh­rung Got­tes ange­wie­sen ist und der auch von ande­ren Men­schen geführt wer­den wird:
Wahr­lich, wahr­lich, ich sage dir: Als du jün­ger warst, gür­te­test du dich selbst und gingst, wo du hin­woll­test; wenn du aber alt wirst, wirst du dei­ne Hän­de aus­stre­cken und ein ande­rer wird dich gür­ten und füh­ren, wo du nicht hinwillst.
Jesus beschreibt eine Erfah­rung, die gera­de vie­le älte­re Men­schen machen. Ande­re über­neh­men – mehr oder weni­ger – die Füh­rung für sie. Bei man­chen ist das nur ganz wenig der Fall, weil sie immer noch sehr selbst­stän­dig sind. Aber bei man­chen, die sehr erkrankt sind, etwa an Demenz, oder die kör­per­lich sehr schwach sind, sind es ja tat­säch­lich ande­re, die die Lei­tung für das ihnen anver­trau­te Leben über­neh­men. Wohl denen, die noch mit­be­stim­men kön­nen, wohin es geht. Wohl denen, die sich in der Für­sor­ge eines ande­ren Men­schen gebor­gen wis­sen kön­nen, wenn die eige­nen Kräf­te und Fähig­kei­ten nicht mehr aus­rei­chen, die Schrit­te und Wege selbst zu bestimmen.
Petrus wird in den Evan­ge­li­en, in den Geschich­ten um Jesus und sei­ne Jün­ger, immer als ein star­ker Mensch beschrie­ben. Er trifft Ent­schei­dun­gen. Er han­delt. Er greift auch mal zum Schwert und haut drauf, wenn ihm danach ist. Petrus springt ins Was­ser, weil er wie Jesus dar­auf lau­fen will. Petrus betont laut­stark, dass er ganz bestimmt zu Jesus hal­ten wird, selbst wenn alle ande­ren weg­lau­fen. Petrus ent­deckt als ers­ter die Wahr­heit über Jesus – oder bes­ser: er spricht sie als ers­tes laut aus: „Du bist der Chris­tus, der Sohn Got­tes.“ Ein star­ker Typ, wobei ihm sei­ne Stär­ke, sein Selbst­ver­trau­en auch oft zum Stol­per­stein wird.
Aber auch die­ser star­ke Petrus, der sei­nen eige­nen Wil­len hat und allen Mut und alle Kraft sich durch­zu­set­zen, muss sich der Lei­tung eines ande­ren anver­trau­en. Man wird ihn füh­ren, wohin er nicht will, sagt ihm Jesus. Er wird Wege gehen, die er selbst nicht aus­ge­wählt hat, vor denen ihm viel­leicht angst ist. Was Petrus wohl in die­sem Moment gehol­fen hat, sei­nen Auf­trag anzu­neh­men und auch den unge­wis­sen Weg in sei­ne Zukunft zu gehen?

Ich den­ke, es ist der letz­te Satz in die­ser Erzäh­lung: „Fol­ge mir nach.“ So hat­te Jesus die Jün­ger schon ganz am Anfang beru­fen. Weg von ihren Fischer­net­zen, weg von ihrem Platz am Zoll, weg von ihren All­tags­tä­tig­kei­ten. Und dann sind sie drei Jah­re mit Jesus durch Isra­el gezo­gen. Auch wenn Petrus nun eine beson­de­re Auf­ga­be erhält, ja zum Hir­ten ernannt wird – er bleibt immer noch ein Nachfolger.
Die Wege, die Petrus gehen wird, ist ja ein ande­rer längst vor­aus­ge­gan­gen – Jesus. Für Petrus geht es nicht dar­um, sich der Füh­rung irgend­wel­cher Men­schen anzu­ver­trau­en, oder schlim­mer: ihnen aus­ge­lie­fert zu sein. Für Petrus geht es immer noch dar­um, Jesus nach­zu­fol­gen, die Wege zu beschrei­ten, die Jesus vorangeht.
Ich den­ke, dass dar­in auch der Schlüs­sel für unser Leben liegt. Wir ste­hen heu­te vor so viel­fäl­ti­gen Auf­ga­ben und Fra­gen, dass wir oft nicht wis­sen, wem wir dabei trau­en kön­nen und wohin die Wege gehen. Und wenn es ans Älter­wer­den geht, dann wird es ja nicht gera­de leich­ter. Zu vie­le nega­ti­ve Erfah­run­gen haben wir gemacht. Zu vie­le wol­len uns füh­ren, haben in der Ver­gan­gen­heit vie­le Men­schen ver­führt und ins Ver­der­ben geführt. Wem soll man trauen?
„Fol­ge mir nach“, das ist auch Jesu Ein­la­dung an uns heu­te. Und die­se Ein­la­dung gilt für Men­schen, die selbst Ver­ant­wor­tung für ande­re tra­gen, genau­so wie für Men­schen, die ein Stück Ver­ant­wor­tung an ande­re abge­ben müs­sen. Es ist kein blin­des Schick­sal, dem wir aus­ge­lie­fert sind. Als Chris­ten wis­sen wir, dass unser Leben in der Hand des guten Hir­ten liegt, der uns zu den Quel­len führt, die uns erqui­cken. Der gute Hir­te führt uns auf rech­ter Stra­ße. Das ist nicht immer der gera­de Weg, das ist nicht immer die aus­ge­bau­te Autobahn.

Wis­sen Sie, wo Wildensee liegt? Nach Wildensee führt nur eine klei­ne Stra­ße. Als ich vor kur­zem zu einem Gespräch dort­hin woll­te, konn­te ich kei­ne der drei gro­ßen Auto­bah­nen nut­zen, die ja um uns her­um schnell erreich­bar sind – die A4, die A9, die A38. Auf denen lässt sich gut fah­ren, es geht oft flott vor­an, sie sind im Win­ter auch als ers­te geräumt – meis­tens. Aber kei­ne die­ser wun­der­schö­nen Stra­ßen hät­te mich nach Wildensee gebracht. Die schma­le Gas­se aller­dings, die führ­te zum Ziel.
Es mag ein biss­chen hin­ken, das Bei­spiel, aber ist es nicht so, dass uns schein­bar gute, brei­te Wege oft vom Ziel abbrin­gen und sich im End­ef­fekt als Ab- und Irr­we­ge erwei­sen? Auf unse­ren Lebens­we­gen kann es stei­nig wer­den, ja sogar dun­kel und fins­ter, umsäumt von hohen, bedroh­li­chen Ber­gen. Psalm 23 spricht vom fins­tern Tal, sogar vom Tal des Todes­schat­tens, wenn man es ein­mal wört­lich über­setzt. Aber solan­ge wir an Got­tes Hand unter­wegs sind, droht uns auch dar­in kein Unglück. Gott führt hin­durch und her­aus zu sei­nem Ziel mit uns.
Dem Jesus, der als Mensch mit sei­nen Jün­gern unter­wegs war, haben sich die­se Jün­ger anver­traut. Sie sind ihm gefolgt, durch­aus auch auf Wegen, die sie nicht selbst gewählt hät­ten. Und Kar­frei­tag war für sie das fins­te­re Tal, aus dem sie selbst kei­nen Aus­weg wuss­ten. Aber nun ent­de­cken sie: Die­ser leben­di­ge, auf­er­stan­de­ne Jesus führt sie immer noch. Er ist mit ihnen unter­wegs. Er ist alle Wege schon gegan­gen, die Men­schen zurück­le­gen müs­sen, sogar den letz­ten Weg durch das Tal des Todes. Ihm gilt es, nach­zu­fol­gen, immer noch. Jesus ist gera­de als der leben­di­ge, auf­er­stan­de­ne Jesus der gute Hir­te, der uns durch unser Leben hin zu sei­nem Ziel führt. Wie heißt es am Ende des Psalm 23: „Gutes und Barm­her­zig­keit wer­den mir fol­gen mein Leben lang, und ich wer­de blei­ben im Hau­se des Herrn immerdar.“
Amen.

 

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