Von Sehn­sucht und der Suche nach dem Sehen

Seh­nen Sie sich auch nach dem Früh­ling? Nach lan­gen grau­en Win­ter­ta­gen wird es Zeit, dass es wär­mer wird und die Natur wie­der Far­be bekommt. Die Augen seh­nen sich nach fri­schem Grün, son­ni­gem Gelb und himm­li­schem Blau. Sehn­sucht – ist das nicht auch eine Seh-Sucht? Win­ter­mü­de wis­sen das. Und viel­leicht ver­ste­hen es Ver­lieb­te am bes­ten, denn die sind ja süch­tig nach­ein­an­der, suchen sich zu sehen.
Seh-Süch­ti­ge gibt es aber noch viel mehr. Gar man­cher ist heu­te der Fern­seh­sucht ver­fal­len oder begeg­net ande­ren nur noch in vir­tu­el­len Räu­men wie Face­book oder ande­ren soge­nann­ten Com­mu­ni­ties – Sehen ja, aber Begeg­nen nein. Dabei ist wirk­li­ches, leib­haf­ti­ges  Sehen durch nichts zu ersetzen.
Aber was neh­men Men­schen eigent­lich in den Blick, wenn sie sehen? Man­che bli­cken nur noch zurück – und das ist nicht unbe­dingt eine Fra­ge des Alters. „Frü­her war alles bes­ser“ – das kommt aus dem Mund der­je­ni­gen, die sich im Heu­te völ­lig ver­lo­ren und über­for­dert füh­len und die nur noch in der Ver­gan­gen­heit Gebor­gen­heit ent­de­cken kön­nen. Aber geht das Leben nicht vor­wärts wei­ter? Im Rück­blick kann man nicht leben, nichts Neu­es ent­de­cken, kei­ne wirk­li­chen Begeg­nun­gen haben.
Der Früh­ling lädt dazu ein, nach vor­ne zu schau­en und neue Schrit­te zu gehen. Er ist eine wirk­lich her­aus-for­dern­de Jah­res­zeit. Nicht umsonst spricht man von Früh­lings­ge­füh­len, die die Men­schen wie­der aus ihren Häu­sern locken und man­chen gar auf aben­teu­er­li­che Wege lot­sen. Der Win­ter war zum Bil­der­schau­en und für den Rück­blick gut, aber dann geht es wie­der ins Freie und nach vorne.
In die­sen Tagen, die schon den Früh­ling in den sehn­suchts­vol­len Blick neh­men, liegt ein Sonn­tag, dem die Kir­che den Namen „Ocu­li“ gege­ben hat. Ocu­li heißt: „mei­ne Augen“, so benannt nach dem Anfang eines Bibel­ver­ses (Psalm 25,15). Da hat auch einer etwas in den Blick genom­men. Und das wird ihm zum Leit­stern, zum hoff­nungs­vol­len Ziel, an dem er sein Leben aus­rich­tet. Er blickt nach vor­ne, nicht ins unge­wis­se Blaue, son­dern auf fes­te Zusa­gen Got­tes, auf eine Zukunft, die die Gegen­wart beein­flusst und das Leben hier und heu­te lebens­wert macht.
„Mei­ne Augen bli­cken stets auf den Herrn.“ Mit die­sem Blick kann David, so heißt der Beter des Psalms, sein Leben gestal­ten, hat Ori­en­tie­rung, einen fes­ten Punkt zum Anvi­sie­ren. Nun kann er sein Leben wie­der anpa­cken. Viel­leicht geht es ihm damit wie denen, die schon mal die Gar­ten­ge­rä­te klar­ma­chen, weil sie wis­sen, dass der Früh­ling nicht auf­zu­hal­ten ist. Und lädt uns ein, dass wir unser Lebens­ziel neu in den Blick neh­men, um heu­te zu leben.

Bei­trag “Gott und die Welt” in der Mit­tel­deut­schen Zei­tung vom 2. März 2013

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